Alles in mir dreht sich. Ich versuche einen klaren Gedanken zu fassen, aber es kommt einfach nichts dabei raus. Ich schüttle mich, als ich mich vorbeuge und auf den Boden übergebe. Der eigentlich erdige Boden wellt sich und das Erbrochene verschwindet. Vielleicht sollte ich mit jemanden über das, was gerade passiert ist, reden. Nur wem kann ich vertrauen? 197 wirkte nicht so, ob sie an irgendwas interessiert wäre.Auch 66 kenne ich erst seit einer halben Stunde, obwohl ich irgendwo her das Gefühl nehme, dass ich ihr vertrauen kann. „Sie war nett", schießt mir durch den Kopf. Ich krümme mich unter dem verbotenen Wort aus den verlorenen Generationen, welche auf dieser Welt weilten, bevor wir sie aufgeräumt haben. Manche verbotenen Wörter haben trotz der Gesetzte überlebt. Es fällt mir viel schwieriger sie auszusprechen, als früher. Mit meinen letzten Kraftreserven stehe ich wackelig auf und stolpere zu der mit Ranken überwachsenen Tür, durch die 66 schon verschwunden ist. Die Schönheit des Waldes nehme ich gar nicht mehr war, sowie die Anderen im Speiseraum. Verzweifelt versuche ich eine Klinke an der vermeintlichen Tür zu finden. Nichts. Panischer fahren meine Hände über die raue Oberfläche der Ranken. Schweißperlen tauchen auf meiner Stirn auf. Ich muss hier raus. Die Temperatur des Raumes, die eben noch angenehm kühl war, steigt auf einer beunruhigende Höhe an, obwohl es vielleicht auch nur die Panik schuld ist, die mich überwältigt. Wo ich eben noch auf die Meinung der Anderen bedacht war, werfe ich mich mit voller Wucht gegen die Pflanzen und knalle heftig auf der anderer Seite auf. Die vermeintliche Tür war nur eine Illusion und an ihrer Stelle befindet sich nicht mehr als Luft. Fluchend stehe ich auf und versuche wenigstens etwas Haltung zu bewahren. Verdammte Pflanzen. Na toll, jetzt habe ich geschafft mich zum zweiten Mal an diesem Tag lächerlich gemacht zu haben. Falls das nicht schon ein unübertroffener Rekord ist, weiß ich auch nicht mehr weiter.
Ein unterdrücktes Wimmern durchbricht meine düsteren Gedanken. 66 versucht angestrengt ihr Lachen zu unterdrücken, indem sie eine Hand auf ihren Mund drückt. Ihre Augen weiten sich schalkhaft. Ich schenke ihr einen sehr dankenden Blick, also den Rekord haben ich ganz sicher gebrochen. Als das nichts mehr nützt, versucht sie die Luft anzuhalten, sie dabei aber eher aus, wie ein sterbender Fisch. Und dann kann ich auch nicht mehr. Wir beide prusten lauthals los, während ihr glockenhelles Lachen, eher wie eine außergewöhnliche Melodie klingt, könnte man mich wohl eher mit einem schnaufendem Nilpferd verwechseln. Doch das macht mir jetzt ehrlich gesagt überhaupt nichts mehr aus, denn lächerlicher kann man sich nicht mehr machen.
„Du kannst einfach durch die Türen durch gehen!", erklärt sie mir immer noch lachend, ihre Backen noch ganz rot.
„Warum kann man nicht einfach Klinke anbringen.", schüttle ich den Kopf über mich selbst.„Ach Klinken sind nur hässlich und unnötig."
Ihre Augen glänzen genauso wie ihre blonden Haare. Graziös hält sie mir ihre Hand einladend hin, da ich immer noch platt wie ein Fisch auf dem Boden liege. Dankbar nehme ich das Angebot, immer noch mit einem Grinsen auf dem Gesicht, an.
Der Gang, indem wir uns befinden, ist nicht weniger atemberaubenden als die Halle oder der Speiseraum. Die Wände biegen sich in einer runden Röhre über dem geraden Boden. Vielleicht 3 Personen könnten hier nebeneinander gehen und doch wirkt der Gang keinesfalls einengend, weil abertausende Spiegel sowohl an den Wänden, als auch auf dem Boden angebracht sind. Feine Risse trenne die einzelnen Spiegel voneinander. Kühles Licht scheint durch diese hindurch und bricht sich auf den spiegelnden Oberflächen in die verschiedene Farben eines Regenbogens auf. Es spielt auf meinem Gesicht und lässt 66 Augen mystisch glitzern. Zusammen gehen wir den langen Gang entlang.
Ich wage es nicht an das zu denken, was in dem Speisesaal alles passiert ist. Bei der Vorstellung auch nur die Bilder in meine Gehirn herauf zu schwören, schüttele ich mich. Andererseits flehte er nur um meine Hilfe. Ich weiß aber doch selbst nicht, wie ich mit meinen eigenen Problemen umgehen soll. Wie soll ich dann jemandem anderen helfen, dessen Situation ihn schon längst eingenommen hat. Warum hat er denn nicht 66 oder sogar 197 gefragt, die schon etwas länger hier sind. Warum denn mich? Ich habe doch noch nicht mal eine Ahnung, wo ich schlafen soll. Außerdem was genau meinte er eigentlich mit „helfen"?
Soll ich jemandem Professionelles ansprechen, damit er ihm hilft?
Außer er wollte genau, dass das nicht geschieht. Er wusste, dass ich keinen blassen Schimmer habe, wenn ich ansprechen soll, bis auf 66, die ihn beschützt wie ihr eigenes Kind und somit mir nicht glauben wird, wenigstens nicht den Teil mit dem Angriff. Somit wird niemand es je erfahren, bis auf ein uneinflussreiches, unwissendes Mädchen, dass nicht weiter auffällt. Obwohl mit dem Auffallen bin ich wahrscheinlich heute schon gescheitert. Nur wie ich ihm dann überhaupt helfen soll, bleibt im Dunkeln.
Also entscheide ich mich zum Anfang für eine verhältnismäßig ungefährliche Frage.
„Ich bin aufgewacht ohne überhaupt irgendwas zu wissen. Könntest du mir etwas erklären, sodass ich wenigstens weiß, wie ich mich verhalten soll?"
Ich versuche möglichst dankbar zu schauen.
„Klar!", singt sie erstaunt und holt tief Luft, „Der Eingriff hilft dir dabei deine richtige Familie zu finden. Es gibt 10 Stände, obwohl wir den Begriff Familie bevorzugen. Jede Familie hat verschiedene Eigenschaften und somit auch zugeschnittene Aufgaben. Wir zum Beispiel sind für das Organisieren und Projekte zuständig. Das bedeutet Forschen in allen Bereichen. Und keine Angst: Du musst nicht mehr zur Schule gehen. Das wäre nur unnötig verschwendete Zeit, oder? Auf einem Chip, den wir in deinem Bein installiert haben, sind alle deine Daten gespeichert. Es können natürlich auch neue Daten hinzugefügt werden, wie Dinge, die du sonst lernen müsstest. Es wird natürlich nur das installiert, was auch wirklich notwendig ist. Noch Fragen?"
„Bis auf ungefähr tausend... Nein, eigentlich nicht.", überlege ich lachend und fasziniert zur gleichen Zeit.„Wenn du einen bestimmten Status erreicht hast, kannst du aus deiner menschenähnlichen Stellung aufsteigen.", verrät sie mir.
Jetzt wird einiges klarer: „Und hast schon diesen Status erreicht?"
Sie nickt anerkennend: „Seit ungefähr einem Jahr. Trotzdem ist das Trainieren und Lernen noch nicht vorbei!"
„Was heißt menschenähnliche Stellung?", frage ich, da mir der Begriff aufgefallen ist.„Wusstest du, dass die Menschen vor der Erkenntnis, also der Zeit bevor der erste Erleuchtete geboren wurde, die Natur meist in 3 verschieden Kategorien zusammengefasst haben? In Pflanzen, Tiere und Menschen. Sie meinten paradoxerweise, dass sie höher entwickelt seien, als ihre physisch gleiche Art. Wäre es nicht eine Verdrehung der Tatsachen uns, definitiv viel mehr entwickelten Kreaturen, als jene zu bezeichnen, die ihre Artgenossen so ohne Weitblick zerstört haben?"
Ein drängendes Gefühl in meiner Magengrube erkennt 66 plötzlich nicht mehr wieder. Reine Ernsthaftigkeit spricht aus ihren Wörtern, sodass ihre bisher so typische Gutherzigkeit verschwunden ist.
Mit von fremder Leidenschaft getriefter Stimme predigt sie weiter: „Viele verschiedene Völker hatten damals einen Gott oder sogar mehrere Götter. Entweder um sich unbekannte Sachen mit magischen Fähigkeiten zu erklären oder um einen kleinen Hoffnungsschimmer in der dunklen Nacht zu finden, um sich geborgen zu fühlen in einer Gemeinschaft. Stets besaß die göttliche Kraft mystische Fähigkeiten, die sie eingesetzt hat um das Richtige zu tun, um zu erschaffen. Weitblick, Wissen, Erkenntnis. Schließlich haben sie diese Götter auch nicht mehr gerettet. Als nichts mehr war, bis auf den reinen Glauben auf Hilfe, kam niemand um die Fehler der Gläubigen zu verbessern. Wer hat im Endeffekt überlebt? Wir. Wir haben das überlebt, wo Götter ganzer Völker dran gescheitert sind. Wir haben eine Sache erschaffen, die selbst allmächtige Götter nicht hinbekommen haben: Frieden. Es ist doch mehr als berechtigt uns als Götter zu bezeichnen. Götter, die eingreifen, die es besser machen. Wenn wir den Eingriff überstanden haben, den Status erreicht haben, sind wir weder Pflanzen oder Tiere, noch Menschen. Wir sind Diviten. Eine höhere Macht, die selbst das schafft, an dem Götter gescheitert sind.
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Hi,
Wieder ein längeres Kapitel. In letzter Zeit habe ich leider viel zu tun, aber ich versuche so schnell wie möglich wieder was hochzuladen. Schaut doch in der Zeit mal bei der wundervoll talentierten _helikopter_ vorbei💕.-Was denkt ihr über Diviten?-
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Divit
Science Fiction„Wir haben das erschaffen, wodran Götter ganzer Völker gescheitert sind. Es ist doch mehr als berechtigt uns als Götter zu bezeichnen. Wenn wir den Eingriff überstanden haben sind wir nicht nur Götter. Wir sind Diviten. Eine höhere Macht, die selbs...