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Karma lief viel zu schnell. Ich kam kaum hinterher. Es schien, als würde er es extra machen, denn ich bildete mir ein leises Lachen hin und wieder ein. Nach ungefähr fünfzehn Minuten, wo ich schon hinter ihm herlaufe, hatte ich die Schnauze voll und fragte: "Kannst du vielleicht bitte etwas langsamer laufen? Ich komme kaum hinterher!" Urplötzlich blieb der Rothaarige stehen. Langsam drehte er sich zu mir um. Danach schaute er mich an. Er machte nichts weiter, einfach nur mich anschauen. Kein Wort verlies sein Mund. Nicht mal eine Bewegung zeigte sich. Ich hielt sein Blick stand. Nach gefühlten fünf Minuten wandten sich seine goldbraunen Augen von meinem Gesicht ab. Sein Blick richtete sich wieder nach vorne genauso wie sein Körper und als wäre nichts gewesen lief er weiter. Doch ein was hatte sich geändert: Er lief langsamer.

Mit Karma nach Hause zu laufen, fühlte sich irgendwie komisch an. Wir sprachen kein Wort miteinander, ja wir liefen nicht einmal nebeneinander, aber er wartete, oder eher gesagt, verlangsamte seine Schritte, wenn er merkte, dass ich zurückfalle. Er nahm Rücksicht auf mich und ich hatte keine Ahnung wie ich damit umgehen sollte. Ich sah andauernd nur sein Hinterkopf und auch die Sonne, die langsam aber sicher unterging. Der Himmel zierte sich in den Farben Lila, Orange und Rosa. Sie bedeckten die Wolken, die sich dem Farbenspiel anpassten. So einen schönen Sonnenuntergang hatte ich schon sehr lange nicht mehr gesehen. Die Farben verschmolzen miteinander und kräftigen jeweils die andere Farbe beim Strahlen. Ich war so fasziniert, dass ich stehenbleiben musste. Meine Beine wollten kein Millimeter mehr weiter. Sie wollten sich erstmal den Himmel anschauen. Mein Mund öffnete sich automatisch zu einem stummen "Oh".

Karma bemerkte erst paar Meter später, dass ich stehen geblieben war. Nur aus dem Augenwinkel nahm ich zur Kenntnis, dass er sich verwirrt umsah, anscheinend suchten seine Augen nach mir. Als dein Blick endlich die gesuchte Person sah, lief er auf mich zu und starrte mich an, als wollte er stumm fragen: "Wieso bist du stehengeblieben?" Aus seinem Mund kam kein Ton, seine Augen sahen in mein Gesicht, doch meine Augen waren auf dem Himmel gerichtet, wo die Farben noch kräftiger miteinander spielten. Karma folgte meinen Blick. Auch er verfiel sofort der Schönheit des Himmels, man sah es ihm an. Sein Körper machte die gleiche Haltung wie meiner, ein stummes, faszinierendes "Oh" auf den Lippen. Wir sahen ein paar Minuten lang gemeinsam in den Himmel, bis sich die Mundwinkel von Karma bewegten, er sich zu mir umdrehte und mir mit direkten Augen zuflüsterte: "Der Himmel ist unglaublich schön und faszinierend. Mich erinnert das an eine Person die ich kenne."

Paar Minuten später, ich konnte mein Blick endlich vom Himmel beziehungsweise von Karma, nach diesen Worten, lösen, liefen wir weiter, als wäre nichts geschehen. Der Rotschopf lief immer noch vor mir her, doch ich bekam seine Worte nicht mehr aus dem Kopf. Wen meinte er damit? Kann es tatsächlich sein das Karma wirklich verliebt ist? Ich konnte ihn und die anderen in meiner Klasse noch nicht richtig einschätzen oder wusste nicht wie sie tickten, aber ich hatte schon bemerkt, dass alle zu ihrem Charakter ehrlich sind. Sie verheimlichten nicht, wer sie sind. Ganz offen zeigten sie, was sich unter ihrer Haut verbirgt. Einer nach dem anderen. Bei Karma habe ich es noch nicht so bemerkt. Ganz in Gedanken versunken, realisierte diesmal ich nicht, dass Karma stehen geblieben war. Verblüfft drehte ich mich im Stand zu ihm um und richtete mein Blick von der Straße auf ihn. Er machte genau das gleiche. Seine Körperhaltung signalisierte, dass der Spaziergang zusammen mit Karma nun vorbei war. Karma kratzte sich am Hinterkopf und sagte: "Luka, ich muss hier jetzt abbiegen. Es war cool mit dir zusammen herumzulaufen." Karms sagte was nettes! Wieder änderte sich seine Körperhaltung und diesmal sprach er mit diesem Karmagrinsen: "Aber du musst echt mehr wachsen. Ich mein es ernst. Oft hab ich gedacht, du bist weg, doch dabei bist du einfach klein! Tschüss Luka bis morgen." Mit diesen Worten ließ er mich alleine auf der Straße stehen und ich wusste nicht, ob ich jetzt lachen sollte oder wütend auf ihn sein sollte, wegen den Worten über meine Größe.

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