Kapitel 4

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Daenerys

"Es ist nicht genug."

Das Wasser war schon kalt. Daenerys Unmut hatte sich etwas gelegt, als sie sich in einer engen Wanne wiederfand, befüllt mit Wasser und ihren Tränen. Mit einem großen dickeren Stück Stoff schrubbte sie den Schmutz von ihrem zarten Körper. Das getrocknete Blut splitterte von ihrer Haut. Die Verletzung, die ihr Jon hinterlassen hatte, war nun eine lange wunde Narbe. Welchen magischen Trick Gaedor auch immer bei ihr eingesetzt hatte, war schwach. Sie spürte den Schmerz noch, es war, als würde sie fühlen wie sich ihre Gewebe wieder schmerzhaft aneinanderhefteten. Stück für Stück wie eine Million Nadeln sie sich in ihre Gewebe zwängten.

Der rote Priester behielt recht. Das, was er sein zu Hause nannte, war nichts im Vergleich mit Drachenstein, ihren Gemächern in Winterfell oder der Pyramide, in der sie wochenlang hauste. Am Ende der roten Wüste von Essos, in einem winzigen Dorf ohne nennenswerten Namen, stand ein Haus, dass er das Seine nannte. Es war trocken und heiß und so sehnte sich Dany die Kälte von Winterfell zurück.

Das Wasser war grau wie Stein, als sie aus der Wanne stieg. Blut, Asche, Träume, Tränen, Trauer ... alles befand sich in diesem Wasser. Für Daenerys war die Welt stehen geblieben.

Mit einem dünnen Leinentuch trocknete sie sich ab. Während Gaedor, ihre Kleidung mitnahm, um sie zu waschen und das Loch zu stopfen, hatte ihr der Priester ein Kleid aus roter Seide besorgt. Es war lange, so lange, dass es ihre kompletten Beine bedeckte. Aus ihrer Sicht sah es aus wie ein roter See, der sich um sie legte. Es war spürbar kühler als mit ihrer eigenen Kampfkleidung. Ihr helles Haar trocknete in der warmen Luft von Essos. Eine morsche Holztür war der Ausgang aus dieser Baracke. In der brennenden Sonne, vor dem Haus hing Gaedor das dunkle Leder auf. Ein feiner Windzug ließ es im Wind flattern. Hinter den niederen Mauern, die das Grundstück abgrenzten, befand sich nichts als dürrer Grund und anderen baufälligen Häusern. Zwei kleine Kinder mit zerfetzten Kleidern liefen einen Ball nach, der vom Wind weggetragen wurde.

"Gaedor, habt Ihr nun Zeit mir meine Fragen zu beantworten?"

Der Priester drehte sich erschrocken um. "Königin Daenerys, das Kleid steht Euch äußerst gut."

Dany sah auf ihre ihren Körper hinab. Dann sah sie den Priester wieder fest an. "Woher habt ihr es? Ich nehme nicht an, dass es aus diesem Dorf stammt."

Er schüttelte den Kopf. "Da habt Ihr recht."

Eine andere Stimme meldete sich. "Ich habe es von einer Freundin anfertigen lassen. Extra für dich, Daenerys."

Aus dem Schatten des Hauses trat ein Mann heraus. Daenerys konnte ihren Augen nicht glauben. Sie erkannte ihn sofort. Nichts an ihm hatte sich verändert, weder der Bart der wie ein Schleicher sein Gesicht bedeckt, noch die typische orange-rote leichte Kleidung, die er am liebsten trug.

"Illyrio. Ich habe euch schon ewig nicht mehr gesehen. Seit meiner Hochzeit mit Khal Drogo."

Illyrio Mopatis beugte das Knie vor Dany. "Ich bin froh, dass es euch gut geht, Prinzessin Daenerys. Es stimmt, es ist schon eine Weile her."

Daenerys Mundwinkel zuckten. Sie war keine Prinzessin mehr, sie hatte den eisernen Thron eingenommen. Hatte ihn berührt, brannte die Stadt nieder und befreite Westeros so von einem Tyrannen.

"Gnade ist für schwache."

Der Magister von Pentos erhob sich. "Kommt, lass uns wieder in das Haus gehen. Ihr wollt doch sicher wissen, was seit Eurer Abwesenheit passiert ist."

Natürlich wollte Daenerys das. Den gesamten Flug von dem Tempel bis hierher in den Namenslosen Ort hatte Gaedor keine einzige Frage über Westeros beantwortet. Lediglich das es sein Wunsch war, wieder zurück nach Asshai zu gelangen. Den Ort, an dem er geboren wurde.

"Wo ist Drogon?", bemerkte Dany. Von dem Drachen war nichts zu sehen.

Illyrio ging voraus. "Macht Euch keine Sorgen. Er wird sich hier schon irgendwo herumtreiben. Er wird sich etwas zu fressen suchen."

Daenerys Sturmtochter warf einen letzten Blick in die Ferne. Etwas großes schwarzes flog am Himmel. Er kam zurück. Mit diesem Wissen folgte sie den Meister und den Priester wieder zurück in das Haus.

Zusammen nahmen sie auf Stühlen Platz. Am Tisch stand ein Krug mit Wein und einer mit Wasser.

"Nun spannt mich nicht auf die Folter, Illyrio. Was ist passiert? Was ist mit Königsmund? Wo ist Grauer Wurm? Wo ist meine Armee?" Wütend presste sie die Lippen zusammen. "Was ist mit Jon Schnee?" Sie hatte noch eine Menge anderer Fragen, aber diese brannten ihr am meisten auf der Seele.

Gaedor holte Gläser aus einem Schrank und Illyrio bediente sich an einem Obstkorb. Er biss in einen Apfel. Der Fruchtsaft tropfte von seinen Mundwinkeln hinab auf den Stoff seiner Kleidung. Kleine Insekten schwirrten wie eine Wolke um das Obst herum.

"Ich habe kurz vor Eurem Auftritt in Königsmund Post von einem alten Freund bekommen. Er hatte ziemlich brisante Neuigkeiten für mich." Illyrio zog ein Stück zusammengerolltes Papier aus seinem Ärmel. Er überreichte es an Daenerys. Sie rollte den Brief auf und staunte nicht schlecht. Er war mit Varys Namen unterschrieben worden.

"Rhaegar und Lyanna ... sein Name ist Aegon Targaryen ... er ist der rechtmäßige Anwärter für den Thron der sieben Königslande."

"Um was für Neuigkeiten handelt es sich?" Gaedor reckte seinen Hals, um einen Blick zu erhaschen, aber der finstere Blick von Daenerys ließ ihm auf seinen Stuhl klein werden.

"Wer weiß es noch?" Dany zerriss das Stück Papier in Einzelteile.

Der Meister von Pentos legte den Apfel ab. "Ich weiß es nicht. In Westeros wird nicht darüber gesprochen. Ich nehme an, dass es noch immer ein Geheimnis ist."

"Gut." Daenerys nahm sich ein leeres Glas und füllte es mit den Papierstücken. Dann folgte Wasser, das sich langsam schwarz verfärbte. Die Nachricht wurde vernichtet. "Sagt mir, was ist mit Jon Schnee?"

"Nach eurem Tod, wurde er von eurer Armee gefangen genommen. Ich habe gehört, dass der neue König ihn an die Mauer geschickt hat. Jon Schnee trägt somit das Schwarz und wurde verbannt."

Dany schloss die Augen und schüttelte den Kopf. "Sie haben ihn nach meiner Ermordung nicht getötet? Grauer Wurm würde mich doch rächen! ... Und der neue König? Wer sollte das sein, wenn es Jon nicht ist? Es gibt keine anderen Thronfolger mehr!"

"Dazu kann ich nichts sagen. Ich weiß nichts Näheres darüber über Grauer Wurms Absichten." Illyrio kratze sich am Bart. "Sie nennen ihn Bran, den gebrochenen. Man könnte sagen die Starks haben den ganzen Kontinent übernommen. Die rothaarige ist die Königin im Norden, der nun unabhängig ist. Der ehemalige Bastard sitz hoch oben im Norden an der Grenze zu den Wildlingen."

"Sansa", knurrte Dany leise. Schon nach ihrer ersten Begegnung wusste Daenerys, das Sansa Stark nicht ihre Freundin werden würde. Es war ihr Blick. Er verriet alles.

"Fall es Euch interessiert, euer Drache hat den eisernen Thron zerstört. Er ist geschmolzen wie Butter in der Sonne." Illyrio grinste selbstgefällig. "Ein Targaryen hat ihn erbaut und wegen einem anderen wurde er zerstört. Das musste wohl Schicksal sein."

Daenerys überhörte sein Kommentar. "Wo sind die Unbefleckten? Wo sind meine Blutreiter?!" Hass staute sich in ihrem Herzen an. Ihr kribbelte es unter der Haut, nicht sofort auf Drogons Rücken zu klettern und Westeros erneut einzunehmen.

Gaedor verhielt sich während des gesamten Gespräches äußerst ruhig. Er trank von seinem Wein und behielt seinen Gedanken für sich.

Illyrio Mopatis lehnte sich seufzend zurück. "Es tut mir leid, aber es ist nur bekannt, dass die Unbefleckten mit Flotten von Königsmund in See gestochen sind. Ich habe meine Leute beauftragt an allen Hafenstätten Ausschau zu halten, aber bis heute ist niemand angekommen. Und eure Blutreiter haben sich alle das Leben genommen. Das ist ihre Art. Sobald der Khal stirbt oder eben in Eurem Fall die Khaleesi, müssen auch die Blutreiter sterben. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz bei den Dothraki."

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