Yoongis POV
Sie war kreideweiß. Ihre Augen waren geschlossen. Bitte lass sie noch atmen, dachte ich. Und zum Glück sah ich, dass ihr Oberkörper sich hob und senkte. Ein Stein fiel mir vom Herzen und ich atmete erleichtert auf. Ein Glück. Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich neben ihr Bett, nahm ihre Hand vorsichtig in meine und wartete. Ziemlich lange.
Irgendwann fing sie an zu husten. Ich bekam Angst. Was ist wenn sie jetzt sterben würde? Doch dann ließ der Husten nach.Eine ganze Weile später, bemerkte ich wie meine Hand leicht von ihrer umschlossen wurde. Langsam schlug sie ihre Augen auf. "Wie lange sitzt du hier schon?", flüsterte sie. "Das ist doch völlig egal. Ich würde Jahre hier verbringen, wenn es nicht anders gehen würde."
Ich rang mir ein Lächeln ab, obwohl mir so gar nicht danach zu Mute war. Doch ich musste stark bleiben. Das schuldete ich ihr und mir selbst. Ich konnte jetzt nicht einfach zusammenbrechen, denn dann würde es ihr noch schlechter gehen. Bis zum Schluss stehe ich ihr bei. Das hatte ich mir immer vorgenommen.
Sie lächelte schwach. Reden fiel ihr sehr schwer, da sie starke Schmerzen dabei hatte. Wir schauten uns eine ganze Weile einfach nur an. Ihre Augen fielen immer wieder zu. "Danke ... für alles...", flüsterte sie kaum hörbar. Danach schloss sie die Augen, der Griff um meine Hand lockerte sich und ihre Atmung wurde immer langsamer, bis sie irgendwann ganz ausblieb.
"Ahri?", fragte ich und wurde ruckartig wieder in die Realität zurück geholt. Ich wusste was geschehen war. Doch ich wollte es nicht wahrhaben.
"Ahri!" Schweißgebadet schreckte ich hoch. Ein Traum. Meine Atmung ging zu schnell. Ich musste mich beruhigen. Ich dachte, ich hätte es verdrängen können. Ich dachte, dass die Albträume endlich aufgehört hätten. Aber seit dieser einen Nacht, in der Ivy geweint hatte, kam alles wieder zurück.
Es klopfte an meiner Tür. Wer zur Hölle wollte jetzt was von mir? Genervt und völlig übermüdet bewegte ich mich zur Tür und öffnete sie.
Ich traute meinen Augen nicht. Um sicher zu gehen, dass ich keine Geister sah, schloss ich sie kurz, um sie kurz darauf wieder zu öffnen. Und trotzdem schienen meine Augen mich immer noch zu täuschen...
Ahri stand vor mir. Sie sah ganz gesund aus. Und ohne Schläuche in der Nase, die ihr Sauerstoff spenden sollten. Wie konnte das nur möglich sein?
Geistesgegenwärtig schloss ich sie in eine Umarmung. Tränen flossen meine Wangen hinunter. Ich konnte meine Gefühle nicht unterdrücken und das war mit eindeutig egal. Sie lebte ... anscheinend. Und ich konnte mir nicht erklären wieso, denn es machte absolut keinen Sinn. Ich hatte doch gesehen wie sie gestorben war...
Als wir uns von einander lösten fand ich endlich meine Worte wieder. "Was hat das zu bedeuten?", fragte ich. "Das ist jetzt nicht wichtig. Viel wichtiger ist es, deine Flügel wieder zurückzubekommen und das du wieder mit den Jungs redest. Yoongi, du musst mich loslassen, nur so kannst du wieder glücklich werden. Lass dich nicht von der Trauer unterdrücken. Das Leben geht weiter." Sie legte einen Hand an meine Wange und streichelte über sie.
Sie hatte ja Recht, so wie immer. Ich verbaute mir so mein Leben. Und wenn ich ehrlich war fand ich es auch nicht gut, die Jungs im Stich zu lassen. Aber es ging nun mal nicht anders. Ich brauchte eine Pause und die hatte ich mir genommen.
Doch wieso sagte sie, ich solle sie vergessen, wenn sie lebte? Oder war das hier alles nicht wirklich? Verwirrt guckte ich sie an.
"Das heißt ... du bist nicht echt?"
Sie senkte den Kopf. "Leider nicht... Aber das was ich dir sage ist echt. Vielleicht verstehst du das nicht, aber ich kann dir sagen, dass ich eine Chance erhalten habe ein letztes Mal mit dir zu reden."Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich riss die Augen auf. "Du meinst, sie haben dir eine Chance gegeben?" Sie schüttelte mit dem Kopf. "Sie haben dir eine Chance gegeben." "Aber warum sollten sie das tun?", fragte ich. "Das kann ich dir nicht beantworten, aber sie hatten sicher einen Grund."
Ich konnte es nicht fassen. Der Rat hatte mir eine Chance gegeben wieder auf die richtige Bahn zu geraten. Die Ratsmitglieder waren die letzten Engel, denen ich zutraute, dass sie doch nicht so kaltherzig waren, wie sie vorgaben. Ich konnte es einfach nicht glauben. Immer noch ungläubig schaute ich sie an.
"Sei ihnen einfach dankbar", bat sie mich sanft.
"Ich bin dankbar für jede Chance dich noch einmal zu sehen", sagte ich. Und zum ersten Mal seit ihrem Tod konnte ich wieder Lächeln. Ich nahm sie wieder in den Arm. "Und jetzt vergiss mich gefälligst, Min Yoongi." Ich merkte wie sie lächelte. Es war alles so wie früher. Und zum letzten Mal konnte ich es noch einmal genießen.
Plötzlich wurde mir schwindelig. Mein Kopf fühlte sich an als wäre er mit Watte gefüllt. Es fühlte sich an als würde ich aufwachen. Ahri. Ich wollte bei Ahri bleiben! Ich versuchte mich dagegen zu wehren. Doch ich schaffte es nicht.
Ivys POV
Nachdem ich gestern wieder in meinem Zimmer angekommen war, hatte ich mich erstmal hingesetzt und einfach aus dem Fenster gesehen. Irgendwie wusste ich nicht was ich tun sollte und schlafen konnte ich noch nicht. Gedanken hatte ich auch keine mehr übrig, also starrte ich einfach aus dem Fenster.
Doch etwas war anders als sonst. Es war ein besonderes Gefühl was ich verspürte. Und das war Hoffnung. Denn langsam aber sicher merkte ich wie sich etwas veränderte. Es war, als ob sich die Eisschicht um Yoongis Herz langsam auflöste.
Und da war noch etwas, aber das war ganz allein mein Geheimnis.
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Fallen Angel [Min Yoongi FF]
Fanfiction"Min Yoongi, du bist dir deiner Taten bewusst?", sprach der Ratsvorsitzende. Shit!, fluchte ich innerlich. Die Situation war ausweglos. Eigentlich war ich selber schuld, das wusste ich, doch meine Flügel wollte ich deswegen nicht verlieren. Von den...