34. Kapitel

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Die nächsten 24 Stunden gingen für mich -erstaunlicherweise- eigenermaßen erträglich um. Abgesehen von dem vom Kalk geträngten Wasser, dass im Regelmäßigen Abstand mit einem 'Platsch' auf dem Steinboden tropfte und der Angst hinter jedem Geräusch Calvin erkennen zu können, konnte ich sogar 1-2 Stunden meine Augen zu bekommen.
Mittlerweile war mein Handy schon ausgegangen und ob oder was Casie geantwortet hatte, blieb für erst ungelüftet. Das wärs noch, wenn die mir hier ein Ladekabel zur Verfügung stellen würden. Ich lachte bitter.
Nicht ironisch werden, Jade.
Ebenfalls schlechte Angewohnheit von mir: steckte ich tief in Schwierigkeiten, neigte ich es mit Ironie herunter zuspielen. War aber alles leider nur Fassade.
Luke, der mir dir letzten Stunden Gesellschaft geleistet hatte und ununterbrochen grübelte, stand nun auf und ging von einem Ende des Raumes zum anderen. So nervös kannte ich ihn überhaupt nicht und bis jetzt hatte nur seine positive Ausstrahlung mich dran glauben lassen, hier irgendwann mal herauszukommen. Aber nun...Ich schüttelte mich. Anstatt an Luke zu zweifeln, sollte ich lieber mal mitdenken. Außerdem, ich war gerade auf dem besten Weg Luke zu unterschätzen, obwohl ich ganz genau wusste dass es völlig unnötig war - wenn jemand wusste wie wir hier raus kommen, dann Luke.
"Also wir folgen Jo und Calvie an die Oberfläche, dreschen Keith eine über, steigen in Calvins Auto, von dem Calvie sich den Autoschlüssel klaut und fahren so schnell wie möglich...von diesem Ort.", wiederholte ich den Plan, der letzten endlich entstanden war.
Ich schaute fragend zu Luke und wartete bis er bestätigte.
Es dauerte ein paar Momente, aber er reagierte dann doch noch, in dem er leicht lächelte.
"Sehr kurz gefasst, aber Ja.", meinte er und bevor ich antworten konnte, grübelte er schon über die nächste Sache nach:"Aber mit welchem Grund wollen wir nach oben...?!"
"Um frische Luft zu schnappen...?"
"Mh ja, das ist gut."
Ich holte tief Luft.
"Entspann dich mal."
"Wie jetzt? Jade, ich versuche gerade uns lebendig hier herauszuholen."
Ich hob beschwichtigend meine Hand. Ein Streit war das letzte was ich jetzt noch brauchte.
"Hast du denn keine Angst?", fragte Luke plötzlich und musterte mich besorgt.
"Du bist bei mir und du hast recht, du versuchst gerade uns hier herauszuholen und ich vertraue dir...also Nein, ich habe keine Angst."
Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen gab Luke ein seufzten von sich und fuhr sich durch die Haare. Seine Augen suchten orientierungslos den Steinboden ab, bis sie bei mir ankamen.
Seine blauen Augen durchbohrten die meine, aber auf keine unangenehme Weise, es war völlig okay und ich erwiderte seinen Blick.
Schließlich seufzte er und ließ sich neben mich nieder.
"Du hast recht. Bloss...", er kratzte sich am Hinterkopf, " Ich bin eben dein Beschützer, das ist meine erste große Aufgabe und ich muss uns hier raus bekommen. Nicht nur damit du am leben bleibst...zum Teil auch um meinen Vater zu beweisen..."
Er stockte kurz und ich ergriff die Chance den Satz zu vervollständigen:"...dass du sehr wohl würdig bist sein Sohn zu sein und was aufm Kasten hast!"
Er nickte als Antwort und stieß Luft zwischen seinen Zähnen aus.
"Ich darf das nicht versauen.", murmelte er zwar leise, aber trotzdem fest und entschlossen. Meine Hand rutschte zu seinem Knie und mein Blick fing erneut seinen auf. "Ich glaube an dich. Wer soll es schaffen ausser du? Du wurdest ja sozusagen für den Job ausgebildet kleine, arme Mädchen zu retten."
"Das Thema hatten wir doch schon", seufzte er und spielte auf die Job-Sache an.
"Ich weiß."
Grinsend beugte ich mich zu ihm vor und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Nase. Endlich konnte ich ihm auch wieder ein lächeln auf seine Lippen zaubern - auch wenn ein leicht gequältes. Wenn ich genauer überlegte war er normalerweise der, der mir ein lächeln auf die Lippen zeichnete: der erste Kuss; seine ständige Besorgnis die Paris Reise...Immer war er da, wenn es mir nicht gut ging oder wenn ich Aufheiterung brauchte und dafür liebte ich ihn. Warte...lieben? Wenn das so einfach wäre mit dem Wort würde ich es ihm 10x den Tag sagen. Ich würde ihm tief in die Augen schauen, die drei Worte sagen, auf sein lächeln warten und dann ihn küssen. Ja-ja, wenn es so einfach wäre. Ich seufzte und fuhr mir durch die Haare. Und schon war ich wieder so deprimiert. Es war zum Verzweifeln! Ich wollte mir endlich mal bei irgendwas sicher sein...sicher sein, dass ich hier raus komme, sicher sein, dass Luke und ich eine gemeinsame Zukunft hatten, sicher sein, dass ich einst wie eine normale Teenagerin leben konnte.
Vielleicht konnte ich das auch irgendwann mal. Meine Oma hat immer gesagt Schritt für Schritt, dem Ziel näher kommen und wie das bei Großeltern ist, sollte man doch an die Sprichwörter glauben - deshalb sagen sie sie ja auch; um einem Mut zu machen. Und den brauchte ich. Eine gewaltigen Schub Mut.
Ich seufzte, fuhr mir abermals durch mein Haar und presste meine Lippen aufeinander. Jetzt war ich es, deren Blick orientierungslos im Raum umher schwiff,  ohne jegliches Ziel.
Wie würde ich mein Leben schätzen, wenn ich endlich wieder in meinem eigenem Bett schlafen konnte, wenn ich meine Familie um mich hatte und keine Angst haben mehr musste. Wenn ich wieder schlafen, Musik hören und leben konnte. Wie ich Calvin unterschätzt hatte! Dabei kannte ich ihn so lange...
"Jade?" Lukes Stimme drang an mein Bewusstsein. Ich blintzelte leicht verstört und wand mich zu ihm um.
"Ja?"
"Jetzt wirkst du abwesend."
Ich seufzte schwerfällg, nun mindestens zum 10ten Mal und zuckte mit den Schultern.
"Ich will hier einfach nur raus." Ich verzog meinen Mund und deutete auf die schimmlige Decke. Luke folgte meinem Nicken in die Richtung und lachte leise. "Ja, da muss ich dir recht geben. Wenn die Decke nicht schimmlig wäre, könnte man hier glatt leben."
Ich grinste bei seinen Worten. Wie gesagt, er war immer da um mich aufzumuntern. Und mit der Ironie hatte er es wirklich raus.
"Du bist fast besser als ich es bin!"
"Was meinst du?"
"Ironie und so."
Luke zog eine Augenbraue hoch und zog einen Mundwinkel nach oben, was ihn übrigens unheimlich gut aussehen ließ. Dann lachte er lauthals los und zog mich zu ihm. Seine Arme schlingen sich fest um meinen Oberkörper und mein Kopf lehnte nun halb an seiner Schulter, halb an seiner Brust. Langsam verkling sein Lachen, übrig blieb ein süßes lächeln.
Ich genoss die Nähe, seinen Geruch und einfach die Tatsache dass er; Luke, mein Beschützer war und mir so unglaublich gut tat.

Sei mein EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt