29. Grimmauldplatz

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Am nächsten Morgen packte ich noch einige Sachen in meinen Koffer, die ich in den Ferien brauchen würde. Die trübsinnigen Gedanken von gestern Abend hatte ich in meinem Gedächtnis an den Rand geschoben. Ich würde sie zwar nicht für immer verdrängen können, aber heute wollte ich nicht daran zerbrechen. Stattdessen genoss ich das Frühstück und machte mich danach mit anderen auf den Weg zum Bahnhof nach Hogsmeade.

„Ella!", rief Dad, als ich Tür vom Grimmauldplatz 12 in London aufriss und in seine Arme sprang. „Blutsverräter, Abschaum in meinem Haus", ertönte sofort wieder das Gemälde meiner Oma. „Hier hat sich ja nichts verändert", ich verdrehte die Augen. Dad schüttelte den Kopf und funkelte in Richtung des Gemäldes. „Aber Sirius hat fast die ganze Black'sche Bibliothek durchforstet, um einen Zauber zu finden, der das Bild entfernt", meinte Remus, der im Türrahmen auftauchte. „Remus", schrie ich, denn ich hatte nicht damit gerechnet, meinen Paten zu treffen. „Hier gibt es eine Bibliothek", wunderte sich jetzt Hermine, die sich durch den engen Flur an uns vorbeiquetschte. Sie würde ihre Ferien zusammen mit uns hier verbringen, da ihre Eltern eine Skireise nach Österreich machten. Hermine war noch nie ein großer Fan von solchen Sportarten gewesen, weshalb sie lieber bei uns blieb. „Ja, wenn du willst zeige ich sie dir in den nächsten Tagen", meinte Dad, „vielleicht hast du ja mehr Glück und findest einen Gegenfluch". Er deutete wieder auf das Gemälde meiner Oma, welches mittlerweile wüste Beschimpfungen über Muggelgeborene von sich gab. „Kommt erstmal rein", sagte Remus dann und wir quetschen uns mit unseren Hogwartskoffern durch den Flur. In der Küche war der lange Tisch bereits gedeckt und eine freudige Mrs. Weasley stand am Herd. Mr. Weasley und Tonks hatten uns von Bahnhof abgeholt, weshalb sich beide hungrig an den Tisch setzten. Auch der berühmte Auror Kingsley Shacklebolt war dabei gewesen, doch hatte er sich kurz nach der Ankunft entschuldigt, da seine Familie auf ihn warte.

„Oh, da seid ihr ja", Mrs. Weasley kam auf uns zu und umarmte erst ihre Kinder und danach Harry, Hermine und mich. „Mum!", meinte George genervt, als sie uns allen sogar ein Küsschen gab. „Ich weiß Georgilein", sagte Mrs. Weasley dann und wandte sich wieder dem Herd zu. „Georgilein", kicherte Ron, was ihm einen bösen Blick von seinem älteren Bruder kostete. „Setzt du dich doch schon mal hin Ronny", meinte George daraufhin und deutete gespielt höflich auf die lange Holzbank, die an beiden Seiten des Tisches stand. Ron wurde rot und funkelte George wütend an. „Genug jetzt", schaltete sich nun Mr. Weasley ein, „eure Mutter freut sich einfach, dass es euch allen gut geht."

Danach fielen keine komischen Namen mehr, sodass wir gemütlich zusammen Abendessen konnten. Ron begann, alles zu erzählen, was in Hogwarts so passiert war. Zum Glück dachte er daran, Dumbledores Armee nicht zu erwähnen, denn sonst hätte es sicherlich einen riesen Aufstand gegeben. Die Erwachsenen hatten mit dem Orden schon genug Sorgen, weshalb wir nicht noch zusätzlichen Ärger anstiften sollten. „Hat diese Professor Umbridge eigentlich Fred und George im Griff?", fragte Mrs. Weasley zum Spaß, „ich habe schon lange keinen Beschwerdebrief von Dumbledore erhalten und normalerweise habe ich an Weihnachten schon einen ganzen Stapel." „Tja Mum, dieses Jahr halten eher Harry und Ella den Rekord im Nachsitzen", meinte Fred. „Ich habe aber noch keinen Brief bekommen", wunderte sich Sirius und grinste. „Sie hat da auch andere Methoden", erklärte George, „sie hat nämlich – autsch!" Ich hatte George mit dem Ellenbogen in die Seite gestoßen. „Sie meint, Briefe schreiben würde ihre kostbare Tinte verschwenden. Umbridge lässt uns daher nur das Pokalzimmer säubern. Mittlerweile haben wir bestimmt schon alle Medaillen fünfmal abgestaubt", meinte ich und versuchte, dabei so locker wie möglich zu klingen. „Sind die denn schon wieder dreckig?", scherzte Dad, „Krone und ich haben doch auch immer sorgfältig geschrubbt." Vom Ende des Tisches war ein Räuspern zu vernehmen, welches von Remus stammte. „Hey Moony, wir haben uns für Filch immer Mühe gegeben", rechtfertigte er sich. „Wahrscheinlich eher bei Streichen gegen Filch", meinte Tonks daraufhin. Alle begannen zu lachen und ich war froh, die Stimmung gerade noch gerettet zu haben.

Später verschwanden die Erwachsenen in den Salon und schickten uns in unsere Zimmer. Auf der Treppe fing George mich ab. Er zog mich in die Bibliothek, die im Dunkeln richtig gespenstisch wirkte. „Was ist?", fragte ich. Ich schaffte es leider nicht, meinen genervten Unterton zu verstecken. „Warum durfte ich es nicht erzählen?"
„Was erzählen?"
„Na die Sache mit Umbridge. Sie würde euch nie nur das Pokalzimmer putzen lassen."
„Dad soll es nicht wissen", meinte ich trocken und drehte mich weg.
„Warum?", fragte George wieder und griff nach meiner Hand, sodass ich nicht abhauen konnte. Ich spürte ein leichtes Kribbeln auf dem Handrücken, auf dem noch immer „Ich soll niemals das Ministerium anzweifeln." stand.
„Er würde sich unnötig Sorgen machen." Meine Antwort war knapp, aber ich hatte auch keine Lust, weiter darüber zu diskutieren. Ich hatte für mich entschieden, dass es besser wäre, nichts zu erzählen und dabei sollte es bleiben.
„Ella, die Frau foltert euch", empörte sich George. Ich zuckte nur die Schultern. „Das ist ein Grund, sich Sorgen zu machen", probierte er es weiter.
„Ja, aber er würde sich beschweren, vielleicht sogar beim Minister und das, obwohl er gerade erst freigesprochen wurde. Ich kann es nicht erzählen!"
George seufzte daraufhin und strich über die Narben. „Es bedeutet mir schon viel, dass ihr es wisst. Ich bin also nicht allein", murmelte ich. „Ella, du kannst immer mit mir reden, das weißt du", sagte George. Ich nickte leicht und merkte plötzlich, wie Georges Gesicht sich meinem näherte.

„Ach da seid ihr!", platze Fred herein. Wir fuhren auseinander und ich strich mir verlegen durch die Haare. „Ella wollte mir dieses eine Buch zeigen. Es handelt von...", stotterte George. „Das Buch über verschiedene Hexereien und Zaubereien", sagte ich schnell, „bestimmt für euren Scherzartikelladen sehr interessant." „Aha", nickte Fred wissend. Zum Glück hatte er kein Licht angemacht, denn sonst hätte er sicherlich auf zwei Tomaten geblickt. „Habt ihr es gefunden?", wollte er dann wissen, „oder wart ihr zu beschäftigt?" „Ähm, wir haben den Lichtschalter nicht gefunden und im Dunkeln sieht man hier echt nichts", log George, „wir suchen morgen weiter". Er schob uns aus dem Raum und schloss sorgfältig die Tür.

„Gute Nacht", verabschiedete ich mich von den beiden und schlüpfte schnell in mein Zimmer. „Wo warst du?", vernahm ich Ginnys Stimme aus der Dunkelheit. „Ähm, Bibliothek", murmelte ich, denn ich wollte Hermine nicht wecken. „Alleine oder mit Harry?", fragte sie weiter.
„Wieso mit Harry?"
„Naja, ihr geht so vertrauensvoll miteinander um und da dachte ich...", zum Ende wurde Ginny immer leiser.
„Da dachtest du, dass ich in Harry verliebt bin." Ginny antwortete nichts mehr, was mir signalisierte, dass ich den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
„Ja, ich liebe Harry, aber nicht so, wenn du verstehst, was ich meine", sagte ich dann, um das unangenehme Schweigen zu unterbrechen. Ginny schien mich zu verstehen, denn immerhin nickte sie leicht.
„Harry ist wie ein Bruder für mich. Ich glaube, dass es toll sein muss, Geschwister zu haben oder eine richtige Familie", versuchte ich, mein Gefühl genauer zu beschreiben. „Brüder können auch manchmal echt nervig sein", lachte Ginny nun, „aber eigentlich habe ich sie alle lieb." „Harry gehört für mich einfach zu meiner Familie", meinte ich, „Dad hat es mir zwar nie gesagt, aber Remus hat erzählt, dass er mit 16 Jahren von zu Hause abgehauen und zu James Eltern gezogen ist. Sie haben ihn direkt aufgenommen und ihn geliebt wie einen zweiten Sohn. Dad und James waren quasi auch Brüder und jetzt braucht Harry Leute, die ihn lieben und ihm in diesen Zeiten beistehen."
Ich war froh, dass Ginny mich so gut verstand und wir nun dieses kleine Missverständnis zwischen uns beiden aufgeklärt hatten. Doch warum interessierte es Ginny eigentlich, ob ich in Harry verliebt war oder nicht? „Bist du etwa in Harry verliebt?", fragte ich daraufhin. „Ähh nein", antwortete Ginny sofort, „hat mich nur interessiert." Ich hob eine Augenbraue nach oben und Ginny schien zu merken, dass ich ihr das nicht abkaufte. „Doch irgendwie schon", gab sie es dann doch zu, „aber erzähl ihm nichts!" „Keine Sorge, selbst ein Bruder muss nicht alles wissen", lächelte ich. „Danke Ella", meinte Ginny.

Obwohl es spät war, lag ich noch lange wach. Mir ging die Sache mit George nicht aus dem Kopf. Ginny war ziemlich schnell eingeschlafen, doch ich wälzte mich in meinem Bett hin und her. George hätte mich fast geküsst? Er hätte mich geküsst, wenn Fred nicht reingeplatzt wäre! Irgendwann musste ich dann wohl doch eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal die Augen öffnete, schien leicht die Wintersonne in mein Zimmer.

Verlorene Tochter - Eine Harry Potter FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt