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Stille kehrt ein, nachdem sie geendet hat. Schweigend laufen wir den Gang entlang, bis wir an einer weiteren Tür angekommen sind. Dieses Mal habe ich gelernt und möchte selbstbewusst durch sie hindurch treten, doch 66 hält meinen Arm fest. Ruckartig drehe ich mich, der Schreck des Angriffs von 43 noch in den Knochen. Um ihre Mundwinkel spielt aber nur ein geheimnistuerisches Grinsen.

Sie legt ihre warmen Hände auf meine Augen.

„Ich kann dich doch nicht einfach in dein Zimmer rein spazieren lassen!", ruft sie gespielt empört.

Zusammen treten wir endlich durch die Tür, bzw. durch die Tür-Illusion. Eine kühle, angenehme Brise streichelt mein Gesicht.

Schlussendlich nimmt 66 ihre Hände von meine Augen:

Ich habe noch nie etwas vergleichbares gesehen. Im Gegensatz zu den bisherigen Räumen ist dieser nicht so imposant, sondern verbreitet ein wohliges Gefühl, so wie ein heißer Tee an einem eiskalten Wintertag. Der ganze Raum besteht aus filigranen Stämmen der gleichen Baumart. Selbst der Boden ist aus dem dunkelbraunen Holz gefertigt. Rosa Blüten blühen im ganzen Raum und lassen kaum etwas vom Holz durch blitzen. Obgleich die Fläche des Zimmers relativ klein ist, fühlt es sich gleich, wie zuhause an. Es ist einfach unbeschreiblich!
„Und?", fragt 66 aufgeregt.

„Wow! Also ich meine, ist das alles nur für mich? Ich darf hier bleiben, für immer?", flüstere ich erstaunt.

„Klar! Aber das beste kommt ja noch!"

66 greift nach einem in die Wand eingelassen Ast und drückt ihn leicht. Plötzlich dreht sich der Raum um uns und wir landen in einem durchsichtigen Glaskasten. Licht durchflutet den hellen Raum. Unter uns erstrecken sich weite, grüne Wiesen und ein großer, blauer See flimmert in der Ferne.

„Ist das dein Zimmer?", folgere ich aus 66 stolzen Lächelns.

„Kein Raum gleicht dem Anderen. Die Einrichtung ist auf deine Persönlichkeit abgestimmt. Du solltest mal 197 Zimmer sehen.", grinst sie

Sie malt mit ihren Fingerspitzen ein verschlungenes Zeichen in die Luft und ein weiteres Mal löst sich alles in Luft auf.

Wieder zurück in meinem Zimmer fahre ich mit meiner Hand an den soliden Stämmen entlang. Ihre Rinde ist ungewöhnlich glatt und keine Unreinheiten stören die Oberfläche.

Der feine Duft der Blüten erinnert mich an etwas hinter dieser Mauer. Nicht der Geruch kommt mir bekannt vor, sondern das unbeschreibliche Gefühl von Unbeschwertheit aus einer Zeit, wo ich mir über all das noch keine Gedanken machen musste. Es gibt aber kein zurück zu dieser Zeit mehr und plötzlich hasse ich die Unbeflecktheit der Blumen. Trotzdem versuche ich 66 das aufrichtigste Lächeln zu schenken, dass ich jetzt noch aufbringen kann.

„Ich lasse dich dann mal allein, denke ich", schlägt 66 vor. Ohne mich antworten zu lassen, verschwindet sie durch die Tür.

Seit ich aufgewacht bin, war ich kein einziges Mal wirklich alleine. Irgendjemand hat mir immer gesagt, was ich tun soll. Die Hilfslosigkeit, die ich eben noch gespürt habe, ist nicht mehr als ein Windhauch gegen den Tsunami, der jetzt auf mich einstürzt. Doch das ist nicht das größte Problem.

Die permanente Beschäftigung, die ganzen Eindrücke haben auch die Gedanken vertrieben. Und als ob es ein von höhere Macht bestimmter Zufall gewesen wäre, fällt das geschärfte Stück Plastik aus meinem Ärmel und klappert nahezu lautlos vor mir auf den Boden.

Meine Beine geben nach.

Wie, um alles in der Welt, konnte ich nur so dumm sein.

Das Lamm in der Wolfshöhle. Nur dass der Wolf sich als kein blutrünstiges Monster herausstellt, das mit einer Waffe hätte bekämpfen werden können. Gar die Wolfshöhle passt nicht in das Bild. Ich habe mich in eine Bau von listigen Maden gewagt. Tiere, die sich leise und säuselnd in meinen Körper gegraben haben. Nicht durch rohe Gewalt, sondern in einem viel heimtückischeren Weg. Anstatt sie zu vertreiben, habe ich ihnen sogar geholfen unter meine Haut zu kriechen. Tiefer, immer tiefer. So weit dass ich noch nicht mal mehr den Schmerz gemerkt habe, doch dort fressen sie langsam an meinen Organen.

Die kalte, splitternde Erkenntnis vereist stetig mein Gehirn. Ich will nur noch schlafen und so fallen meine Augen schneller zu, als ich sie stoppen kann:


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Endlich wieder ein neues Kapitel. Ungefähr einen Monat ist es jetzt schon her...

Diese Geschichte und ihr alle, die sie lest, bedeuten mir wirklich sehr viel. Ich würde mich wirklich sehr über ein Feedback freuen!

DivitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt