Chapter Five

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Chapter Five ||

Oh you got his heart and my heart and none of the pain
You took your suitcase, I took the blame
»Breakeven«

Mac

Der Weg hinab von der Bühne zieht sich in die Ewigkeit. Tosender Applaus hallt in meinen Ohren. Die Reaktion des Publikums sollte mir Freude bereiten, aber mein Blick ist starr auf den Boden gerichtet. Ich zwänge mich durch umherstehende Gäste, remple sie ohne Entschuldigung an, vergesse jeglichen Anstand und Respekt. Denn vor Augen habe ich genau ein Ziel.

Schnellen Schrittes flüchte ich zu den Waschräumen. Mir ist es egal, ob ich alleine bin oder Zeugen haben werde. Erschöpft stoße ich eine der Kabinentüren auf, darauf eingestellt jede Sekunde meinen Mageninhalt zu entleeren. Mit einer Hand an den weißen Kacheln halte ich mich aufrecht.

Warum habe ich das getan? Wie konnte es soweit kommen?

Ich wünschte, Lampenfieber wäre der einzige Grund für meinen dramatischen Abgang und nicht die verschwommenen Bilder, welche erneut Platz in meinem Kopf einnehmen wollen. Ich ringe um Atem, dränge meine Erinnerungen zurück.

Kämpfe dagegen an. Kämpfe gegen ihn an. Du hast es schon einmal geschafft.

Das Flattern in meinem Bauch beruhigt sich, ebenso der überwältigende Drang, mich übergeben zu müssen. Mein Körper ist weiterhin von einer kalten Schweißschicht überzogen.
Hinter mir quietschen Scharniere.

»Mac?«

»Hier«, krächze ich.

Eine Hand fasst mich an der Schulter. Die Berührung nimmt jegliche Anspannung, ersetzt sie durch pure Erschöpfung, die sich mehr und mehr in meinem Knochen ausbreitet. Mir ist immer noch ein wenig schummrig, nichtsdestotrotz richte ich mich auf, schließe den Klodeckel und sehe in ihre Richtung. Im Türrahmen lehnt Tate. Sie hält mir ein Glas vor die Nase. »Ich habe dir Wasser mitgebracht.«

»Danke.« Kühle Flüssigkeit befeuchtet meinen trockenen Mund, als ich einen Schluck nehme.

Tate schlägt es mit einer Handbewegung ab. Einen Moment umgibt uns Ruhe. Im Hintergrund ertönt Jeffs Playlist.

Trotz sichtlicher Unentschlossenheit, ihr Gedanke mit mir zu teilen, ergreift Tate das Wort. Sie war noch nie gut darin, Dinge für sich zu behalten. »Du warst großartig. Wie ein Superstar hast du die Bude gerockt. Sogar Jeff hätte fast ein kleines Grinsen zustande gebracht.«

Hitze steigt mir in die Wangen. Tate hat mich schon oft singen hören. In unserer Wohnung kann man das Chaos aus Klavier, umherfliegenden Notenblätter und meiner Gitarrensammlung kaum übersehen, ähnlich mit ihrer Staffelei und den verstreuten Pinseln. Ich liebe das Apartment, weil es genau das repräsentiert, was wir beide sind. Sie, die begabte Künstlerin, und ich, eine Musikerin ... welche eine Panikattacke erleidet, sobald sie eine Bühne betritt. Oh ja, Mac. Du kannst richtig stolz auf dich sein. Ich sollte mich schleunigst nach etwas Neuem umsehen – weniger nervenaufreibend.

Dennoch trifft mich ihr Kompliment unerwartet. Ich fühle mich entblößt, schutzlos ausgeliefert. Als hätte ich einen sehr verletzlichen Teil von mir der Welt auf einem Silbertablett serviert. Na schön, nicht der gesamten Menschheit, aber eindeutig mehr Zuschauern als üblich.

Kaum stand ich auf der Bühne, mutierte ich zu einem Nervenbündel. Denn mein Herz ist untrennbar von der Musik. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Wenn ich singe, gebe ich meinem Innersten freien Lauf. Heraus kommen keine Beschönigungen des Lebens, sondern mein wahres Ich und das Gefühlschaos, das ich wie eine Reisende in vollgepackten Koffern überallhin mitschleppe.

𝐇𝐢𝐫𝐚𝐞𝐭𝐡 - 𝐚𝐥𝐦𝐨𝐬𝐭 𝐥𝐨𝐯𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt