Die 90. Hungerspiele- Rückkehr eines Odairs

Kapitel 7

Endlich, nach 2 Stunden, wird die Fahrstuhltür von einem Friedenswächter geöffnet. Ich springe sofort auf und stürme aus dem Fahrstuhl. Alle anderen Tribute starren uns an.
,,Herzzerreißend.", spottet einer der Tribute. Laut seinem Trikot kommt er aus Distrikt 2. ,,Nun, ihr beiden habt sowie so schon den gesamten Zeitplan durcheinander gebracht. Jetzt beeilt euch." Ich denke, dass das die Trainingsleiterin ist. Vor einer Tür erklärt sie uns, was uns dahinter erwartet: ,,Dort erwarten euch Stationen für Kampftechniken und Überlebenskünsten. Jeder von euch würde am liebsten zu den Kampfübungen gehen, doch unterschätzt die Überlebenskünste nicht.", erklärt sie. Das hatte ich mir schon gedacht.
Ich werfe einen Blick hinüber zu den Karrieros. Sie mustern mich ganz genau. Ich werde die vier auch im Auge behalten. Als die Trainingsleiterin mit ihrer Belehrung fertig ist, öffnet sich die schwere Metaltür. Zuerst erblickt man nur einen langen Gang. Wir sind befugt den Gang zu betreten. An beiden Seiten befinden sich immer abgetrennt die einzelnen Stationen. Wie es aussieht, werden sie mit einer Art Glas von einander abgetrennt. Ganz vorn befinden sich die Kampfstationen und hinten kommen die Überlebenstechniken. Unabhängig von den anderen Tributen, begebe ich mich sofort in das hintere Abteil, um gleich mit dem Feuer machen zu beginnen. Ich habe das Gefühl, dass mich irgendwer beobachtet. Als ich  mich nochmal im Gang umsehe, erblicke ich einen der Karrieros. Er mustert mich ganz genau. Da ich ihn bemerkt habe, kommt er nun auf mich zu. ,,Lion.", stellt er sich vor und reicht mir die Hand entgegen.  Misstrauisch sehe ich ihn an. ,,Jane.", antworte ich, aber nehme seine Hand nicht an. Er zieht seine Hand wieder zurück und versteckt sie mit der anderen Hand hinter seinem Rücken, als ob er gekränkt wäre, weil ich sie nicht angenommen habe. Er wirft mir nochmal einen missgünstigen Blick zu. ,,Nimm dich in Acht, Odair.." Damit verlässt er den Gang wieder und verschwindet in einer der vorderen Traingskabinen. Etwas merkwürdig fand ich das ja schon. Wollte er mir drohen? Etwas andeuten? Ich frage mich, ob die Karierros es auf mich abgesehen haben?
Nach den ersten Stunden des Trainings, bin ich ziemlich überrascht, denn immer und immer wieder kommen die Tribute aus Distrikt 1 und 2 auf mich zu und wollen ein Gespräch mit mir beginnen. Ob sie denken, dass ich mich ihnen anschließe? Oder muss ich das sogar? Bin ich, da ich aus Distrikt 4 komme, dazu verpflichtet? Eigentlich hatte ich nicht vor mich ihnen anzuschließen, aber vielleicht ist es eine gute Chance lange am Leben zu bleiben? Ich beschließe, wenn ich wieder im Appartement bin, Lucious zu fragen, ob das womöglich ein guter Plan sei.
Das Training ist vorbei und ich mache mich auf die Suche nach Lucious. Der Fahrstuhl springt auf und ich halte Ausschau ihm. Letztendlich finde ich ihn im Wohnzimmer auf einem Sessel sitzend. ,,Lucious, ich habe eine Idee für die Arena!", rufe ich. ,,Lass mal hören.", antwortet er. ,,Heute beim Training kamen die Tribute aus Distrikt 1 und 2 ständig auf mich zu und da ist mir eingefallen, dass ich ja selbst ein  Karriero sein könnte.", erkläre ich. ,,Ich sehe worauf das hinaus läuft.", meint Lucious und grinst mich an. ,,Mein Plan war es, dass ich mich vorerst.." Plötzlich unterbricht mich die aufgehende Tür. Levi steht im Türrahmen und starrt uns beide an. Lucious, der zuvor gespannt meinem Plan gefolgt ist, und mir, wie ich mitten im Zimmer stehe und gerade am erklären war. ,,Ihr besprecht nicht etwa Taktiken für die Arena, oder?", fragt er. Mein Blick schweift von Levi zu Lucious. Ich sehe ihn fragend an und hoffe, dass er das Reden übernimmt. Zu meinem Glück macht er das auch: ,,Nein, Jane wollte mir nur vom Training erzählen, stimmt's?", sagt Lucious. ,,Ja, genau.", stimme ich schnell zu. Ich hasse es zu lügen, aber ich glaube, dass Lucious das noch mit Levi besprechen wird. Es ist immerhin sein Job, uns Tipps für die Arena zu geben. Levi mustert uns beide. Lucious ist wirklich ein perfekter Lügner. Er zuckt nicht einmal mit der Wimper. Ich hingegen sehe direkt auf den Boden, um Levi's Blicken auszuweichen. Sicher, ob er das bemerkt hat, bin ich mir nicht, aber ich höre wie sich die Tür wieder schließt. ,,Das mit dem Lügen musst du nochmal üben, Kleine.", meint Lucious und fängt an zu lachen. Bis jetzt habe ich ihn noch kein einziges mal lachen sehen, seitdem wir hier angekommen sind. Verdutzt starre ich ihn an. ,,Geh jetzt schlafen. Die nächsten Trainingsstunden werden für euch extrem wichtig." Ich bin am Verlassen des Raumes, da fällt mir noch etwas ein: ,,Lucious? Am ersten Tag, als Levi und ich in den Zug eingestiegen sind, da hattest du eine Dose in der Hand. Was befand sich darin?" Lucious ist etwas überrascht über meine Frage und lehnt sich ein Stück zurück. ,,Als ich selbst in der Arena war, ist mir auch einiges widerfahren. Und nun ja, damals wurde ich von einer Art Stromschlag erwischt, weil ich gegen den Rand der Arena geschleudert wurde von einem anderen Tribut. In der Dose befinden sich nur Medikamente gegen das Zucken.", erklärt er ,,Sonst noch Fragen?" Ich schüttle den Kopf und gehe aus dem Zimmer. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich die Wahrheit war, aber warum sollte er sich so etwas ausdenken? Ich schätze, dass seine Unfreundlichkeit am Anfang nicht unbedingt uns direkt galt, sondern mehr dem Strom, der heute noch durch seinen Körper fließt. In diesem  Moment tut er mir schon leid.
In den nächsten zwei Tagen ist grundsätzlich nichts spannendes geschehen. Ich hab nun einige Stunden Training hinter mir und heute steht das Einzeltraining an. ,,Benimm dich ja, junge Dame!", pflegt Saphira. Ich bin der Meinung, dass sie mich nicht wirklich ausstehen kann. Saphira unterhält sich noch mit Levi und putzt seine Kleidung noch etwas ab. Wo ist Lucious eigentlich? Er ist soweit der einzige hier, mit dem ich reden kann. ,,Saphira?", frage ich. ,,Ja, was ist?", sagt die genervt. ,,Wo ist Lucious?", will ich von ihr wissen. ,,Woher soll ich das wissen?", meint sie gereizt. Ich werfe Saphira einen strengen Blick zu und mache mich auf dir Suche nach ihm. Ich will noch kurz mit ihm reden, bevor das Einzeltraining beginnt. Ich habe so einen Verdacht, dass er sich wieder im Wohnzimmer befindet, wie das letzte mal, als ich ihn aufgesucht habe. Ich mache mich auf den schnellsten Weg dorthin. Ich wundere mich, dass er sich nicht dort befindet.
Ich durchquere das gesamte Appartement und nirgends ist Lucious zu finden. Mein letzter Einfall wäre das Dach. Saphira meint immer, dass wir uns nicht dort aufhalten sollen und ihr Blick ging ganz dezent hinüber zu Lucious. Ich mache mich auf den Weg zum Dach. Oben angekommen fällt mein Blick sofort zur Dachkante. Ohne Zweifel kann ich jemanden dort erkennen. Ich schleiche langsam an die Person heran. Sie trägt einen dunkelblauen Mantel und die Kapuze sitzt auf seinem Kopf. Ich weiss nicht ganz, ob es Lucious sein könnte. Eigentlich müsste ich mich in Acht nehmen, denn nicht jedem im Kapitol oder sonst wo ist zu trauen. Es könnte auch ein Einbrecher sein, was ich eher weniger vermute, denn die Sicherheitsvorkehrungen sind ziemlich streng hier. Womöglich könnte es auch ein weiterer Tribut sein, der einzig und allein nicht an dem Einzeltraining teilnehmen möchte. ,,Was hast du hier zu suchen, Jane?", sagt die Person und dreht den Kopf zu mir um. ,,Lucious! Ich hatte dich gesucht.", antworte ich. Ich bin glücklich, dass es er ist und nicht irgendein anderer Tribut. ,,Du willst nicht zum Training, richtig?", fragt er mich. ,,Doch schon, naja wie man's nimmt, aber ich wollte dich nochmal fragen, ob ich das wirklich tun soll?", gebe ich als Antwort. ,,Natürlich, du musst. Du brauchst Sponsoren, Kleine, und die erzielst du nur mit einer hohen Punktzahl bei den Einzelbewertungen.", erklärt er. Bevor ich eine Antwort darauf geben konnte, spricht er mir dazwischen: ,,Jetzt mach dich auf den Weg. Saphira beschwert sich so schon genug über dich." Lucious lächelt mir zu und ich mache mich auf den Weg zurück zum Appartment auf Etage vier. Der Fahrstuhl öffnet sich und Saphira springt mir entgegen. ,,Wo bist du gewesen, junge Dame!?", schreit sie. ,,Ich..ehm.." Rasch unterbricht sie mich: ,,Du gehst jetzt sofort runter zu den Bewertungen. Wenn du die vergeigst, wird es schwierig für dich!"
,,Wie ermutigend", denke ich mir und drücke den Knopf im Fahrstuhl.
Unten angekommen sitzen alle bereits auf ihren Plätzen. Die Tribute aus Distrikt 1, 2 und der männliche Tribut aus 3 waren bereits an der Reihe. Ich setze mich neben Levi auf eine enge Bank und warte, bis mein Name aufgerufen wird.