9. irenic

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(adj.) den Frieden fördernd

Ein stechender Schmerz in der Brust riss Minahil aus ihrem Schlaf. Ihre Lunge fühlte sich an, als fände sie zwischen ihren Rippen keinen Platz mehr. Jeder Atemzug tat ihr weh.

Minahil griff blind nach dem Schalter ihrer Nachttischlampe. Im dimmen, gold-gelben Licht erkannte sie das Blut, das sich langsam auf ihrem weißen Nachthemd ausbreitete.

Erschrocken zog sie sich das Shirt über den Kopf und hastete zum Spiegel hinüber. Da war überhaupt nichts. Das heißt, da war eine kleine Wunde, kurz unter ihrer rechten Brust, die blutete, aber Mina konnte keine Ursache dafür finden.

Sie blickte sich in ihrem kleinen Zimmer um. Die fünf Mädchen verschiedenen Alters, die sich den Raum mit Minahil teilten, waren noch alle friedlich am Schlafen. Offenbar war niemand in das Zimmer eingedrungen. Dann konnte auch niemand ihr diese Verletzung zugefügt haben, was wiederum bedeutete...

Minahil ließ sich wieder auf die Matratze fallen und tastete nach ihrem Handy, welches sie in der Schublade ihres Nachtschränkchens verstaut hatte.

Fast wie in Trance wählte sie die Nummer der Präsidentin, die ihr mit jener fatalen Nachricht gesendet wurde.

Es klingelte einmal, zweimal, dreimal...Niemand hob ab. Minahil biss die Zähne zusammen, legte auf und wählte die Nummer ein zweites Mal.

Wieder ging niemand dran.

Minahil würde am liebsten losschreien, doch sie riss sich zusammen und ging stattdessen zu ihrem Kleiderschrank hinüber. Dafür, sich groß aufzustylen, war jetzt nicht genug Zeit. Schade eigentlich, dass sie ihrer Verbindungspartnerin in solch einem Zustand gegenübertreten würde. Dann wiederum war Tala Reyes ja auch irgendwie selbst schuld, wenn sie sich mitten in der Nacht so eine Verletzung zuzog. Da war es doch irgendwie klar, dass Minahil im Regierungspalast auftauchen würde, oder nicht?

Sie zog eine dunkelblaue Jeans aus ihrem Schrank und nahm das erstbeste Kopftuch, das sie zu fassen bekam. Es war ihr rosarotes, mit einem Blumenmuster bedruckt. Minahil verzog das Gesicht und überlegte wirklich kurz, sich doch ein anderes zu nehmen, aber dann entschied sie sich dagegen. Sie konnte jetzt keine Zeit vergeuden.

Der Jeans und dem Kopftuch folgten ein Paar schwarze Stiefel und ein dunkelgrüner Poncho und Mina wusste auch ohne einen Blick in den Spiegel, dass sie aussehen musste wie ein Papagei.

*

Wie Minahil bei Verlassen des Wohnblockes bemerkt hatte, war es gerade zwei Uhr nachts. Da sie nicht einsah, sich um zwei Uhr nachts in eine U-Bahn zu setzen, winkte sie eines der selbstfahrenden Taxis heran.

Scheinbar kostete es extra, sich zu einem Regierungsgebäude fahren zu lassen, was Mina zunächst für einen schlechten Witz hielt, was sich dann aber doch als bittere Wahrheit entpuppte.

Und so kostete die viertelstündige Wegstrecke sie ganze achttausend Yen. Eins war sicher: Das Geld würde sie sich von der Präsidentin zurückholen, die hatte ja genug.

Mit großen Schritten stapfte sie den kleinen Pfad zum Vordereingang des Regierungspalastes hinauf. Die Wachen am Vordereingang trugen traditionelle Samurai-Rüstungen. Minahil hielt das für totalen Schwachsinn, aber irgendwie ließ sie das ganz niedlich aussehen.

Nicht mehr ganz so niedlich wirkten die Männer, als sie ihre Naginata überkreuzten und die behandschuhten Hände in Minahils Richtung streckten.
„Was suchen Sie hier?", fragten beide Männer gleichzeitig, in derselben bebenden Stimme. Und der eine von beiden setzte hinzu: „Noch dazu um diese Uhrzeit."

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