Oh, Ophelia, you've been on my mind girl like a drug
Oh, Ophelia, heaven help a fool who falls in love
»Ophelia«Das unerwartete Auftauchen meiner Schwester versetzte mich in einen Schockzustand. Diverse Emotionen sprudelten auf mich ein, dass ich nicht filtern konnte, welche zuerst die Ehre gebührte. Freude, weil Phee vor mir stand. Sorge, weil sie zurückgekommen war. Misstrauen, Erleichterung, Wut, Liebe, Angst. Diese beschissene Angst. Ein permanenter Wegbegleiter, den man nicht abschütteln kann. Angst, sie noch einmal zu verlieren. Angst davor, was sie mir über die vergangene Zeit erzählen würde. Dieses Gefühlskarussell drehte sich in rasender Geschwindigkeit, dass ich Platz nehmen musste. Wie ich sie liebe und kenne, bewahrte Tate einen kühlen Kopf. Fragte, ob sie Hunger oder Durst hatte – »Nein.« – oder müde wäre – »Etwas«. Daraufhin wurde Phee auf dem Sofa ein Schlafplatz eingerichtet.
In der Nacht kreisten meine Gedanken um alles und nichts. Dass meine verschwunden geglaubte Schwester einen Raum weiter tief und fest schlief, machte das Einschlafen zur Unmöglichkeit. Irgendwann hielt ich es keine weitere schlafsuchende Umdrehung mehr aus.
Auf dem Sofa wälzte Phee sich unruhig von einer Seite auf die andere. Sogar im Schlaf spiegelte sich die Anspannung wider, als wäre sie allzeit bereit, sich im Abwehrposition zu bringen. Ich strich ihr eine hellblonde Haarsträhne aus dem Gesicht, um ihre Miene genauer zu studieren. Die aufgetragene Make-up-Schicht verbarg ihre knapp zwanzig Jahre.
Kurz nach Moms Tod konnte ich Phee nicht in die Augen schauen. Die Erinnerung an das Verlorene machte mich monatelang blind. Mom war gegangen – eigentlich schon an jenem Tag, als sie die Diagnose auf einen unheilbaren Brustkrebs erhalten hatte –, mein biologischer Vater scherte sich einen Dreck um mich. Trotz alldem hatte ich eine Schwester und ihre Eltern, die mir ein Dach über den Kopf boten. Ab dem Zeitpunkt der Erkenntnis holten wir jede gestohlene Sekunde nach.
Wie an jedem Menschen hinterließ die Pubertät auch an Phee ihre Spuren. Meine Schwester war nicht länger schön, sie wurde atemberaubend. Eine geheimnisvolle Aura verschaffte ihr den Staus eines mysteriösen Rätsels, das es zu entwirren galt. Ihre Unnahbarkeit faszinierte die Menschen und zog sie unwiderruflich in ihren Bann. Kläglich scheiterten Highschool Jungs dabei, Eindruck zu schinden, die Mädchen bei dem Versuch, ihr nachzuahmen. Phees Erscheinungsbild ließ die Menschen im Glauben, sie wäre ein schwaches Püppchen. Allerdings hatte meine Schwester früh ihre Unabhängigkeit gefunden. Damals gelang es einem kaum, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Phees Selbstvertrauen kannte keine Grenzen, wobei ihre Sturheit ätzend und bewundernswert zugleich waren.Das ist die Tragik in Phees Geschichte. Die unabhängige Kriegerprinzessin war an den Bösewicht geraten, der es geschafft hatte, sie zu brechen. Nur das ich nicht zulassen würde, dass dies das Ende ist, sondern erst der Anfang von etwas Größerem.
Sogar in der Dunkelheit erkannte ich, dass Phees Selbstbewusstsein an Leichtigkeit und Stärke verloren hatte. Ohne Frage war sie immer noch hübsch. Beinah zu märchenhaft schön, um wahr zu sein, trotz der dunklen Augenringe, die verrieten, dass Schlaf in letzter Zeit ein Luxus war, dem sie selten nachgab. Normalerweise besaß Ophelia große, unschuldige, karamellfarbene Augen, plumpe, rosige Lippen, hohe Wangenknochen, die ihrem Gesicht eine schmale und ernstzunehmende Struktur verliehen. Sie war das Ebenbild unserer leiblichen Mutter. Von dem blonden Haar, das von sich aus uneinig war, ob es eher glatt oder lockig sein wollte, bis zur kurvigen Figur und das zurückhaltende, aber ehrliche Lächeln. Jetzt wirkten ihre Kurven ungewollt prägnant, als wären sporadische Mahlzeiten schuld an ihrem Gewichtsverlust. Das matte Haar war spröde, ihre Fingernägel abgekaut, die Lippen rissig, ihre Haut von einem fahlen Schimmer eingenommen. Sie sah fertig aus. Und ich war mir nicht länger sicher, ob es an der Schminke lag, die sie zehn Jahre älter aussehen ließ, oder die Abdrücke des Lebens, welche sich früher oder später an jeden von uns abzeichnen.
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𝐇𝐢𝐫𝐚𝐞𝐭𝐡 - 𝐚𝐥𝐦𝐨𝐬𝐭 𝐥𝐨𝐯𝐞
RomanceIch würde alles für die Menschen in meinem Leben tun, die ich liebe. Auch wenn es bedeutet, eine Straftat einzugehen, von der ich annahm, sie verlief wie am Schnürchen. Bis er auftauchte und mir das Gegenteil beweist. Er ist abweisend, arrogant und...