Kapitel 1

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Kapitel 1

Die 33 Jahre alte Clara Hilton rannte mit gerafftem Kleid am Hafen entlang. Sie war spät dran, sie hatte ihrer Mutter doch versprochen pünktlich um drei da zu sein und auch wenn sie bereits eine erwachsene Frau war, mit ihrer Mutter, Adline, war nicht gut Kirschen zu essen, wenn man einen Fehler machte. 

So sprintete sie an den Stegen vorbei, stieß immer mal wieder mit Leuten zusammen, die ihr wütend nachblickten, aber das kümmerte sie nicht besonders. 

Sie ignorierte die lauten Rufe und beachtete ihre Umgebung nicht, so bemerkte sie  auch den Mann vor sich nicht und prallte Sekunden später gegen ihn. 

Strauchelnd versuchte sie ihr Gleichgewicht wiederzufinden, während sie der Kante zum Wasser immer näher kam und schließlich hatte sie keinen Boden mehr unter ihren Füßen. 

Laut Schrie sie auf und schlug im nächsten Moment auf der kalten Wasseroberfläche auf. 

Keuchend kämpfte sie sich wieder an die Wasseroberfläche und hustete kräftig, während ihre Augen brannten.

Das Gesicht des Mannes, mit welchem sie zusammen gestoßen war, erschien über ihr, an der Wegs kante und starrte sie eine Sekunden lang überrascht an, dann hastete er zu einer der Leitern die in das Wasser führten und kletterte rasch hinunter.

„Schwimmen sie hier her!“, rief er Clara entgegen und streckte ihr seine Hand entgegen, als sie näher kam.

Die Frau mit den rotbraunen, gewellten Haaren, ergriff sie erleichtert und ließ sich das letzte Stück erschöpft zur Leiter ziehen, dann kletterten sie wieder nach oben und Clara blickte an sich hinunter.

Ihr gutes, rotes Kleid war nun völlig durchnässt und Wasser tropfte an ihr herunter. 

„Es tut mir wirklich Leid, Mrs…“

„Miss, Miss Hilton“, sagte Clara schnell.  „Aber es braucht ihnen nicht Leid zu tun. Ich bin ja in sie hinein gerannt, Mr… ?“

„William Murdoch.“ Er lächelte sie an, dann zog er sich seine Jacke aus und hielt sie Clara entgegen. 

„Hier, zieh sie an, sonst erkälten Sie sich vielleicht noch.“ 

Dankbar nahm die Frau das dunkelblaue Kleidungsstück entgegen, eine Uniformjacke, wie sie nun an den goldenen Knöpfen erkannte. 

Sie besaß zwei Streifen am Ärmel und überrascht sah sie auf in das Gesicht des noch immer lächelnden Mannes. 

Er war erster Offizier eines Schiffes! Clara betrachtete ihn nun neugierig näher.

Er besaß tiefe, meerblaue, leuchtende Augen, hatte kastanienbraune Haare und war ungefähr 1,75 Meter groß, also eher klein, aber da Clara selbst nur 1, 60 Meter groß war, fiel es nicht besonders auf. Er war schlank, aber gut gebaut, besaß kräftige Schultern und war alles in allem ein recht hübscher Kerl.

Die Frau schätzte ihn etwas älter als sich selbst ein, Mitte bis Ende dreißig.

„Ich müsste eigentlich nach Hause“, murmelte sie schließlich, nachdem sie eine ganze Weile lang sich schweigend gegenüber gestanden hatten.

„Natürlich. Verzeihung, ich wollte sie nicht aufhalten.“

Clara wollte ihm seine Jacke schon zurückgeben, aber er schüttelte bloß den Kopf. „Behalte sie ruhig. Ich habe noch eine und du brauchst sie gerade dringender als ich.“ 

„Aber…“

„Keine Wiederrede!“, grinste er und dankend nickte sie. 

„Vielen dank, Mr. Murdoch. Man sieht sich.“

Das Schiff der TräumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt