Ich merkte, wie Nina immer langsamer lief. "Alex, kannst du..." Ich brauchte nicht zu Ende sprechen, Alex trug Nina nun. Wir liefen durch den dunklen Wald, der Polizist war uns voraus. Nach einer Weile kamen wir keuchend am Zaun an, doch hier war kein Loch. "Wir müssen den Zaun entlanggehen", sagte Nina. "Dafür ist keine Zeit mehr", erwiderte der Polizeichef und er hatte recht. Ich hörte etwas und bedeutete den anderen ruhig zu sein. Auch wenn der Polizeichef und der andere Beamte ja gar nicht wussten, dass ich Slender verstand, blieben sie dennoch ruhig. Es schien wohl Teil ihrer Ausbildung zu sein, strikt Anweisungen zu befolgen. Im Moment war ich froh darüber, nicht diskutieren zu müssen und lauschte nun voll und ganz Slenders Worten. Er war noch sehr weit weg, sodass ich nur Bruchteile verstand:"Zu besiegen...acht Seiten." Ich überlegte, was das wohl heißen sollte. Nach ein paar Sekunden jedoch wurde es mir klar. "Wir brauchen alle acht Seiten", sagte ich gerade laut genug, dass die anderen mich hören konnten. "Wie meinst du das?", fragte Nick. "Wir brauchen alle acht Seiten, um Slender zu besiegen", sagte ich knapp. Es herrschte eine kurze Stille. "Wie...viele Seiten habt ihr denn?", fragte nun der Beamte. Nina zog aus ihrem Rucksack fünf Stück heraus. Komisch, wir hatten doch sechs Seiten, nur wo war die eine dann? "Die sechste hast du", sagte Nina an mich gewandt. Stimmt. Ich zog sie aus meiner Hosentasche heraus. Wir hatten sechs Seiten, fehlten noch zwei. "Wir suchen einfach das Loch im Zaun und verschwinden dann. Es wäre zu riskant, den Helden zu spielen", sagte der Polizist streng. "Das können wir nicht. Was ist, wenn Slender uns einfach folgt? Was sollte ihn daran hindern? Sie haben doch gesehen, wie leicht er die Polizei ausgeschaltet hat. Wir würden alle Menschen in Gefahr bringen, wenn wir einfach abhauen", mischte sich Alex ein. Ich sah erst zu ihm, dann zum Chef. "Er hat recht. Wir wären dann auch nicht außer Gefahr", bemerkte ich. "Dann schlage ich vor, dass zwei nach den Seiten suchen und die anderen vier hier Wache halten und Slender gegebenenfalls ablenken", sagte Nick. Der Chef seufzte nur. "Na schön. Man kann es euch aber auch nie recht machen." "Dann werde ich hier bleiben und du", er zeigte auf Nina, "du bleibst auch hier. Du bist nämlich verletzt und würdest nicht weit kommen." Nina widersprach nicht und nickte. "Dann werde ich wohl die Seiten suchen", sagte ich. "Ich komme mit", sagte Alex, obwohl man ihm ansehen konnte, dass er lieber bei Nina bleiben wollte. Nick klopfte ihn auf die Schulter. "Ich gehe schon", sagte er leicht amüsiert. Ich nickte. "Jetzt nimm sie aber. Sie wird dir mehr helfen als ein Messer", sagte nun der Mann und gab mir schließlich seine Waffe. "Ob man so etwas einem Mädchen geben sollte...?", scherzte Nick. "Also du kriegst sie nicht", erwiderte der Polizist und wir lachten kurz auf, als Nick die Arme vor der Brust verschränkte. "Passt auf euch auf", sagte ich noch und sah dabei hauptsächlich Nina an. Diese zeigte mir nur das Messer, was so viel heißen sollte wie "Ich schaff das schon." Ich steckte die Schusswaffe ein, allerdings erst nachdem ich mich vergewissert hatte, das sie gesichert war. Wenn ich eines über Schusswaffen wusste, dann dass man sie auf jeden Fall sichern sollte. Mit gesicherter Waffe liefen Nick und ich also los, weg vom Zaun. Komisch, von Slender hatte ich nichts mehr gehört. Ich widmete mich meiner Umgebung. Komisch, wie sich alles so schnell verändern konnte. Als wir hergekommen waren, waren die Wiesen noch grün und saftig, überall waren Blumen der verschiedensten Farben und die Sonne strahlte, wortwörtlich. Und nun war alles grau und dunkel. Es kam mir vor wie auf einem Friedhof. Die Gräser trüb und trocken und kein einziges Tier weit und breit. Hätte ich keine Angst vor ihm gehabt, wäre ich echt sauer darüber gewesen, was Slender mit diesem Wald gemacht hatte. "Schau mal", sagte Nick plötzlich und zeigte in eine Richtung. Ich folgte seinem Finger, doch da war nichts. "Wo?", fragte ich irritiert. Er lief mir voraus, bis er an einem Baum war. "Da ist eine Seite", sagte er und zeigte auf einen völlig leeren Baum. "Du verarscht mich nicht gerade, oder?" Ich weiß, die Frage war dumm, aber ich würde es ihm zutrauen. Er sah mich verwirrt an. "Nein, siehst du die Seite ni-" Er brach ab. Dann schluckte er und rannte augenblicklich los. Er hatte ein unglaubliches Tempo und ich hatte Mühe, da mitzuhalten. "Was ist denn?", fragte ich keuchend. "Da...sind Wölfe", antwortete er ebenfalls keuchend. Ich sah hinter uns, dort war rein gar nichts außer Bäumen und Nebel. Bildete er sich das nur ein oder...? Ich blieb abrupt stehen und riss ihn mit zurück. "Was machst du denn da, wir müssen weg!", schrie er panisch. Ich hielt ihn vom Laufen ab."Nick, da ist nichts. Das ist Slender, hier sind keine Wölfe", sagte ich ruhig. "Natürlich, da! Ich sehen sie doch", antwortete er und ich hatte große Mühe, ihn immer noch abzuhalten. Ich sah ihm in die Augen. "Nein, da ist nichts. Nina und ich haben das auch durchgemacht, vertrau mir", sagte ich ruhig. Er sagte zuerst nichts, nickte dann aber langsam. "Sie sind gleich da", sagte er leise. Ich konnte die Panik in seinen Augen sehen und als ich in den Nebel sah, bemerkte ich tatsächlich, wie drei Wölfe langsam zu uns kamen. Sie hatten scharfe, lange Zähne und knurrten uns an. Ich war wie erstarrt. War dies wirklich nicht echt? War das von uns beiden nur Einbildung? Ich widerstand dem Drang, mich umzudrehen und einfach wegzulaufen, weit weg von den Wölfen. Als ich genauer darüber nachdachte, bemerkte ich erst, wie sinnlos das wäre. Jeder weiß, dass sie viel schneller waren als wir zwei. Ich sah wieder zu ihnen. Sie hatten uns umkreist und fletschten ihre Zähne. Unwillkürlich glitt meine Hand zu der Pistole. Ich zog sie vorsichtig heraus und die Wölfe knurrten noch mehr, als sie die Waffe sahen. Ich entsicherte und lud sie. Ich zitterte, genau wie Nick neben mir. Und dann sprang einer der Wölfe nach ihm. Ohne lange nachzudenken schoss ich und traf den springenden Wolf. Ich blinzelte und die Wölfe waren alle weg. Zurück blieb ein Schussloch in einem Baum. Mit immer noch gehobener Waffe stand ich da, bis Nick meinen Arm senkte. "Du hattest recht, es war nicht real", sagte er leicht überrascht. Ich nickte nur und er zog mich sanft mit, als er weiterlief. "Slender hat uns bestimmt gehört", war seine Begründung. Nach einer Weile zog er etwas aus seiner Tasche. Es war eine Seite! Er sah sie überrascht an. "Die hing doch an dem Baum. Dann ist die wohl auch nicht echt." Er wollte sie schon wegschmeißen, doch ich hielt seinen Arm fest. "Ich sehe sie. Die muss echt sein", sagte ich. Wir betrachteten sie genauer. Auf der Seite stand "Can't run." Bei den Worten drehte sich mir der Magen um. Ich sah mich sofort nach Slender um, doch er war nirgends. Wenn er nicht bei uns war, dann...Ich rannte los. Ich sah nicht genau wo ich war, dennoch rannte ich immer weiter. Irgendwann blieb ich stehen. Das brachte so nichts. Ich sah mich nach irgendetwas nützlichem um, doch alles, was ich sah, war der dichte Nebel. Nicht einmal unsere Taschenlampe konnte durch den Nebel hindurchleuchten, was ein weiterer Beweis dafür war, dass der Nebel künstlich sein musste. Ich suchte nach Anhaltspunkten, bis mich Nick aus meinen Gedanken riss. "Was machst du denn da?", fragte er. "Slender! Er muss bei den anderen sein, ich suche nach Anhaltspunkten, um sie zu finden", antwortete ich knapp. "Wie wär's damit", sagte er und zeigte auf etwas Leuchtendes, vielleicht zehn Meter von uns entfernt. Es war nicht so leicht, bei diesem Nebel zu schätzen. Nun liefen wir darauf zu und nach wenigen Metern kamen wir auch an. Vor uns stand die Hütte. "Hier sind sie nicht, komm, wir suchen weiter", sagte Nick und wollte sich schon umdrehen, doch ich hielt ihn abermals auf:"Noch nicht." Ich lief auf die Hütte zu. Ich sah ihm an, dass er nervös war, dennoch folgte er mir, selbst als ich in die Hütte hineinlief. Zum zweiten Mal lief ich den dunklen Gang bis zur Tür entlang. Ich atmete tief ein und öffnete sie. Vor mir war der Waffenraum, in dem Alex und ich mit Slender waren. Die Waffen lagen alle auf den Boden. Nick schaute geschockt zu den Leichen an der Wand. Er drehte sich um und übergab sich. "Alles okay?", fragte ich besorgt. Er atmete flach und nickte. "Was machen wir hier?", brachte er heraus. "Wir holen uns Waffen", antwortete ich. Ich bückte mich und hob eine Axt auf, diese drückte ich Nick in die Hand. Ansonsten hob ich noch ein paar Messer auf und steckte sie ein. "Wozu braucht Slender so viele Waffen?", fragte nun Nick, der sich erholt hatte. Ich zuckte mit den Schultern. Mir erschien das ziemlich unlogisch, immerhin hatte er ja telepathische Kräfte...Ich konzentrierte mich wieder auf den Raum und lief zu dem Tisch, der darin stand. Dort lagen Blätter. Ich hob sie auf und betrachtete sie, doch es war nichts darauf. Ich sah unter die Blätter und erschrak. Dort lagen Fotos von Kindern. Aber nicht irgendwelchen Kindern, sondern von denen, die an der Wand hingen. Ich sah mir alle durch. Zuerst kamen die ganz jungen Kinder, dann etwas ältere und dann...wir. Da waren Fotos von Nina und mir. Auch Alex und Nick waren auf ein paar Fotos abgebildet. Ich war sprachlos. Doch noch bevor ich sie weiter ansehen konnte, zog Nick mich mit aus dem Raum. "Es wird Zeit, das hier zu Ende zu bringen", sagte er ernst, ich nickte und wandte meinen Blick nach vorne. Wir liefen aus der Hütte und blieben draußen erst einmal stehen. "Wo sind sie nur?", murmelte Nick mehr zu sich selbst, doch ich antwortete dennoch:"Ich schlage vor, dass wir den Zaun entlanglaufen, so finden wir sie am leichtesten." "Du hast immer die besten Ideen", sagte Nick und ich meine, ein Lachen daraus gehört zu haben. "Tja, wer sonst wenn nicht ich", antwortete ich lächelnd, bevor ich wieder ernst wurde und mich auf unsere jetzige Situation konzentrierte. Wir rannten also so weit, bis wir am Zaun waren, ab da liefen wir diesen langsam entlang, immer auf auffällige Gräusche achtend. Nach einer Weile hörte ich etwas und ich streckte meinen Arm aus, um Nick am Weiterlaufen zu hindern. "Ich höre ihn", teilte ich ihm leise mit. "Bist du bereit?", fragte er und sah mir in die Augen. Ich nickte entschlossen und zog den Revolver aus meiner Tasche. Ich merkte, wie ich am ganzen Leib zitterte und versuchte, dies so gut wie möglich unter Kontrolle zu bringen. Wir schlichen uns so leise wie möglich an Slender heran und blieben etwa sechs Meter im Nebel versteckt stehen. Ich lauschte. "Wo sind die anderen?", fragte Slender gerade. Ich konnte sie nicht sehen, also musste ich mich wohl auf mein Gehör verlassen. Ich hörte keine Antwort. "Wo sind sie!", wiederholte er deutlich lauter und ich hörte Wut und Hass in seiner Stimme. Ich wette, so viel Ärger hatte er mit seinen Opfern noch nie wie mit uns. Dieser Gedanke amüsierte mich, allerdings erlosch mein Lächeln sofort, als ich Slender hörte. "Sie sind hinter mir, habe ich recht?" Sofort stellte ich mich hinter einen Baum. Ich atmete schwer und hätte beinahe gekeucht, als eine Hand über meinen Mund gehalten wurde. Ich fuhr herum und erkannte Nick. "Das ist vermutlich nur eine Falle, also verhalte dich ruhig", flüsterte er kaum hörbar und nahm seine Hand weg, als ich nickte. Ich erwartete schon fast, dass Slender sich wieder umdrehte, fast. Stattdessen hörte ich, wie er lachte und der Nebel, der uns in dieser Nacht so umhüllte, sich mit einem Schlag verzog. Nun drehte er sich so, dass er uns sehen konnte und mein Herz setzte aus.
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Slender-Die Jagd
FanfictionLaura und Nina sind Freundinnen, die beide gerne in den Wald gehen. Eines Tages beschließen sie, einen Waldausflug zu unternehmen. Doch in diesem Wald, in den sie gehen, lauert eine Gefahr, die die Mädchen sich nicht hätten träumen lassen. Die Gefa...