Alle Gründe wieso

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Enver

Mein Wecker klingelt und ich drücke wütend auf den Knopf meines Handys. 

,,Aarghhh" mache ich und öffne die Augen. Meine dunkelblaue Tapete mit meinem Fernseher sieht mir entgegen und ich seufze. Warum. Jedes mal, wenn ich aufwache ist für mich das erste Gefühl fehl am Platz zu sein. Ich vermisse die wärme und Gemütlichkeit, welche in meinem früheren Zuhause geherrscht hat. Falsch, es ist immer noch mein Zuhause. Ich lege meine Hand auf die linke Seite meines Himmelbettes und fühle gähnende Leere. Anne ist schon frühstücken gegangen. In letzter Zeit schläft meine kleine Schwester immer wieder bei mir, da sie die Alpträume wach halten. Ich habe sie auch, aber ich darf ihnen keine Oberhand in geben. Ich darf das Anne nicht an tun. Ich bin der einzige Mensch, den sie noch hat. Langsam gehe ich ins Bad und sehe mich im Spiegel an. Meine langen, lockigen Haare glänzen im Licht. Mein Körper ist schlank und meine Augen groß und blau. Schwarz ragen meine Wimpern sogar ohne Wimperntusche aus meiner Brille heraus. Schließlich reiße ich mich los und gehe zu meinem Begehbarem Kleiderschrank. Riesige Kleider aus Leder ragen mir von allen Seiten entgegen. Ein weiteres Geschenk meiner Pflegeeltern. Sie haben damit vor die fehlende Aufmerksamkeit in uns zu füllen. Man wird es nicht glauben, aber das macht nichts gut. Schließlich entscheide ich mich für eine schwarze Lederjacke, ein dunkel rotes Top. Meine Hose besteht aus Jeans und ich trage lange Lederschuhe mit Stöckel. Zuletzt ziehe ich mir meine Handschuhe an. Natürlich auch aus schwarzem Leder. Tja, ich bin irgendwie ein Fan davon. Nun  schminke ich mich noch.

Langsam gehe ich nach unten und mir strömt schon der leckere Geruch von Rührei mit Speck in die Nase. In der riesigen Küche, welche modern eingerichtet ist, kommt mir helles Sonnenlicht entgegen. Es stammt von den Fenstern, welche statt den Wänden eingebaut sind. Am Ofen steht schon meine Schwester.

,,Hey, guten Morgen." rufe ich und küsse sie auf die Stirn. Sie sieht aus, wie eine jüngere Version von mir selbst. ,,Sind sie schon weg?" frage ich.

,,Jap, ca. schon seit einer Stunde."

Mit ,sie" meinen wir unsere Pflegeeltern. Wir wollen sie nicht Mum und Dad nennen, aber sie mit ihren normalen Namen anzusprechen ist genauso komisch. 

,,Fertig." schreit meine 10 jährige Schwester und stellt die Teller auf den Tisch. Langsam setzte ich mich zu ihr.

,,Das ist wirklich gut." seufze ich. Inzwischen haben wir gelernt für uns selbst zu sorgen. Vor allem ich.

,,Du hast heute deinen Kampf, oder?" fragt mich Anne und ich nicke. Seit über 4 Jahren trainiere ich in einem Kampfclub. Heute trainiere ich schon gegen erwachsene Menschen. Diese Menschen können sich prügeln, aber ich bin schlau. Sie hauen wild drauf los, ich überlege jeden Schritt.

Nachdem wir aufgegessen haben gehen wir nach unten. Wir leben in einem Hochhaus in der obersten Etage. Unten wartet schon eine Limousine auf uns. Der Chafeur steigt aus und öffnet mir die Tür.

,,Guten Morgen Miss Queen." meint er zu mir.

,,Morgen Jefrey." antworte ich und lächle ihm zu.

Meine Schwester setzt sich neben mich und beißt nochmal in einen Apfel. Ich grinse sie an.

,,Willst du auch?" fragt sie mich mit vollem Mund.

,,Nein." lache ich.

Nach ein paar Minuten erreichen wir die Schule. Langsam steige ich aus.

,,Viel Spaß." meint Anne und ich schmunzle.

,,Na klar." 

Auf dem Weg in die Schule muss ich wieder zahlreichen Blicken aus dem Weg gehen. Jeden Tag sind es viele und jeden Tag werden es mehr. Sie haben Angst vor mir. Früher war ich einmal beliebt. Eine kleine verwöhnte Tussi. Tja, alles hat sich geändert. Aber jetzt... Sie haben einen Grund vor mir Angst zu haben. Ich gehe schneller, um das nicht länger ertragen zu müssen.  Schließlich komme ich vor meinem Klassenraum an und öffne als erste die Tür. Im dem leeren Zimmer stelle ich meine Tasche ab und setzte mich auf einen beliebigen Stuhl. Langsam packe ich meine Sachen aus und lerne noch einmal. Ich sehe auf, als plötzlich Mrs Anderson herein kommt. 

,,Hallo." sage ich zur Begrüßung uns sie nickt mir zu. Wir reden nicht viel, aber sie war eine gute Freundin meiner Mum, deswegen lässt sie vieles bei mir durchgehen. Früher war sie fast jeden Tag bei mir zu Hause, aber jetzt gibt es nicht mehr viel Verbindung zwischen uns. Ich vermeide es, mich in ihrem Unterricht zu melden, da ich weiß, dass es für uns beide Erinnerungen auslöst. Meine Mitschüler kommen rein. Alle setzten sich auf einen Platz, außer den, neben mir. Er bleibt immer frei. Sogar der eine Stuhl ist besetzt, der von einer Person. Von einer bestimmten. Normalerweise bleibt er immer frei, aber es ist wohl einfacher auf diesem Platz zu sitzen, als auf dem, neben mir. Und das alles, weil ich mich nicht beherrschen konnte.

Nach dem Unterricht gehe ich schweigend in den Pausenhof. Ich höre laute Schreie und beginne zu rennen. Immer schneller. Schreie führen mich in eine Art Trauma. Schell ziehet der Pausenhof vorbei. Hinter der Turnhalle liegt ein Junge blutend im Gras und über im 2 Jungen ca. in meinem Alter. Schnell gehe ich zwischen sie. 

,,Was soll das?" fahre ich einen der beiden an. Dieser weicht sofort zurück. Der Junge lacht nur.

,,Geh wieder zu deinen Bitches, oder ich hau dich platt." meint der 2. Ich verziehe das Gesicht und spüre, wie mir eine Gänsehaut überkommt. Nein. 

Plötzlich zieht der eine den anderen zurück. ,,Marc. Mach das nicht. Das ist das Mädchen, von dem ich dir erzählt hab." 

Marc reißt die Augen auf und beide gehen langsam zurück. ,,Bitte. tu uns nichts." Mein Blick wird weicher. 

,,Geht." meine ich nur und sie verschwinden. Ich drehe mich um, um dem Jungen aufzuhelfen, aber er ist schon weg. Ich seufze und blicke in die warme Sonne. Wird mein Leben jemals einen Sinn ergeben. Wird jemals irgendjemand irgendetwas vergessen, was meine Vergangenheit betrifft? Es würde meine Zukunft ausmachen. 

Ein paar Stunden später stehe ich vor dem Eingang meiner Trainingshalle. Sie liegt in den Ghettos der Stadt. Ursprünglich sollte ich in ein gut gezahltes Kampftraining gehen, aber meinen Pflegeeltern wurde es zu ,ungepflegt". Jetzt kämpfe ich gegen Muskelbepackte, egoistische Leute, welche meinen wenn sie Kraft haben gewinnen sie immer. Ich bin keine muskelbepackte Kämpferin. Ich kämpfe mit Strategie. 

Langsam gehe ich rein. 

,,Hey, da kommt ja unsere Gewinnerin." meint Slace. Er ist einer von den egoistischen Typen, aber ein guter Freund. Keiner glaubt an mich, außer er, oder meine Schwester. 

,,Haha. Es ist Finale." lache ich. 

,,Ach komm, du gewinnst immer alles." meint er und ich ziehe einen Mundwinkel hoch. Schließlich gehe ich in meine Kabine und ziehe mein Sportzeug an. Augenblicklich muss ich an Anne denken. Sie will immer mit zu meinen Kämpfen mitnehmen, aber ich lasse sie nicht. Das Ende des Kampfes besteht nämlich darin, dass der Verlierer Bewusstlos sein muss. Das ist zu brutal für sie. 

Ein paar Minuten finde ich mich im Ring wieder. Besser gesagt im Käfig. Diese Regel wurde eingeführt, damit man nicht abhauen kann. Es gibt keine Regeln. Niemand, der dazwischen geht. 

Mein Gegner ist groß und sieht im Gegensatz zu mir wie ein Killer aus. Er hat eine Glatze. Seine Augen sind rot und seine Adern stechen groß heraus. Eine Glocke erklingt und der Kampf geht los. 

Der Mann greift mich an, aber ich haue ihm meinen Fuß in die Hüfte. Er zuckt fast nicht zusammen. Ich fahre fort und meine Füße gehen weiter in sein Gesicht. Wie in Zeitlupe fliest das Adrenalin durch meine Adern und mein Atem geht schneller. Mein Gegner schreit auf, als ich seinen Hals treffe. Meinen nächsten Schlag hält er auf. Ich versuche ihn loszureißen, aber er hält ihn mit eiserner Kraft fest. Schnell schlage ich mich auf seine Schultern und halte mich an den Gittern fest. Meine Füße sind um seinen Hals geschlagen und drücken ihm die Luft ab. Nach wenigen Minuten fällt er zu Boden. Er blickt noch kurz auf, aber dann schlage ich ihm noch einmal in die Seite und er fällt bewusstlos um. Kurz scheint mir der Moment unwirklich, aber dann höre ich die Schreie meiner Zuschauer und lächle selbstsicher.

Ich drehe meinen Kopf zu Slace, aber plötzlich erscheint ein stechender Schmerz in meiner linken Seite und ich sehe nach unten. Eine Art Pfeil steckt in meiner Hüfte. Ich reiße den Mund auf und mein Atem setzt aus. Ich will schreien, aber habe keine Luft dazu. Meine Knie sacken zusammen und ich falle auf den Boden. Das letzte, was ich sehe ist Slace, bevor mir schwarz wird.


Show me your real faceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt