4. meliorism

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(n.) der Glaube daran, dass die Welt besser wird; dass Menschen sie verbessern können

Eins, zwei – eins, zwei – eins, zwei.

Äste und Laub knirschten unter Tala Reyes Turnschuhen, während ihre Füße sie durch den Park trugen. Manchmal wünschte sie sich, dieser Park wäre ein öffentlicher Ort. Eine grüne Oase, in der noch Vögel lebten oder in welcher ihr gelegentlich auch einmal andere Jogger begegnen würden.

Doch dieser Park gehörte zum Regierungspalast. An jedem zweiten Baum hatten sich Wachen postiert und Tala wusste, dass, egal wie sehr sie es sich erhoffte, egal, wie sehr sie davon träumte – sie würde niemals wirklich alleine sein.

Sie schnaufte schon fast und Tala wusste, dass sie sich viel zu knapp gekleidet hatte. Ein Tiefdruckgebiet hatte sich über der Metropole Tokyo angesammelt und hatte die sommerlichen Temperaturen von über dreißig Grad auf frostige fünf gesenkt.

Trotzdem trug Tala ihre neuen rosa Shorts und ihr weißes Top zur Schau.

Eins, zwei – eins, zwei – eins, zwei.

Sie war nicht mehr alleine. Wie erwähnt, sie war nie wirklich alleine, aber Tala hörte Schritte hinter sich. Spürte sie vielleicht eher, als dass sie es über ihre Musik hinweg hätte hören können.

Sie zählte noch weitere fünf Mal bis zwei, ehe sie ihre Playlist pausierte und stehen blieb.

Der Mann, der ihr gefolgt war, wurde durch das Momentum noch einige Schritte nach vorne getrieben, bis auch er stehen blieb.

Bei ihrem Verfolger handelte es sich um niemand geringeren als Orlando Bryant, ihren langjährigen Berater und guten Freund.

Schon Orlandos Vater war Berater gewesen, wenn auch der Berater des vorherigen Präsidenten.

Orlando war Talas Bedingung gewesen. Wäre er nicht ihr Berater geworden, wäre sie heute nicht Präsidentin.

„Ist dir nicht kalt?" Schweißtropfen liefen Orlandos Stirn hinunter und Tala fragte sich unweigerlich, ob ihr Berater Temperaturen wohl generell anders empfand oder ob er sich vielleicht einfach erkältet hatte.

„Du hast dir zu viel angezogen", sagte sie lediglich und deutete auf die Fleecejacke ihres Begleiters.

Überrascht hielt Orlando inne, um an sich selbst hinab zu sehen. „Mag sein", antwortete er lachend.

Zögerlich streckte er seine Hände nach Tala aus. „Kann ich dich aufwärmen?"
„Sicher, wieso nicht?" Tala näherte sich ihm die letzten paar Schritte und ließ zu, dass er seine Arme um sie schlang.

Orlandos Muskeln waren nicht nur ständiges Gesprächsthema in den Nachrichten und im Regierungspalast, sie waren auch wohlig warm, wie Tala mit einem Seufzen feststellen musste.

„Heute Abend wird es sternenklar", sagte sie.

Orlando gab eine gemurmelte Antwort. „Du weißt, dass du heute Abend zu einem Dinner eingeladen bist."
Das war keine Frage. Bei solchen Sachen stellte Orlando nie Fragen. Stattdessen erinnerte er Tala ständig an ihre bevorstehenden Termine, weswegen sie ihn manchmal liebevoll ihren persönlichen Kalender nannte.

„Aber ich wollte mir die Sternenbilder ansehen."
Sie spürte wie sich Orlandos Brustkorb hob, als er schmunzelte. „Dann versuchen wir das Dinner möglichst schnell über die Bühne zu bringen, damit du danach frei hast, in Ordnung?"
So funktionierte Politik nicht. Dem war sich Tala auch bewusst.

Der amerikanische Präsident hatte sich selbst ins Parlament Tokyos eingeladen und scheinbar war Tala die letzte, die davon erfahren hatte. Als man ihr berichtet hatte, es würde ein gemeinsames Dinner arrangiert werden, war es bereits zu spät gewesen, um abzusagen.

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