Kapitel 26

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Nach einer Stunde kam auch schon Rye durch in unser Zimmer.

"Magst du reden?", fragte er vorsichtig und ich nickte. Er kam auch mich zu und setzte sich auf das Bett.

"Bei unserer Hochzeit kann meine Familie nicht teilnehmen. Ich bin einfach nur traurig, weil ich kein Vater habe, der mich zum Altar führt.", fing ich an zu erzählen. Ryan hörte mir einfach nur zu und unterbrach mich nicht, wofür ich ihn echt dankbar bin.

"Ich bin hierhergezogen, weil ich es nicht mehr mit meiner Familie ausgehalten habe. Ich weiß, dass ich im Leben Mist gebaut habe, aber deswegen müssen sie mich nicht so behandeln, als wäre ich ihre hauseigene Sklavin.", ich fing an zu weinen und Rye nahm mich in seine Arme. "Alles fing an einem Samstagabend an. Ich musste auf meinen Bruder aufpassen, weil meine Eltern ein Geschäftsessen hatten. Ich war damals 15 Jahre alt. Mein Bruder war gerade mal ein Jahr alt. Er hat die ganze Zeit geschrien und er hat nicht aufgehört zu schreien. Ich habe ihn gefüttert, versucht, dass er schläft. Ich habe alles versucht, dass er aufhört zu schreien, aber das tat er nicht. Ich kam mit nichts mehr klar, ich war überfordert mit allem. Ich habe ihn schreien lassen. Das fast die ganze Nacht. Doch irgendwann hat er aufgehört zu schreien. Ich dachte er schläft. Also bin ich auch in mein Bett gegangen und versuchte zu schlafen. In der Nacht kamen dann meine Eltern nach Hause und gingen zu meinem Bruder. Und dann hörte ich nur meine Mutter schreien und heulen. Ich rannte zu ihnen ins Zimmer und sah wie meine Mutter Finn, meinen Bruder, in ihren Armen hält. Dann kam sie auf mich zu und schrie mich an. "Was hast du getan, du bist eine Mörderin, du hattest deinen Bruder auf dem Gewissen. Was habe ich nur für eine Tochter oder besser gesagt ein Monster großgezogen!" Ich verstand gar nichts mehr. Ich schaue zu meinem Vater und auch er weinte, so habe ich ihn noch nie gesehen. "Rosa, dein Bruder ist tot und atmet nicht mehr! Was hast du gemacht? Wir haben dir vertraut, dass du dich um ihn kümmerst und du hintergehst uns so sehr? Wo warst du die ganze Zeit?", sprach mein Vater herablassend zu mir. Ich verstand die Welt nicht mehr. Wieso war mein Bruder tot? Ich dachte er schlief. Ich drückte Rye noch fester an mich und er streichelte mich am Rücken. "Seit diesem Samstag haben meine Eltern mich wie Müll behandelt. Und für mich ist kein Tag vergangen, an dem ich mir nicht die Schuld gegeben habe.", ich stand auf und holte aus meiner Tasche den Schwangerschaftstest. "Ich habe Angst, dass so etwas noch einmal passiert.", ich gab ihm den Test und er schaute mich leicht verwirrt an. "Ich habe den Test vor einer Weile gemacht und wie es aussieht bin ich schwanger. Ich habe aber so große Angst Rye!", beichte ich ihm. "Du bist schwanger? Ich freu mich so sehr mi hermosa! Wir werden das schaffen hörst du! Du wirst keine schlechte Mutter werden, wir bekommen das gemeinsam hin.", redete er auf mich ein.

Ich bin froh, dass sich Rye so über das Baby freut. Gemeinsam schaffen wir das, da bin ich mir sicher, aber trotzdem geht meine Angst nicht weg.

"Da ist noch etwas. Erinnerst du dich an den Brief, ohne Anschrift und so? Mein Vater hat ihn mir geschrieben.", berichtete ich ihm. "Was stand drauf, kann ich ihn lesen?", fragte er mich und ich gab ihm den Brief. Er las sich ihn durch.

Liebe Rosa,

es gibt so vieles zu sagen. Seit deinem Auszug habe ich realisiert, wie wir mit dir in den letzten Jahren umgegangen sind und es tut mir vom ganzen Herzen leid. Ich vermisse meine kleine Tochter bei mir. Wir hätten mit dir nicht so umgehen dürfen. Schließlich bist du noch unsere Tochter. Ich hoffe es geht dir jetzt gut wo du lebst. Dennoch möchte ich dich gerne wiedersehen. Komm uns doch mal besuchen. Ich möchte es gerne wieder gut machen.

Dein Papa

"Willst du sie besuchen?", fragte mich Rye, als er den Brief zu ende gelesen hat. "Ich weiß es nicht. Ja vielleicht, er ist mein Vater und eigentlich habe ich ihn ja trotzdem lieb, aber wie er mich die letzten Jahre behandelt hat, tut mir einfach nur weh. Es ist ja nicht so, dass ich mir selbst die Schuld an allem gebe, nein, alle in Deutschland taten es.", und schon kamen wieder die Tränen.

"Wenn du willst können wir gemeinsam fahren. Da lerne ich deine Eltern kennen. Außerdem sind sie bestimmt ganz lieb, wenn ich dabei bin, weil ich ja vollkommen fremd für sie bin"

"Natürlich würdest du mitfahren, denkst du ich fahre mit unserem Kind allein dahin?!"

"Unser Kind. Es ist wirklich schon so weit. Ich liebe es jetzt schon, da es die beste Mutter auf Erden haben wird und die Liebste noch dazu. Ich liebe dich mi hermosa."

Gemeinsam mit ihm schlief ich dann auch ein. Es fühlte sich gut an, endlich Rye alles zu sagen, was ich auf meinem Herzen hatte. Es fühlt sich wirklich an, als ob ein Stein von meinem Herzen fällt. Ich bin erleichtert, dass er mir nicht auch noch, wie alle Leute in Deutschland, die Schuld zugewiesen hat. Er war einfach an meiner Seite, hat mir zugehört und mich seelisch unterstützt. In diesen Momenten werde ich mir einfach immer wieder bewusst, wie sehr ich diesen Menschen neben mir einfach liebe. Dazu kommt auch noch, dass ich unser Baby in meinem Körper trage und auf uns einfach eine Zukunft wartet, die bereit ist entdeckt zu werden.

Aber bevor wir gemeinsam in unsere Zukunft gehen werden, möchte ich die Sache mit meinen Eltern noch klären.

Wie ich dich fand | FF Roadtrip Rye Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt