Kapitel 5

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Nach einer halben Ewigkeit kehren Steffen und Alex mit riesigen Kisten zurück.
"Elice, halt' dein Messer bereit! Hier kommt etwas auf uns zu", flötet Steffen bereits von der Terrasse aus.
Ich muss lachen, denn es sieht tatsächlich so aus, als wären beide Kisten randvoll mit Kuchen bestückt worden.
Schnell befreie ich die Arbeitsplatte von dem restlichen Obst um Platz zu schaffen. Die Tabletts sind ordentlich angerichtet, ich hatte sogar noch Zeit Alex' Durcheinander schöner anzuordnen und bin mehr als zufrieden mit meiner Leistung.
Während Alex' Duft mich langsam einhüllt, beobachte ich, wie sich seine Muskeln bewegen als er eine Kiste leichthändig auf die Arbeitsplatte hebt und abstellt. Er lässt es aussehen, als sei die Kiste leer, dabei sind es zehn Kuchen, die ich beim Auspacken zähle. Ich lege das Obstmesser beiseite. Hierfür brauche ich definitiv etwas größeres.
Ich entdecke einen Messerblock und möchte schon das größte Messer, das ich erahnen kann herausziehen, als meine Finger plötzlich ungewollt Alex' Hand berühren. Er hatte denselben Gedanken.
Reflexartig ziehe ich meine Hand zurück und spüre, wie sein Blick zu mir schnellt. Ich kann ihn nicht ansehen. Meine Gesichtsfarbe würde nur noch tiefere Rottöne annehmen, als dass sie es jetzt bereits tut.
Steffen steht vor uns und lächelt freudig in sich hinein. Er betrachtet erst mich, dann Alex, wieder mich und wieder Alex.
"Ich werde euch mal allein lassen", verkündet er schließlich.
Bitte nicht, flehe ich innerlich.
"Wenn ihr hier fertig seid, kommt ihr bitte ins Büro wegen der T-Shirts."
Und schon ist er verschwunden. Ich weiß nicht, was ich tun soll, hier, allein mit Alex. Diese Situation ist mir unangenehm und ich spüre Alex' Blick noch immer auf mir, was die Sache nicht einfacher macht.
Nach kurzem Überlegen beschließe ich, mich einfach meiner Aufgabe zu widmen. Dafür bin ich schließlich hier.
Schnell ziehe ich dieses Mal ein anderes Messer aus dem Block und bereue es sofort wieder. Es ist so stumpf, dass ich kein ordentliches Stück Kuchen geschnitten bekomme.
"Elice?"
"Hm?" Ich versuche gleichgültig zu klingen, um mir nicht anmerken zu lassen, wie verzweifelt ich innerlich bin.
"Elice", wiederholt er.
Bestimmtheit liegt in seiner Stimme und Sarkasmus gleichermaßen.
Ich bin kurz davor das Messer einfach in die Arbeitsplatte zu rammen und zu verschwinden. Meine Konzentration ist ohnehin bereits am Tiefpunkt und er macht mich einfach nur wahnsinnig.
Als hätte ich bereits aufgegeben, versuche ich hecktisch und verzweifelt, einen zweiten Kuchen zu zerlegen. Ohne Erfolg. Ich schabe nur auf dem Boden herum.
Im Augenwinkel sehe ich, wie er einen Schritt auf mich zu macht.
"Elice"
Seine Stimme ist jetzt ganz nah an meinem Ohr und jagt mir einen Schauer über den Rücken.
Keine Sekunde später spüre ich seine Hand auf meiner, die den Messergriff umklammert.
Mein Herz setzt einen Schlag aus, bevor es zu rasen beginnt. Seine Haut fühlt sich rau an, als würde er viel mit den Händen arbeiten.
Mit leichtem Druck löst er meinen Griff und dreht das Messer in meiner Hand.
Seine langen Finger umschließen meine, samt dem Messer und er führt es langsam über den Kuchen.
Gleichmäßig dringt die Klinge nach und nach in den Kirschkuchen ein und schneidet ihn in zwei perfekte Hälften.
"So geht das doch gleich viel besser", raunt er in mein Ohr und ich spüre wie er genugtuend grinst, bevor er sich langsam zurückzieht und einen seiner Kuchen schneidet.
Wie vom Blitz getroffen, starre ich auf das Geschehene vor mir. Die Röte steigt mir erneut ins Gesicht.
Wie peinlich, ich habe das Messer die ganze Zeit über falsch herum benutzt.
Nun ist es an der Zeit, endgültig im Erdboden zu versinken.
"Hey, alles gut!" Er schaut von seinem Kuchen auf und lacht, meint es aber offensichtlich ernst.
"Danke."
Mehr bringe ich nicht heraus. Ich wünschte, ich könnte auch so locker mit Situationen wie diesen umgehen und einfach darüber lachen, aber so ist es nicht. Ich finde es furchtbar unangenehm.

Nachdem ich meinen Teil der Arbeit in windeseile erledigt habe, mache ich, dass ich weg komme. Mir wäre egal wohin, am besten auf eine einsame Insel, weit weg von Alex. Stattdessen bin ich auf dem Weg ins Büro und muss befürchten, ihm jeden Moment wieder zu begegnen.
Ich finde Steffen in Annas Büro, das gleichzeitig wohl auch eine Art Pausen- und Besprechungsraum darstellt und an ein kleineres Büro angrenzt. Er begrüßt mich mit einem freundlichen Lächeln und einem verwirrten: "Wo hast du denn Alex gelassen?"
Am liebsten würde ich mit den Augen rollen.
"Alex war noch nicht ganz fertig, ich dachte, ich könnte schon einmal vorgehen", versuche ich meine Flucht abzumildern.
Steffen nickt verständnisvoll und lächelt wieder, dann wühlt er in einer Kiste vor sich und zieht ein T-Shirt heraus.
"M?", fragt er zweifelnd.
Ich nicke. "Ja, M ist gut."
"Willst du dich hier drin umziehen?"
Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, schließlich ist dies das Erdgeschoss und die Räume hinter den Fenstern werden nur durch hauchdünne Vorhänge von der Straße abgeschirmt.
Dennoch nicke ich.
Ich will nicht prüde herüberkommen und extra auf die Toilette verschwinden.
Schnell ziehe ich daher mein weißes Shirt über den Kopf, nachdem Steffen den Raum verlassen hat, und ersetze es durch ein schwarzes, das auf dem Rücken mit einem großen Logo des Theaters bedruckt ist.

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