14. Verfolgt?!?

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 Die Nachricht von Meerius' überleben hatte sie alle tief getroffen. Wie hatte er das angestellt? Auch für jemanden mit magischen Kräften war das Überlisten des Todes unmöglich. Erik hatte sich sofort dazu bereit erklärt, Luna ab sofort überall hin zu begleiten. Zu groß war die Gefahr, dem unberechenbaren Meermann wieder zu begegnen. Zum Glück waren einige Wochen später Ferien. Herr Surieem ließ sich aber auch während der letzten Schulwochen nicht mehr blicken. Als eine ihrer Mitschülerinnen die Vertretungslehrerin nach dem Grund für die Abwesenheit ihres Lehrers fragte, antwortete diese nur, er sei aus gesundheitlichen Gründen verhindert. Einige Jungen, die hinter Luna saßen, flüsternden sich zu: „Zu schade aber auch. Jetzt wird unser Lehrerliebling nicht mehr die Klassenbeste sein. Ich glaube sie vermisst ihn jetzt schon. Schau nur, wie bedrückt sie schaut" Luna wusste, dass die Jungen sie nur ein wenig ärgern wollten und es nicht so gemeint war. Sie hatte sich daran gewöhnt. Aber im Gegensatz zu sonst, nahm sie diese Bemerkung nicht so locker auf. ‚Sie können es ja nicht besser wissen. Woher auch? Ich kann ja schlecht sagen: Hey ihr! Er ist nicht krank. Er ist nur untergetaucht, weil er anscheinend, woher auch immer, erfahren hat, dass ich nun weiß, wer er wirklich ist. Und vielleicht war er mal mein Lieblingslehrer, aber jetzt weiß ich, dass es ein hunderte Jahre alter Meermann ist, der mich schon ewig verfolgt hat. Genau genommen sind wir sogar verwandt. Er ist mein Ur-, ur-, ur-, ...und so weiter Großonkel. Ach ja. Und letztens hat er mich beim Schwimmen – ja ich geh heimlich doch ins Wasser - angegriffen. Seit dem ziert eine große Narbe meinen Fischschwanz – ganz nebenbei, ich bin ne Meerjungfrau -. Und was der Typ eigentlich genau vorhat? ICH WEIß ES NICHT!' Plötzlich stutzte Luna. Sie hatte sich in ihren Gedanken so in Rage gebracht, dass ihr plötzlich ein grundlegendes Problem aufgefallen war. Sie wusste eigentlich gar nichts über Meerius. Am selben Tag noch hatte sie alle zusammengetrommelt und darauf aufmerksam gemacht. Alle stimmten ihr zu, dass sie mehr über ihren Feind erfahren müssten. Rita besuchte für die restlichen Tage ihre frühere Schule. Die Anderen versuchten auf anderen Wegen mehr zu erfahren. Nur Lunas Vorschlag direkt mit Meerius zu reden wurde ohne weiteres abgewiesen.

Nun waren also Ferien. Doch dieses mal fühlte Luna sich nicht frei. Egal wo sie hin wollte, immer musste einer ihrer Freunde mitkommen. Meistens übernahm das Erik. Sie hatte ihn wirklich gerne und verbrachte auch gern Zeit mit ihm, aber sie wollte auch einmal allein sein. Jetzt gerade fühlte sie sich wie ein Promi, der immer einen Bodyguard braucht. Und dieses Gefühl gefiel ihr überhaupt nicht. Und sie fand das alles auch übertrieben. Klar, in der Bucht war das echt knapp gewesen. Aber sie war ihm schon so oft begegnet. Und nie ist etwas passiert. Außerdem hatte er sich seit ihrem Arztbesuch nicht mehr gezeigt. Deshalb beschloss sie, ihn zu suchen.

Am nächsten Morgen hatte sie sich mit Mimmi zum shoppen verabredet. Gegen Mittag würde sie sich dann wieder mit Erik treffen. Ihr Plan war simpel: Einfach zur Praxis von Dr. Eriemus gehen und sich Gewissheit verschaffen. Erik wusste, wo die Praxis war und würde versuchen sie aufzuhalten. Mimmi wusste das nicht. Und so führte die Shoppingtour "zufällig" beim Doktor vorbei. Doch am Eingang erwartete sie eine Enttäuschung.

Aus privaten Gründen bis auf weiteres geschlossen.

Das war also nichts. ‚Wäre ja auch zu einfach gewesen', dachte sich Luna niedergeschlagen. Sie gingen noch ein kleines Stück. Dann verabschiedete sie sich von Mimmi und machte ihr klar, dass in den zwei Minuten, in denen sie hier auf Erik wartete schon nichts passieren würde. Kaum war sie allein, sprang sie ins Meer und schwamm zum einsamen Strand. Die Kühle des Wassers beruhigte sie etwas. Nachdem sie sich wieder zurück verwandelt hatte, setzte sie sich in den weichen Sand, zog ihre Beine an ihren Körper, schlang ihre Arme um sie und legte das Kinn auf ihr Knie. Dann beobachtete sie das Spiel der Wellen. Es war so schön. So voller Freude. Einer Freude, die sie selbst seit Wochen nicht mehr gespürt hatte. Da musste sie schluchzen. Warum? Warum hatte es dieser Verrückte ausgerechnet auf sie abgesehen? ‚Es gab doch genug Meerjungfrauen die letzten hundert Jahre, denen er das Leben hätte schwer machen können. Tapferere. Solche, die nicht wegen so einer Situation angefangen hätten zu weinen.' Dieser Gedanke machte sie noch trauriger. Und schon kullerte die erste Träne der Verzweiflung über ihre Wange. Luna wusste, was das bedeutete. Sie war schon als Kind sehr sensibel und hatte deshalb oft geweint. Und Tränen waren Wasser. Und Wasser hieß Fischschwanz. Sie legte sich mit den Beinen in die Brandung. Den Kopf legte sie auf ihre Arme. Nun konnte sie so viel weinen, wie sie wollte. Im Notfall wäre sie ganz schnell im Wasser.

Nach fünf Minuten hatte sie alle ihre Tränen vergossen. Sie lag nur noch im Sand, ließ das Wasser über ihren Schwanz fließen und beobachtete deprimiert den Sand.

Da spürte sie eine Bewegung hinter sich. Sie drehte den Kopf. Neben ihr hatte sich Erik ein Stück aus dem Wasser gezogen. „Du hast mich gerade ziemlich erschreckt" „Du mich aber auch Luna. Hätte ich nicht schon die ganze Woche geahnt, dass du hierher kommen willst, hätte ich einen Suchtrupp nach dir geschickt" „Entschuldigung. Ich brauchte einfach mal etwas Zeit für mich" „Entschuldigung angenommen. Und jetzt erzähl. Was ist mit dir los?" „Ich kann einfach nicht mehr Erik. Diese Ungewissheit macht mich fertig. Was will er? Und wieso ich?"

Erik nickte verständnisvoll. Er konnte sich gut vorstellen, dass seiner Freundin das Warten auf die Nerven ging. Ihm selbst ging es auch nicht anders. „In seiner Arztpraxis ist er zumindest nicht mehr. Stimmt's?", wollte er von Luna wissen. „Woher weißt du, dass ich heute dort war?" „Weil du ihn suchen wolltest. Und da er nicht mehr in der Schule ist und wir ihn auch nicht in der Bucht getroffen haben..." „Hast du geahnt, dass ich als nächstes bei seinem Nachmittagsjob suche. Und du hast recht. Mit beidem. Ich war vorhin da und es ist aus privaten Gründen geschlossen" „Was nicht heißt, dass er nicht da ist. Hast du geklingelt?" „Nein. Mimmi war ja mit dabei" „Dann komm. Ich will jetzt auch endlich wissen, was Sache ist. Wir gehen da jetzt hin!"

Luna musste nicht lange überredet werden. Sie schoben sich zurück ins Wasser und schwammen zum Steg. Gemeinsam liefen sie zu Dr. Eriemus. Luna klingelte. Kurz darauf hörten sie eine Stimme in der Gegensprechanlage: „Ah Miss Lunaja. Ich habe mich schon gefragt, wann sie hier auftauchen. Und männliche Verstärkung haben sie auch mitgebracht? Na, mir soll's recht sein. Kommt rein" Es summte und die Tür sprang auf. Zögerlich betraten sie das Haus. Im Büro des Doktors wartete ein Mann. Dieses mal nicht verkleidet: „Setzt euch. Ihr habt bestimmt eine Menge Fragen" „Danke, aber wir bleiben stehen!" „Nicht so feindselig Herr Erik. Immerhin seid ihr zu mir gekommen" „Ja. Und zwar aus einem bestimmten Grund: Was wollen Sie von mir?" „Meine liebe Luna, zuerst einmal würde ich vorschlagen, dass wir uns ab sofort duzen. Das macht alles viel einfacher. Und zum anderen beantworte ich dir gerne deine Frage" „Da sind wir aber mal gespannt", meinte Erik spitz. „Es ist ganz einfach. Ich will das, was mir seit meiner Geburt zusteht. Und ich möchte Gerechtigkeit, für das, was mir widerfahren ist." „Und was wäre das?" „Mir, als Sohn von Ocean und alleiniger Erbe ihrer und Vaters Kraft steht es zu die Meermenschen zu beherrschen. Das wurde mir bis jetzt verwehrt und dafür brauche ich deine Kräfte. Wir sind schließlich verwandt. Ich werde mich an der ganzen Welt für ihren Verrat rächen. Ich werde der Herrscher der Wasserwelt und die Landwelt wird mich für Poseidon persönlich halten." „Das kannst du nicht ernsthaft wollen!", brach es aus Luna heraus. „Oh doch. Und du wirst mir helfen. Deine Kräfte ähneln den meinen" „NIEMALS!", antwortete sie und machte sich auf den Weg, um das Haus zu verlassen. Bei diesem Größenwahnsinnigen wollte sie keine Minute länger bleiben. Meerius versuchte sie aufzuhalten, doch mit einem geschickten Einsatz ihrer Kräfte und Eriks Hilfe schafften sie es zu fliehen. Sie rannten zu Rita und berichteten ihr. Diese war schockiert (und etwas wütend, weil die Beiden so viel riskiert hatten). Sofort rief sie den Rat der Ältesten im Mondsee zusammen. Hier würden Luna und Erik noch einmal erzählen müssen, was Meerius ihnen verraten hatte.

MeerjungfrauenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt