K a p i t e l • 7 •

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Erst das Scheppern des Tabletts auf dem Boden und das Geräusch von zersplitterndem Glas lässt mich realisieren, dass ich eben dieses Tablett habe fallen lassen. Um mich herum liegen die vielen Scherben verteilt. Ich taumele als ich mich von ihnen entfernen will. Ehe ich mich versehe stürze ich zu Boden und fange mich mit meinen Händen ab. Der Schock betäubt zunächst meinen Schmerz, doch als ich die Scherben sehe, die in meinen Händen stecken und das viele Blut das meine Handflächen hinab rinnt, dreht sich mir der Magen um und ich spüre den brennenden Schmerz.

»Drewlynn!«, ruft jemand neben mir und zieht mich an meinen Armen hoch. »Oh Mist, deine Hände.«

Als nächstes finde ich mich in den Armen von Amandas Vater wieder. Nur schwer kriege ich mit, wie er mich ins Wohnzimmer weg von den Scherben trägt und mich dort wieder absetzt. Er hält meine linke Schulter und meinen rechten Arm fest, während er mich in die Küche führt wo er einen Stuhl des Tisches zurückzieht, auf den ich mich plump niederlasse.

»Alles okay, Drewlynn? Du bist blass.« Verschwommen sehe ich sein Gesicht vor mir.

»Es ist nur das Blut«, schwindele ich. »Mir wird schlecht davon.«

»Ich werde draußen fragen, ob sich jemand mit erster Hilfe auskennt. Leider muss ich selber weiter die Reden mit den Gästen vorbereiten, tut mir leid.« Niklas schenkt mir ein mitleidiges Lächeln, das er mir schon als kleines Mädchen schenkte, wenn ich mit Amanda zu ihr nach Hause kam nach einer Dreiradtour, die mit einem kleinen Kratzer an meinem Bein endete.

Kurz darauf höre ich Schritte auf mich zu kommen. »Hi.« Ich muss nur seine Stimme hören und schon spielt alles in mir verrückt. Stumm schließe ich meine Augen. Das einzige, was ich mich frage ist, warum. Warum musste ausgerechnet er kommen? Hat denn niemand der Rentner in seinem langen Leben genug Erfahrung im Bereich Erste Hilfe gesammelt? Die einzig logische Erklärung scheint mir, dass Niklas gedacht haben müsse, der jüngste Gast wäre auf dem neuesten Stand.

»Ich besorge schnell die Sachen, bleib da!«, ruft mir Will von der Treppe zu. Bleib da. Als hätte er gewusst, ich wäre nicht entzückt über Niklas' Wahl.

Nicht viel später höre ich erneut seine Schritte auf der Treppe. Unten angekommen legt er den Erste-Hilfe-Kasten auf den Tisch und setzt sich auf den Stuhl neben mich. Alleine diese Nähe reicht schon, damit mein Puls in die Höhe schnellt. Kein Wunder also das ich meinen Atem kontrollieren muss, als Will auch noch sanft meine Handgelenke umschließt und sie etwas zu sich dreht.

»Gleich wird der Schmerz weniger«, höre ich ihn sagen. Er muss wohl meine geschlossenen Augen auf meine Wunden zurückgeführt haben. Niemals werde ich ihn berichtigen und ihm sagen, es sei nicht deswegen, sondern der einzige Grund wäre er selbst. Mit geschlossenen Lidern habe ich nämlich besser meinen Körper im Griff und ich kann meinen flachen Atem zügeln, wenn ich ihn nicht ansehen muss.

»Ich werde jetzt die Scherben entfernen, die Wunden waschen und desinfizieren und schauen, ob was genäht werden muss«, erklärt mir Will seine Vorgehensweise. »Nur damit du weißt, was ich mit dir anstelle«, fügt er mit einem kurzen unsicheren Lachen hinzu. Mich beschleicht das Gefühl, er fühle sich unwohl in seiner Haut. Vielleicht, weil ich nichts erwidere oder auf Grund meiner letzten Worte, die ich gestern zu ihm richtete.

»Weshalb bist du hier«, frage ich ihn, ohne es wie eine Frage zu formulieren. Kurz herrscht Stille, in der ich die Pinzette an meiner Haut spüre. Ich fühle, wie er eine Scherbe aus meiner linken Handfläche herauszieht und höre das Schippern von Glas auf Porzellan, weil Will die Scherbe in eine Schüssel legte.

Erst danach höre ich seinen Mund sich öffnen. »Weil du dich verletzt hast.«

»Nein, ich will wissen, warum du hier bist«, drücke ich mich klarer aus.

September RainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt