13. Anagramm

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 Lunas eigentliche Ärztin war nicht da. Das war zwar etwas verwunderlich, denn eigentlich war sie immer da, wenn Luna sie brauchte, aber sie dachte sich nichts dabei und machte sich auf den Weg zum Vertretungsarzt. Sein Name und seine Adresse hatte sie an der Arztpraxis abgeschrieben und jetzt lief sie zum anderen Ende der Stadt. Dr. Eriemus hatte noch eine Stunde geöffnet. Also musste sie sich beeilen.

Sie hatte Glück und im Wartezimmer war nichts los. Schon nach zehn Minuten wurde sie aufgerufen. Der Arzt war ungefähr 35 Jahre alt, hatte dunkles Haar und trug eine riesige Brille, die sein Gesicht unförmig erscheinen lies.

„Guten Tag Fräulein Lunaja. Wo drückt denn der Schuh?" „Ich hatte da einen kleinen Unfall. Ich habe mich beim Klettern verletzt" Sie zeigte auf ihre beiden eingepflasterten Schienbeine. „Oh je. Aber keine Sorge. Das bekommen wir schon in den Griff." Vorsichtig entfernte der Doktor die Pflaster, reinigte die Wunde und verband beide Beine. Währenddessen redete er mit Luna über ihre Hobbys und Träume. Es dauerte nicht lange und sie waren fertig. Dr. Eriemus gab ihr noch ein wenig Verbandszeug mit und erklärte ihr, wie sie die Verbände erneuern konnte. Zum Schluss gab er ihr noch den Hinweis: „Vom Schwimmen würde ich dir in den nächsten zwei bis drei Tagen abraten. Danach kannst du die Beine vorsichtig ab und zu ins Meer halten. Das Salzwasser hilft bei der Wundheilung. Aber wirklich erst in ein paar Tagen. Sonst brennt es ziemlich heftig und es könnte noch schlimmer werden." „Danke für den Hinweis, aber wie sie sicherlich in meinen Krankenunterlagen gelesen haben, darf ich sowieso nicht ins Wasser" Mit einem kleinen Lächeln antwortete der Doktor: „Ich habe es schon gelesen. Aber bitte nehme dir den Ratschlag trotzdem zu Herzen" Ein wenig verwirrt machte sich Luna auf den Weg zum Ausgang: „Danke für alles und einen schönen Tag noch" „Dir auch einen schönen Tag und vielleicht sehen wir uns mal wieder"

An der Hauptstraße wartete Erik auf sie. Sie gab ihn einen Kuss und Beide machten sich auf den Weg zu Rita. Eine Zeit lang liefen sie schweigend Hand in Hand nebeneinander her. Dann ergriff Luna das Wort: „Ich wollte mich bei dir noch einmal bedanken. Und entschuldigen. Ich hätte nicht so impulsiv reagieren sollen" „Du brauchst dich nicht entschuldigen. Und außerdem ist die Sache doch Schnee von gestern" „Naja so ganz abhaken können wir das leider noch nicht. Immerhin wissen wir noch nicht, wer das war. Und deswegen treffen wir uns jetzt an einem sicheren Ort, um uns zu beratschlagen, wie wir einem weiteren Angriff entgehen und wer dieser Meermann genau war" „Denkst du, ich darf mit zu dem Treffen?" „Na klar. Immerhin wurde ich angegriffen und du hast mich gerettet. Außerdem haben nur du, ich, Zac und die Wale den Typen so richtig gesehen. Die anderen waren ja eher damit beschäftigt zu kämpfen. Da wird jeder, der etwas dazu beitragen kann, gebraucht." Erik wollte gerade zum Meer hin abbiegen, um den Rest des Weges zu schwimmen, doch Luna hielt ihn auf: „Der Arzt hat mir für die nächsten Tage verboten ins Wasser zu gehen. Wir werden wohl oder übel laufen müssen. Außer du möchtest allein schon einmal vorschwimmen" „Nein nein. Ich verbringe die Zeit lieber mit dir. Aber sag mal: Hast du dem Arzt nichts von deiner 'Wasserallergie' erzählt? Wenn er das nicht in deinen Unterlagen gelesen hat ist er ein seltsamer Arzt. Das wäre gefährlich geworden, wenn er die Kratzer mit Wasser gesäubert hätte" Luna dachte nach. Darüber hatte sie vorhin überhaupt nicht nachgedacht. „Stimmt. Aber als ich ihn darauf hingewiesen habe, meinte er, dass er das schon wüste und mich trotzdem warnen wollte" „Komischer Kerl", erwiderte Erik achselzuckend.

Als Luna klingelte, öffnete ihr Weilan. Sie war gerade angekommen und schon über das wichtigste informiert worden. Gemeinsam gingen sie hinunter in die Grotte. Die anderen hatten sich in einem Halbkreis um eine kleine Tafel gesetzt. Auf dem Whiteboard standen bis jetzt nur "Rei Meus", "Meermann?" und "Verbindung zu Luna?". Die Neuankömmlinge setzten sich dazu. Gemeinsam diskutierten sie nun über den Grund des Angriffs, woher der Angreifer wohl gewusst hat, dass Luna in der Nähe war und wer Rei Meus überhaupt war. Luna stand auf und schrieb "war zur selben Zeit, wie wir im Meerespark" an die Tafel. Als die anderen sie anschauten, erklärte sie: „Er hat zu mir gesagt, dass er mich aus den Park stürmen gesehen hat"

„Das würde bedeuten, dass er uns - oder besser gesagt dir – schon länger gefolgt ist. Hast du etwas mitbekommen?", wollte Sirena daraufhin wissen. „Nein leider nicht. Darüber habe ich auch schon nachgedacht, während ich bei Dr. Eriemus im Wartezimmer saß. Alle schwiegen und jeder hing seinen eigenen Verschwörungstheorien hinterher. Luna ging der Name des Doktors nicht mehr aus dem Kopf. Sie würfelte die Buchstaben durcheinander und brachte sie in neue Reihenfolgen. So etwas machte sie öfters, wenn sie nachdachte.

Plötzlich sprang sie auf: „Das gibt es doch nicht!" Alle blickten sie erschrocken an. „Was ist los?", wollte Weilan wissen. Luna ging an die Tafel und schrieb den Namen des Doktors an:

ERIEMUS

„Seht ihr's?", fragte sie aufgeregt. Doch ihren Freunden fiel nichts auf. Darunter schrieb sie 

REIMEUS

„Und jetzt schreiben wir die Buchstaben einmal sortiert hintereinander: EEIMRSU. Und wenn wie das selbe mit dem Namen des Meermanns machen..." „Kommt das gleiche raus!", erkannte Zac erstaunt. „Ein Anagramm. Sehr interessant. Aber es könnte auch nur ein Zufall sein", überlegte Rita. „Ich weiß. Und durch den Umhang konnte ich den Angreifer leider nicht erkennen" „Wenn du recht hast", schaltete sich Erik ein: „müsste im Meerespark jemand gewesen sein, der diesem Arzt ähnlich sah. Erinnerst du dich da an jemanden?" Luna dachte nach. Erst jetzt fiel ihr auf, wie gut sich der Doktor durch seinen Kittel und die Brille getarnt hatte."Hhhhmmm....Moment mal" Sie ging wieder zur Tafel und schrieb

Mister RIESUME

Sie dachte an den Mann mit der Sonnenbrille. Er hatte sich gut getarnt mit einer verspiegelten Sonnenbrille und einem Basecap. Sie war ihm im Meerespark begegnet. Zu dem Zeitpunkt war sie einfach davon ausgegangen, dass er aus einem anderen Land kam. Heute war ihr klar, woher der seltsame Name kam. Er hatte sie an irgendjemanden erinnert. Deshalb hatte sie ihn im Gedächtnis behalten. Und mit großem Schrecken viel ihr in dem Moment auch ein, wem er so unglaublich ähnlich sah. „Luna alles in Ordnung? Du bist so blass geworden" Mit zittrigen fingern schrieb sie:

Herr SURIEEM

„Dein Lehrer? Bist du dir da sicher?" „Leider ja. Jetzt, wo ich das alles aus einem anderen Blickwinkel betrachte ergibt vieles Sinn. Und das Schrecklichste ist: Als Lehrer hatte er Zugang zu all meinen Daten. Und ich rede nicht nur von Name und Geburtsdatum. Er weiß, wo ich wohne, wer meine Eltern sind und so weiter" Verzweifelt setzte sie sich hin. Dieser Mann hatte sie schon viel länger studiert als erwartet. „Nur was davon ist sein richtiger Name?", überlegte Ondina. Luna holte ihr Handy aus ihrer Tasche und gab auf einer Anagramm-Website REIMEUS ein. Ihr wurden alle Kombinationen vorgeschlagen, die man aus diesen Buchstaben machen konnte. Bei einem Wort blieb sie stehen. Ihre Augen wurden immer größer. Leise flüsterte sie: „Das kann doch nicht sein. Das ist unmöglich!" Auf ihrem Handy stand in großen, schwarzen und unheilverkündenden Buchstaben:

MEERIUS

MeerjungfrauenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt