Nummer 697, wie es auf seiner Visitenkarte steht. Den Schriftzug Morganson finde ich bei den Klingeln als ersten der neun Namen der Bewohner des Wohngebäudes. Es ist eine moderne Architektur und hoch gebaut, fast schon zu extravagant für unser kleines Städtchen Villyshaven.
»Hallo?«, meldet sich Wills Stimme gedämpft durch den Regen, nachdem ich die Klingel betätigte.
»Hallo«, sage ich mit erhobener Stimme zur Gegensprechanlage gewandt. »Hier ist Drewlynn.«
»Ich komme runter«, nuschelt er nach einer kurzen Pause des Schweigens.
Unentschlossen, was ich fühle, warte ich ab, dass er alle Treppen vom obersten Stockwerk aus bis hier hinunter nimmt und mir dann endlich gegenüber steht. Ich habe das Gefühl, die Zeit spielt mir einen Streich. So lange kann es doch unmöglich dauern! Wie ein dutzend Minuten kommt es mir vor, als ich schließlich hallende Schritte aus dem Hausflur höre. Anstatt dass mir darauffolgend die Tür geöffnet wird, passiert nichts.
»Will?« Würde es nicht ohrenbetäubend laut regnen, könnte er mein Herz vor Aufregung schlagen hören, falls er hinter dieser Tür steht, gegen welche ich klopfe.
Einen Moment darauf ertönt ein knackendes Geräusch und das weiße Holz kommt näher auf mich zu. Ich setze einen Sprung nach hinten, wo ich das Gleichgewicht auf dem rutschigen Stein verliere und wanke. Meine Arme versuche ich auszustrecken um mich aufzufangen – doch zu spät. Mein Hintern trifft hart auf. Ein Schwindelgefühl übermannt mich, für Sekunden dreht sich alles. Dann beruhigt es sich irgendwann und meine Augen treffen Sturmaugen, die ich zwischen den unzähligen Regentropfen ausmachen kann, weil ich sie überall ausmachen könnte.
Was als nächstes geschieht, ergibt für mich keinen Sinn und fühlt sich zugleich wie das Schönste auf der Welt an: Wills Grübchen bohren sich in seine Wangen, er lächelt, lächelt so breit und ehrlich.
»Was machst du denn da auf dem Boden? Eine Hinterndusche?« Er lacht ein tiefes vibrierendes Lachen, die Art Lachen, welche den ganzen Körper schüttelt, reicht mir im nächsten Augenblick aber sofort die Hand.
»Nein«, antworte ich halb beschämt, halb lachend und lasse mich von ihm wieder auf die Füße ziehen. »Geduscht habe ich schon auf dem Weg hierhin.«
»Wie? Hast du dein Auto zum Cabrio ummontiert?«
»Ich bin mit der Bahn gefahren und den Rest gelaufen.«
»Warum das denn?«, fragt Will mit ernsterer Miene und zieht mich, bevor ich seine Frage beantworten kann, mit sich in den trockenen Hausflur. Dieser wird wohl nicht lange trocken bleiben, denn meine Hose tropft ununterbrochen. Das scheint auch Will zu bemerken, denn er streift sich seine Jacke von den Schultern und bindet sie mir um meine Hüfte. Fragend sehe ich ihn an.
»Blasenentzündungen sind scheiße«, zuckt er mit den Achseln.
Ich nicke.
»Also«, er setzt sich auf die zweite Treppenstufe, »Wieso ohne Auto hier?«
Bevor ich antworte, stoße ich heiße Luft auf meine Hände aus, die ich vor Kälte kaum noch spüre. Vielleicht ist das aber nicht der einzige Grund. Vielleicht ist es zudem meine Intention, so lange es geht hinauszuzögern, Will zu erzählen, weswegen ich bei ihm einziehen möchte. Und dass ich bei ihm einziehen möchte. Der Weg hierhin war leicht - wenn auch nass - zu klingeln war leicht, in den Hausflur zu treten war leicht. Aber ihm zu erklären...
Die Worte lasten wie Blei auf mir. Doch was er damals auf Amandas Feier zu mir sagte, dass ich jederzeit zu ihm kommen kann, wenn ich bereit bin, ermutigt mich.
»Stell dich darauf ein, dass das, was ich jetzt sage, verrückt klingen wird, ja?«, setze ich an.
»Okay.«
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September Rain
Teen Fiction"Because sometimes, 'forever' only means one infinity." Drew und Max teilten bis zu seinem tödlichen Unfall eine kleine Unendlichkeit. Als diese dann das plötzliche Ende fand, hatte Drew jegliche Hoffnung in das Schicksal verloren. Doch nach einem h...