Alibi

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"Ist Michael gestern überhaupt gekommen?" erkundigte sich Lumen, während sie zusammen mit Patrick zum Bahnhof schlenderte. Die Sonne versprach schon so früh am Morgen einen warmen Tag und der Himmel war hellblau. Die Luft roch nach dem abgefallenen Laub und nach Kastanien, die hier und da im Gras lagen.

"Nein. Ich habe ihn sogar angerufen, aber er ist nicht dran gegangen," zuckte Paddy mit der Schulter.

"Hmm, seltsam," nuschelte Lumen und hob eine Kastanie, um diese Clouseau zu apportieren.

"Er ist doch kein Wildschwein, um Kastanien zu fressen!" bemerkte Patrick lachend, nachdem Clouseau ihren Versuch ignorierte.

"Die fressen Eicheln!" belehrte Lumen ihn und stupste ihn auf die Nase.

"Kastanien sicher auch!" wehrte er sich.

"Das ist ausgeschlossen!" 

"Hast du schon mal ein Wildschwein gefragt, wenn du dir so sicher bist?" schmunzelte er.

"Nein, aber sie fressen keine und basta!" beharrte Lumen auf ihrer Meinung und sah Paddy gespielt böse an.

"Und damit ist es erledigt. Wie immer hast du Recht!" gab er schließlich nach und zog sie zu sich, um sie zu küssen. "Ich habe eigentlich gelernt, den Frauen nicht zu widersprechen. Es lohnt sich gar nicht. Ich habe meine eigene Erfahrungen mit meinen Schwestern," erklärte er, nachdem er Lumens skeptischen Blick bemerkte.

"Du tust so, als wären wir Frauen irgendeine Furien!" schmollte sie.

"Nein. Frauen sind die wunderschönste Geschöpfe der Welt. Aber man muss lernen, wie er sie behandeln soll, um sich keinen Schaden zuzuziehen," grinste er und sie boxte ihn in die Schulter.

"Du bist echt gemein! Ich hatte ja keine Ahnung, dass du solcher Chauvinist bist!" ärgerte sie sich, aber sie meinte es nicht ernst. Sie wusste ganz genau, dass er solch ein Chauvinist war wie Beethoven Ballettänzer.

"Denkst du?" fragte er gespielt beleidigt und verzog sein Gesicht.

"Überhaupt nicht. Sonst wäre ich nicht mit dir zusammen," zwinkerte sie ihm zu.

"Und warum denn bist du?" wollte er wissen und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie wurde rot und fing an, mit einem Knopf seines Mantels zu spielen. "Ich warte noch," sagte er leise und hob sanft ihr Gesicht mit seiner Hand an, um ihr in die Augen zu sehen.

"Ähm, ich bin nicht sehr gut in diesen...Sachen," redete sie sich aus. In Wirklichkeit hatte sie Worte wie herzlich, charmant, liebevoll, sanft oder fürsorglich auf der Zunge, doch sie wusste nicht, wie diese am besten auszudrücken.

"Es ist okey. Ich will nicht auf dich drängen. Das war nur eine Frage," sagte er, als er ihre Unsicherheit bemerkte und strich ihr liebevoll über die Wange. Er schenkte ihr ein sanftes Lächeln und küsste sie dann auf die Stirn.

"Deswegen, unter anderem!" sprudelte es plötzlich aus ihr heraus und Patrick sah sie fragend an. Immer noch errötet fügte sie hinzu: "Wie du mich berührst, wie du mit mir sprichst, was für eine Geduld du mit mir hast. Das alles und noch mehr sind die Sachen, die ich an dir liebe." Jetzt wurde ihr bewusst, was sie gerade gesagt hatte und senkte schüchtern die Augen. Sie hatte ihm undirekt ihre Liebe erklärt. Sie bohrte ihr Gesicht in seinem Mantel und wagte sich nicht, ihm ins Gesicht zu schauen.

"Sieh mich bitte an," flüsterte er nach einer Weile und strich ihr übers Haar. Mit hochrotem Kopf blickte sie ihn an. Seine dunkelblauen Augen glänzten im Sonnenschein.

Er nahm ihr Gesicht in seine Hände, sah ihr eine Weile tief in die Augen und sagte dann: "Ich hätte nie geglaubt, dass ich das hier noch mal jemandem sage. Es kam mir absolut irreal vor. Doch dann bist du in mein Leben eingetreten und hast mir gezeigt, dass ich wieder glücklich sein kann..." Er hielt inne und intensivierte seinen Blick.

Zwischen den ÄhrenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt