Plötzlich schrecke ich auf. Ich bin wohl kurz eingeschlafen. ,,Na als Wache bist du nicht wirklich geeignet.", meint Theodor. Ich sehe ihn erschrocken an. Er steht zu meiner linken und sieht hinaus in den Wald. ,,Das hätte jedem passieren können.", erwidere ich. ,,Mir nicht.", antwortet er. Ich kann ihn nicht leiden. ,,Wie bist du auf Claire gestoßen?", fragt er. ,,Sie ist eher auf mich gestoßen. Ich war auf der gegenüberliegenden Seite des Berges. Dort befindet sich ein Nadelwald.", erkläre ich. Sollte ich ihm das mit den Schnattertölpeln erzählen? Ich habe die Befürchtung, dass er das als Waffe einsetzen könnte. ,,Und weiter?", erfragt er neugierig. ,,Warum sollte ich dir das erzählen? Es kann dir doch egal sein.", nehme ich an. ,,Warum bist du so unfreundlich?", meint er. ,,Bin ich doch gar nicht.", gebe ich zurück. ,,Sei still.", sagt er plötzlich und richtet seine Axt in Richtung Wald. ,,Ich hab doch gar nichts gesagt-". Er unterbricht mich mit einem Zischen. Nun sind meine Alarmglocken auch erweckt wurden und ich mache mich auf einen Angriff bereit. Die Karrieros womöglich? ,,Weck' Claire!", befiehlt Theodor. ,,Nein? Mach du doch.", antworte ich. Dann dreht er sich auf einmal zu mir um. ,,Hör mal zu. Das hier funktioniert nicht ohne Vertrauen und Zusammenarbeit. Wir sind Verbündete.", sagt er schroff. ,,Übringes hast du echt schöne Augen.", fügt er noch hinzu. Was? ,,Ehm danke?" Ich bin so überrascht über diese Aussage, dass ich die davor schon wieder vergessen habe.
Ohne weitere Vorwarnung springt plötzlich irgendein Vieh aus dem Gebüsch und fällt über Theodor her. Er ringt vergeblich mit dem Tier, welches sich mit seinem kompletten Körpergewicht auf ihn presst und brüllt. Es sieht aus wie ein Löwe oder so. Jedoch gekreuzt mit einem Skorpion, denn der Stachel am Schweif ist ganz klar zu erkennen. Ich tue schon viel zu lange gar nichts, jetzt muss ich etwas unternehmen. Ich steche der Mutation meinen Speer in den Rücken und versuche Theodor von ihm zu befreien. Jedoch bin ich nicht stark genug, um die Mutation anzuheben und mache ihn nur noch aggressiver. Die gute Nachricht ist, dass er nun von Theodor abgesehen hat, die schlechte aber, dass das Vieh jetzt auf mich losgehen will. Es prescht auf mich zu ohne die Absicht noch bremsen und schmeisst sich auf mich. ,,Jane!", schreit Theodor und plötzlich regt sich das Tier nicht mehr. Ich stoße es von mir runter und sehe was passiert ist. Theodor hat ihm die Axt in den Kopf geschleudert. ,,Wir müssen hier weg. Da kommen hundertprozentig noch mehr davon, wenn wir nicht verschwinden.", meint Theodor. Die Mutation hat mich am Arm verletzt und ich halte meine Hand darauf gepresst. Theodor nimmt meine Hand von der Wunde weg und begutachtet sie. Vorsichtig streicht er mit seinen sanften Händen darüber. ,,Ihr wollt verschwinden?", fragt es plötzlich aus der Höhle. Claire kommt, mit dem Schwert von Lion in der Hand, aus der Höhle und sieht uns entsetzt an. ,,So ist das also! Ich wollt mich verraten?! Nach allem was ich für euch getan habe?", sagt sie wütend. ,,Nein, du verstehst das falsch.", meint Theodor und geht auf sie zu. Ich bleibe an Ort und Stelle. ,,Ich weiss doch wohl was ich gehört habe!", meint Claire lautstark. Sie sollte lieber etwas ruhiger werden, sonst werden die Karierros ziemlich schnell auf uns aufmerksam. Oder diese Mutationen. ,,Nein, wir müssen alle fort von hier.", erkläre ich und gehe einige Schritte zu ihnen vor. ,,Warum?", fragt Claire. ,,Was ist überhaupt mit dir passiert?", will sie auf einmal von Theodor wissen. ,,Das versuchen wir dir ja gerade zu erklären. Mutationen-" Theodor wird durch ein lautes Brüllen eines Tieres unterbrochen. ,,Lauft!", befiehlt Theodor und rennt los. Claire und ich sehen uns kurz an und rennen ihm nach. Er läuft an der Wand des Berges entlang. Ab und zu poltern einige Steine von dort herunter, also müssen wir auch darauf achten. Im nächsten Moment hören wir eine Kanone erklingen. Wir alle drei bleiben ruckartig stehen. Theodor ganz vor, Claire dahinter und ich als letzte. ,,Wir müssen sofort hier weg.", meint Claire. ,,Ich gehe nicht noch mal auf die andere Seite dieses Berges.", stelle ich klar. ,,Warum denn nicht? Was ist da vorgefallen?", fragt Theodor. Stimmt ja, ich habe es ihm nicht erzählt. ,,Schnattertölpel.", antwortet Claire für mich. ,,Wenn's nur das ist. Kommt jetzt.", erwidert Theodor und fängt an die Felsen hoch zu klettern, die in Richtung Nadelwald führen. ,,Komm Jane, wir gehen auf die Seite, von der ich dich beobachtet habe. Da waren diese Vögel nicht.", sagt Claire beruhigend. Ich versuche mir einzureden, dass sie die Wahrheit sagt und reiße mich zusammen. Dann folgen wir Theodor, der schon einen gewaltigen Vorsprung hat. Jedoch wartet er am Ende auf uns. Er und Claire laufen bereits in den Wald. Ich stehe davor und überlege, ob ich das jetzt wirklich tue. Vielleicht sollte ich mich auch endlich aus dem Staub machen, bevor Claire oder Theodor auf dumme Gedanken kommen. Immerhin möchte jeder gewinnen. Nein, jetzt noch nicht. Irgendwann, aber jetzt noch nicht. Theodor ist stark und noch beschützt er uns. Claire hat einen guten Kampfgeist und lässt sich so schnell nicht unterkriegen. Ich folge ihnen also in den Wald. Doch sofort bereue ich es. Zwei Kanonen erklingen und ich sehe Claire tot am Boden liegen. Einen Speer in der Brust. Theodor kann es nicht gewesen sein, denn er kniet neben ihr. Ob das ein Karriero war? ,,Was ist passiert?", frage ich vorsichtig und gehe auf die beiden zu. Ich kniee mich neben Theodor und sehe ihn an. ,,Das Mädchen aus Distrikt 1.. sie hat ohne zögern den Speer auf sie geworfen und schon erklang die Kanone.", erklärt er mit zittriger Stimme. ,,Ist sie noch hier?", frage ich. ,,Nein, ich hab sie getötet.", sagt er stumpf. ,,Wir müssen hier weg, bevor die restlichen Tribute davon Wind bekommen.", sage ich und stehe auf. Theodor zögert kurz, doch erkennt dann, dass ich recht habe. ,,Ich würde sagen, dass wir uns jetzt erstmal wieder ein Versteck suchen und sobald die Sonne aufgeht, müssen wir jagen. Die Vorräte werden knapp.", sage ich. Theodor stimmt mir stumm zu und wir machen uns auf die Suche. Nach einer Weile entdeckt er einen geeigneten Baum, auf den man problemlos klettern könnte. Theodor aus Distrikt 7 ist mit dem Klettern auf Bäumen ja vertraut, doch ich eher weniger. Ich brauche eine kurze Zeit bis ich den Dreh raus habe. Nun sitzen wir zu zweit auf dem Baum und warten, bis sich die Sonne blicken lässt. Es herrscht schon lange eine bedrückende Stille zwischen uns, bis Theodor diese endlich bricht. ,,Was ist eigentlich mit dem Jungen aus deinem Distrikt?", fragt er. ,,Ich hab ihn seit dem Beginn der Spiele nicht gesehen.", gebe ich als Antwort. ,,Wirst du ihn suchen?"
,,Wenn ich bis dahin noch lebe, vielleicht."
,,Du liebst ihn nicht, stimmt's?", meint Theodor ohne mich dabei anzusehen. Doch mein Blick haftet sofort an ihm, nachdem er das gesagt hat. ,,Woher willst du das wissen?", frage ich. ,,Ich sehe es. Deine Augen strahlen nicht, wenn du an ihn denkst.", erklärt er. ,,Das heisst gar nichts.", entgegne ich. Ich weiss doch wohl selbst, wen ich liebe und wen nicht. ,,Red' dir das nur ein, Jane. Wir beide wissen, dass es nicht stimmt.", sagt er. Immer noch blickt er hinaus in den Wald. ,,Wen liebst du?", platzt mir heraus. Mir wird ein bisschen mulmig, weil ich das gesagt habe. Es war viel zu direkt. ,,Warum sollte ich dir das sagen?",erwidert er. Stimmt, er hat keinen Grund mir so etwas zu erzählen. ,,Du musst mir nicht sagen, wer es ist. Beschreibe sie. Ich will auch an dir erkennen, dass du sie liebst. Aber sieh mich an dabei.", sage ich. Neugierig bin ich jetzt ja schon. Theodor dreht den Kopf zu mir und beginnt mit seiner Beschreibung: ,,Sie ist manchmal ziemlich kalt und kommt einigen herzlos rüber, doch zu anderen ist sie warmherzig, offen und freundlich. Sie hat dunkles Haar und wunderschön strahlende Augen. Sie ist ein Jahr jünger als ich und kommt nicht aus meinem Distrikt. Ich sehe sie nur selten, denn der Abstand unserer Heimat trennt uns. Ich würde soviel dafür geben, sie endlich mal in die Arme zu nehmen, doch-" Theodor stoppt. Er atmet schwer. ,,Ist alles in Ordnung?", frage ich. ,,Ja, es geht mir gut.", antwortet er. ,,Du liebst sie wohl wirklich.", stelle ich fest. Theodor gibt darauf keine Antwort und sieht wieder in den Wald. ,,Darf ich ihren Namen erfahren?", frage ich vorsichtig. ,,Willow."
Das ist das Mädchen aus Distrikt 12. Willow Mellark. Sie hat auch zwei Sieger als Eltern, wie ich. ,,Lebt sie noch?", erlaube ich mir zu fragen. ,,Ich weiss es nicht, werden wir ja morgen Abend sehen." Damit ist das Gespräch beendet.
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Die 90. Hungerspiele- Rückkehr eines Odairs
Fiksi PenggemarDie Stimmen in ihrem Kopf lassen die Sechzehnjährige Jane nicht los- in den Hungerspielen um ihr Überleben kämpfen, obwohl die Chance ausgelost zu werden beinahe bei Null lag? Dennoch will sie dem Namen ihrer Eltern gerecht werden und auch bei unvo...