XI

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William POV

Grells Stimme zitterte und ich wusste, dass er die Augen nicht aufmachen wird. Er will nicht, dass ich die Tränen sehe, die vor einigen Sekunden noch wie tausend kleine Diamanten in seinen Augenwinkeln glitzerten. Ich kam ihm einen Stück näher und spürte, wie durch Grells Körper ein Schauder zuckte. Wahrscheinlich konnte er meinen Atem auf seinen Wangen spüren. "Ich weiß, dass du nicht wegen dem Outfit so lange im Zimmer geblieben ist.", sagte ich sanft und bedacht darauf, überzeugt zu klingen. Grell würde bei dem kleinsten Zweifel in meiner Stimme die Flucht ergreifen. Und das wollte ich unbedingt verhindern. Grell öffnete langsam seine Augen und begnete meinem Blick. Seine sonst so lebendigen, grünen Augen wirkten matt und erschöpft. "Was weißt du schon? Du hast doch gar keine Ahnung.", murmelte er fast lautlos und senkte wieder seinen Kopf. Diesmal ergriff ich seine Hand und strich unbewusst über seinen Handrücken. "Ich weiß ganz genau dass dich etwas beschäftigt. Wir arbeiten schon so viele Jahre zusammen, Sutcliff. So etwas fällt mir auf." Grells andere Hand schnellte vor und hätte mich ins Gesicht getroffen, wenn ich sie nicht im letzten Moment aufgehalten hätte. "Genau das ist das Problem!", schrie er. "Es ging immer nur um die Arbeit, nichts weiter! Du hast deinen Job schön mit Bravour erledigt, während ich mich Hals über Kopf in einen unglaublich törichten und emotionslosen Shinigami verliebt habe!" Das Matte verschwand aus Grells Augen. Stattdessen funkelten sie jetzt wegen den Tränen, die ihm wieder hochstiegen. Sie funkelten auch wegen dem Zorn, den er auf mich verspürte. Ohne weiter darüber nachzudenken, pinnte ich seine Hände über ihm an den Balken. Grell schrie kurz erschrocken auf. "Es hat dich keiner dazu gezwungen, dich in mich zu verlieben." Ich beugte mich so weit vor, bis ich von Grells Mund nur noch einige Zentimeter entfernt war. Der rothaarige blieb stumm und starrte auf meinen Mund, während seine Wangen jeden Rotton durchliefen, den die Welt zu bieten hatte. Da er mir nicht widersprach und/oder sich von mir abwandte, fuhr ich fort: "Mein Job ist nunmal sehr wichtig für mich und ich hasse es, wenn ich bei meinen Pflichten von irgendjemanden gestört werde." Bevor ich noch einen Satz hinzufügen könnte, unterbrach Grell mich: "Das habe ich auch schon gemerkt. Aber danke, dass du mich daran erinnert hast. Ich hätte es fast schon vergessen." Etwas an seinen Worten traf mich. Er klang so kühl, als er sie aussprach und sie erreichten einen so tiefen Punkt in meiner Brust, den nicht einmal das längste und schärfste Messer hätte treffen können. So gefühlskalt hat Grell noch nie mit mir gesprochen. Ich schluckte und wollte wieder zu einem weiteren Satz ansetzen, als Grell weitersprach: "Und wenn ich dir doch so auf die Nerven gehe, hättest du ja einen Partnerwechsel beantragen kö-" "HÄLST DU MAL DEN MUND?!", schrie ich aus heiterem Himmel. "Ich will dir etwas erklären, aber das geht nicht, wenn du mir immer dazwischenfunkst." Ich sah Grell tief in die Augen und sah die unterschiedlichsten Gefühle darin: Traurigkeit, Wut und...Hoffnung. Seine Augen durchbohrten mich neugierig und er presste die Lippen zusammen. Ich atmete tief durch und sprach endlich die Worte aus, die mir schon so lange auf der Zunge lagen: "Und ich lege mich bei meinem Job nur aus einem einzigen Grund so ins Zeug: weil ich auf diese Weise mit dir zusammen sein kann." Grells Augen weiteten sich und musterten mich ungläubig. "I-Ich verstehe das ni-" "Lass mich ausreden.", entgegnete ich. Es blieb still und keiner sagte etwas, bis Grell unmerklich nickte und ich fortfahren konnte: "Du warst schon immer besser als ich. In der Ausbildung zum Shinigami warst du der beste und ich nur Zweitplatzierte. Du warst in allem perfekt." Ich lachte leise. "Und ich hatte schon immer das Gefühl, dass ich dich niemals erreichen könnte. Weil unsere Fähigkeiten Welten trennten." "William..." Ich legte Grell einen Finger auf den Mund, um ihn zum schweigen zu bringen. Am liebsten hätte ich ihn mit einem Kuss zum schweigen gebracht, aber sonst hätte ich nicht weitersprechen können. "Sogar heute habe ich noch das Gefühl, dass ich nicht gut genug bin. Und deswegen stoße ich dich immer von mir weg. Obwohl es das letzte ist, was ich will." Meine Unterlippe zitterte und ich merkte viel zu spät, dass ich kurz davor war, in Tränen auszubrechen. Aber bevor das passieren konnte legte Grell seine Arme um mich. Und als seine Lippen auf meine trafen waren unsere Tränen vergessen.

One Hell of a WGWo Geschichten leben. Entdecke jetzt