Kapitel 14 - Mutationen

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Tag 4 in der Arena

Diese Nacht halten mich keine Träume wach und mich weckt auch kein Schrei. Ich gleite sanft vom Schlaf hinüber zum Wachsein und komme nicht drum rum, eine sanfte Berührung auf meinem Nacken zu spüren. Als ich die Augen vorsichtig öffne, merke ich dass mein Kopf auf Atlas Bauch bettet und es seine Hand ist, die da auf meinem Nacken liegt.
Alles in mir verkrampft sich und eine kalte Welle schießt durch meine Adern.
"Guten Morgen", murmelt Atlas über mir, er hat gemerkt dass ich wach bin.
Ein Blick zur Seite zeigt mir, dass Seda friedlich neben mir liegt und ihre Füße mit meinen verschlungen hat. Ich antworte nicht, sondern richte mich nur vorsichtig auf, um Seda nicht zu wecken.
Zu spät.
"Guten Morgen, ihr Süßen."
Victorias Stimme trieft vor Ärger und Sarkasmus und lässt Seda aus ihrem Schlaf aufschrecken. Das veranlasst mich dazu, mich ganz aufzurappeln und Atlas Blick zu vermeiden.
Ein Fehler, ein Fehler, ein Fehler, hämmert es in meinem Kopf.
Victoria's Blick bohrt sich in mich, sie sprüht Gift wie eine Schlange.
Auch Alecto ist schon auf den Beinen, sie kommt gerade von der Straße in unsere Gasse und verkündet, dass die anderen ebenfalls schon wach sind.
Das Wasser im Haus wäre abgeflossen.
Wir rollen unsere Schlafsäcke zusammen und folgen Victoria, deren Schritte fest sind und uns zeigen, was für eine schlechte Laune sie hat.
Mir ist klar, dass es an mir liegt. An mir und Atlas und wie wir zusammen geschlafen haben.
Doch Victoria's Eifersucht befriedigt mich nicht, denn die Übelkeit steigt immer weiter in mir auf. Dies sind die Hungerspiele und ich bin nicht hier, um mich zu verlieben, in jemanden der mich früher oder später töten will.
Atlas scheint so aber nicht zu denken, er ignoriert dass ich ihn meide und holt zu mir auf. Seda lächelt ihn an, bevor ihr verschwörerischer Blick zu mir gleitet. Verräterin.

Wenig später sind wir wieder mit Kyra, Quirin und Aury vereint, denen der Schock von gestern Nacht noch in den Augen steht.
"Wir waren fast am schlafen und hätten es beinahe nicht geschafft.", erzählt Quirin und er schüttelt sich bei dem Gedanken.
Ich werfe einen kurzen Blick in das Haus rein, das völlig normal und ruhig da liegt, als wäre nichts passiert.
"Und wen habt ihr gestern erwischt?", fragt Kyra neugierig und Victoria erzählt ihr ausschweifend, wie wir gestern auf die zwei Sieger und den Tribut gestoßen sind und sie besiegen konnten.
Alecto mit ihrer Armverletzung murrt nur kurz auf und schluckt erneut eine von diesen Tabletten, was mich veranlasst, an meine eigene zu denken.
Der Verband, den ich bisher jeden Abend gewechselt habe, ist schneeweiß und auch der dumpfe Schmerz ist dank der Tabletten abgeebt.
Doch sie werden nicht ewig halten, ebenso wenig wie das Wasser.
Als ich es anspreche, wird schnell klar, dass wir als nächstes zurück zum Marktplatz gehen sollten, um unsere Flaschen aufzufüllen.
Auf dem Weg zurück knallt eine Kanone und erschüttert uns bis in die Knochen. Der vierte Tag und das Sterben findet kein Ende.

Am Brunnen angekommen, meiden wir den Blick zum Lebensmittelgeschäft das in den letzten 24 Stunden für einige Tribute den Tod bedeutet hat und immer noch eine angespannte Stimmung hervor ruft. Stumm löschen wir unseren Durst und füllen die Flaschen auf, bevor wir besprechen, was wir als nächstes machen.
"Dieser Teil der Stadt scheint leer zu sein, aber lasst uns nicht vergessen, wieso wir überhaupt hergekommen sind. Unsere ehemaligen Verbündete. Ich will sie finden, also dürfen wir hier nicht nutzlos in der Stadt rumhängen, ist das klar?"
Atlas Stimme ist scharf und er fixiert jeden von uns einzelnd. Dabei ist er wieder der starke Sieger der er ist, nichts mehr zu spüren von dem warmen Charakter des Jungen, in dessen Armen ich gelegen habe.
Er überspringt mich fast mit seinen Augen und einen Moment löst dies einen Stich der Trauer in meinem Herzen aus.
Die Nacht hatte wohl auf für ihn nichts bedeutet.
Ich beschließe die nächsten Nächte weit entfernt von ihm zu verbringen.
Während meine Gedanken mich fast umbringen, ringen Victoria und Kyra um den besten Vorschlag.
"Wir sollten zum Steinbruch, wer weiss ob sich da nicht alle verstecken.", sagt Kyra und Victoria unterbricht sie mürrisch. "Im Wald sind unsere Chancen am besten dass Yann und die anderen dort sind. Ihr wisst doch wie Karrieros sind, sie lieben den Wald."
Atlas Blick wandert zwischen den beiden hin und her, bis er seufzend aufgibt. "Victoria, Kyra hat Recht. Wir kennen den Steinbruch nicht und sollten es immerhin versuchen"
Victoria's Blick ist Gift, nicht einmal ich kann ihr länger ins Gesicht schauen, doch Atlas hält ihr stand.
Entgegen ihrem Protest, schlagen wir den Weg aus der Stadt ein, zurück den  Berg hinauf zu dem Wegschild, auf das wir erst gestern gestoßen sind. Erst gestern... Es kommt mir unendlich weit entfernt vor.
Auch der Weg zurück ist anstrengend, wir brauchen drei Stunden bis wir das Schild erreicht haben und selbst Aury und Quirin, deren Ausdauer am besten ist, atmen angestrengt und sind rot im Gesicht. Wir haben keinen anderen Tribut getroffen und die Laune der anderen ist schneller umgeschlagen, als gut für unser Bündnis ist.
"Diese verdammten Feiglinge!", erbost sich Victoria, sie schreit fast.
Dennoch spornt Atlas sie an weiter zu gehen und wir folgen dem Schild in die Richtung Steinbruch.
Der Weg führt immer weiter vom Wald weg auf eine sandige, steinige Ebene, die sich bis an den Horizont zieht. Vereinzelt ragen riesige Steinformationen mehrere Meter in die Höhe und hier und da stehen ein paar verkrüppelte Bäume. Hier kann sich kein Tribut verstecken. Wir halten auf die Richtung zu, wo das Gelände steil abfällt und wir den Steinbruch vermuten. Tribute müssen wir hier nicht fürchten, aber das ist auch nicht die Heimat der Tribute.

"Leise!"
Atlas bleibt prompt stehen und ich halte automatisch die Luft an, um besser zu hören.
Ein seltsames Klickgeräusch dringt an meine Ohren und wir alle bleiben stehen. "Was ist das?", flüstert Seda ängstlich und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie die anderen ihre Waffen ziehen.
Meine Aufmerksamkeit wird auf eine Bewegung in meinem rechten Augenwinkel gelenkt und dann erkenne ich, dass dort auf dem Felsen in ungefähr hundert Meter Entfernung, etwas sitzt.
Ich mache die anderen vorsichtig darauf aufmerksam.
"Eine Mutation", sagt Alecto tonlos und dann herrscht absolute Stille. Seda presst sich an mich und ich spüre ihr Zittern, auch ich habe Angst.
Mutationen sind nie ein gutes Zeichen und Kämpfe mit ihnen gehen nie ohne Verluste aus.
Den Leuten ist langweilig.
Die Mutation regt sich nicht, sie sitzt auf ihren Hinterbeinen auf dem Felsen und hat ihren Kopf erhoben, leicht schräg gelegt und beobachtet uns. Auf die Entfernung kann ich nicht sagen wie gross sie ist.
Plötzlich windet sich der Schwanz des Wesens hinter seinem Körper hervor und selbst hier, erkenne ich dass er in zwei langen scherenartigen Knochen ausläuft. Sie schlagen aneinander und verursachen so das Klickgeräusch.
Ehe ich mich fragen kann, wieso es das macht, beantwortet das nächste Geschehen es mir sofort.
Aus einer unterirdischen Höhle unter dem Felsen, springen wie auf Kommando vier weitere dieser Tiere hervor und rennen direkt auf uns zu.
Das Klicken des Anführers auf dem Felsen wird lauter und schneller, als wäre er in absoluter Vorfreude, eher er ein wolfsähnliches Heulen ausstößt und ebenfalls vom Felsen springt.
"Bereit machen! Alecto, Quirin und Kyra, ihr kümmert euch um die links. Ihr anderen, wir machen die rechts fertig. Habt keine Angst!", schreit Atlas und zieht sein Schwert.
Habt keine Angst.

Neva Santos I. - Das 4. Jubel-Jubiläum#Wattys2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt