Kapitel 6

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Arya

Was liegt West von Westeros?

Eine Frage, die niemand beantworten konnte. Eine Frage, die Arya Stark nachging. Das Abenteuer war genau das, was sich die junge Stark Tochter vorgestellt hatte. Ein weites unerforschtes Meer lag zwischen ihr und dem Ende der Welt. Die Flagge der Starks wehte im Wind des Meeres. Erneut stach ein Schattenwolf in See.

Eine angenehme warme Brise strich über ihr Gesicht, im Gegensatz zu den winterlichen Verhältnissen im Norden von Westeros. Man konnte das Salz an den Lippen schmeckten. Das Klima hatte sich in den letzten Tagen zum besseren gewandt. Die dunkle Wolkendecke brach über ihnen, bis sie gänzlich verschwand. Warmer Sonnenschein schien auf ihren Kopf und der ihrer Besatzung. Arya hatte bereits ihren schweren, warmen Umhang abgelegt. Ein leichter Schweißfilm hatte sich auf ihrer Stirn gebildet. Ihre warme Kluft aus Leder und Fell, wich einem dünneren, aber dennoch robusteren Stück Kleidung.

"Lady Stark?" Ein junger Mann kam mit schnellen Schritten auf Arya zu. In seiner Hand hielt er ein Fernrohr. Es war alt und geknickt.

"Wie oft muss ich Euch noch beten mich einfach Arya zu nennen, Allen?"

Allen war nach Aryas Schätzung im selben Alter wie Jon. Sein Haar war dunkel und leicht gelockt, wie auch sein Bart. An seiner rechten Wange war eine dünne Narbe. Sie war nicht alt, noch etwas rötlich. Es wurde bestimmt genäht. Vielleicht war es noch eine Wunde von der Schlacht von Königsmund. Als die Drachenkönigin irre wurde. Genau wie ihr Vater. 

Er nickte bedächtig. "Entschuldigung ... Arya." Sein langes, dunkles und zotteliges Haar fiel ihm in sein dünnes Gesicht.

"Schon in Ordnung. Was ist so dringlich, dass ihr angelaufen kommt?" Arya hob fragend eine Augenbraue.

"Wir haben Land entdeckt." Allen überreichte Arya sein Fernrohr. "Auf zehn Uhr. Ihr müsst ganz genau schauen. Wir befinden uns noch zu weit weg, aber da ist etwas. Wir sind uns ganz sicher."

Die junge Stark drehte sich zu ihrer linken Seite. Mit freiem Auge, war nichts als die wilde See zu sehen. Kilometer weit nur Wasser und Himmel, ein Fels und Vögel. Sie schob das Fernrohr weiter auf und setzte es an ihrem Auge an. Sie schwankte etwas, als harte Wellen das Schiff trafen. Mit konzentriertem Atem spähte sie in die Ferne. Und tatsächlich. Etwas großes Dunkles erschien am Horizont. Man konnte einen hohen Berg erahnen und viel Wald.

"Habt Ihr die Insel gesehen?", fragte Allen vorsichtig.

Arya nickte geistesgegenwärtig. Es war die erste Insel seitdem sie mit dem Schiff der Starks aufgebrochen waren. Ohne den Blick von der See und ihrem Ziel zu nehmen, übergab sie das Fernrohr an ihren ersten Offizier.

"Lasst das Schiff beidrehen. Wir gehen an Land."

Sie warf Allen einen Blick zu, der nickte und machte sich daran den Schiffsleuten Aryas Befehl durchzugeben. Er brüllte es über das gesamte Deck und die Besatzung johlte. 

Mit der Hand an ihrem Dolch und Nadel in ihrer neu angefertigten Scheide sah Arya zu, wie sie sich langsam der Insel näherten. Ihr Herz schlug ihr dabei bis zum Hals. 

Es dauerte eine Nacht und einen Morgen, bis das Schiff einige Meilen vor der Küste den Anker ins Meer versenkte. Beiboote wurden zu Wasser gelassen. Furchtlose Männer machten sich bereit, die unerforschte Inseln zu betreten. Wie auch Arya, war jeder von ihnen ein geborener Abenteurer. Es war ihr Wunsch nur mit Personen zu reisen, die sich das Risiko bewusst waren, vermutlich nie wieder nach Hause zurückzukehren. Mit einer Besatzung, die für diese Reise sterben würde und es genauso liebte wie sie. 

Bis auf eine Handvoll Männer und einer Frau hatte niemand der an Bord war Familie. Sie kamen mit auf diese Reise, weil sie wie Arya waren. Hier ging es nicht darum Gold zu verdienen, sondern die Welt zu entdecken. Wozu würde man auch am anderen Ende der Welt Gold brauchen? Falls sie je auf ein größeres Land stoßen wurden, war es nicht sicher, ob man dort ebenfalls mit Gold bezahlte. Vielleicht war dort Handeln der Mittel zum Zweck. Oder ein anderes Material, das Arya noch nicht kannte. Nichts war ausgeschlossen. Natürlich gab es auch die Möglichkeit, die ersten Menschen auf dieser Insel zu sein. 

Sie hatte noch immer Sansas Gesicht vor Augen. Ihre Schwester hatte versucht stark zu bleiben, aber dennoch lösten sich Tränen aus ihren Augen. Der Abschied fiel Arya nicht leicht. Früher bevor alles den Bach hinuntergegangen war und Eddard Stark noch in Winterfell mit seiner Familie lebte, hassten sich die Schwestern. Sansa konnte Aryas wilde Art nicht leiden und Arya wiederum Sansas perfekte ladyhafte Art. Heute zählte das nicht mehr. Beide waren zu starken Frauen herangewachsen, die um ihre Leben kämpfen mussten.

Es war schon immer ihr Schicksal.

Es war ein Spiel um den Thron, den zwei Starks gewonnen hatten.

Niemals hatte Sansa erwähnt was sie durchgemacht hatte, so tat es auch Arya nicht. In Zeiten wie diesen schien es normal, dass jeder seine Last mit sich trug. Eine schlimmer als die Andere.

"Das Beiboot steht bereit."

Arya nickte ihren ersten Offizier zu. "Gut, lasst uns aufbrechen."

Über ein Netz kletterte die Mannschaft, bis auf ein paar wenige, hinunter. Aryas Boot übernahm die Führung. Sie beobachtete die tropische Landschaft. Weiter rechts befanden sich große schwarze Steine, an denen Wellen brachen. Bäume hoher als der höchste Turm in Winterfell ragten über die Insel. Bunte Vögel flogen knapp über der Wasseroberfläche an ihnen vorbei.

Die letzten Meter mussten sie aus den Booten springen, um diese an Land zu ziehen. Sie standen auf Kies und Arya schlüpfte aus ihrem durchnässten Stiefeln, um überschüssiges Wasser heraus zu leeren. Der Reihe nach legten alle Boote an der Insel an. Eine Truppe aus Spähern hätte sich bereits auf der Insel verteilt. Ohne jegliche Informationen wollte sich keiner in den verwachsenen Dschungel wagen. Andere suchten Holz, schnitten große Palmenblätter ab, um sie als eine Art Schirm vor der Sonne zu nutzten.

Arya wagte einen ersten Blick hinter das Dickicht aus Bäumen und Gestrüpp. Ihre Neugier war zu groß, um auf ihre Späher zu warten. Sie ging nicht weit, kam auch nicht weit. Hier befand sich kein Weg. Ohne ein größeres Schwert oder einer Axt gab es keine Chance sich durch den Dschungel zu kämpfen. Sie sah hoch. Irgendwo weit über ihr befanden sich die Baumkronen. Sie dachte an Bran, ihren kleinen Bruder, der ohne mit den Wimpern zu zucken in seinen jungen Jahren den Baum erklommen hätte.

Still fragte sie sich, was sie von ganz oben, alles sehen könnte. Ob sie wohl ein Dorf finden könnte? Irgendeine Art von Lebewesen, die noch nie zuvor ein Mensch gesehen hatte?

Sie zog ihren linken Handschuh aus und legte eine Hand auf die Rinde. Sie war feucht, blätterte leicht ab. Braune Rückstände blieben an ihrer Handfläche kleben. Der Stamm war dicker als der damalige Stalljunge Hodor. Es hätte mindestens zwei erwachsene Männer benötigt, um einmal den gesamten Stamm zu umarmen. Vielleicht sogar drei.

"Arya?!", rief jemand.

"Arya seid Ihr hier?"

Es war dieselbe Stimme.

"Ich bin hier Allen."

Blätter raschelten, Äste knicksten.

"Ihr solltet nicht alleine in den Dschungel gehen." Allen sah Arya besorgt an. Sansa hatte ihn als ersten Offizier damit beauftragt auf ihre kleine Schwester achtzugeben und er nahm seine Pflicht sehr ernst. Für Aryas Geschmack manchmal zu ernst. Immerhin war sie der Kapitän des Erkundungsschiffes. 

"Es ist alles okay. Ich verlaufe mich schon nicht." Sie wischte den klebrigen Rückstand des Baumes an ihrer Kleidung ab. Danach zog sie sich wieder ihren Handschuh über.

Vereinzelte Locken blieben durch den Schweiß an Allens Stirn kleben. "Gabe und seine Späher sind zurück. Bis auf ein paar Tiere habe sie nichts entdeckt."

"Schade", flüsterte Arya sich selbst zu. Sie räusperte sich. "Wir schlagen unser Lager am Strand auf. Es wird bald dämmern. Wir sollten keine Zeit verlieren."



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