Kapitel 4.

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Jason

Ich hätte ihn nicht provozieren sollen. Und ich bereute es.
Keine zwei Sekunden später lag ich am Boden. Stöhnend. Blutend. Kurz vor einer Ohnmacht.
Die ganze Welt drehte sich vor meinen Augen.
"Jay! Verdammt!" Jemand - Mik - packte mich unter den Achseln und schleifte mich weg. Raus aus der Sonne. In den Schuppen. Es war angenehm kühl. "Was fällt dir ein?" Mik ließ mich auf dem Boden liegen.
Ich schloss die Augen. Ruhe.
So langsam hörte die Welt auf sich zu drehen. Aber mir war schlecht. Unglaublich schlecht. Wie hatte er es geschafft, dass ich so zerschlagen war? Nach nur wenigen Sekunden? Ich hatte es ja nicht einmal mitbekommen. 
"Okay, komm her, Jay." Mik half mir mich aufzusetzen und drückte mir eine Flasche Wasser in die Hand. Ganz vorsichtig schraubte ich sie auf.
"Du weißt hoffentlich, dass das scheiße war. Riesiger Mist. Warum, Jay?" Er war enttäuscht. Und am liebsten hätte er mich geohrfeigt, aber ich fühlte mich bereits als wäre ich vorn Bus gerannt. Und Mik sah das auch. Er war kein Monster. Er war sauer, aber er würde nie  mehr Schmerzen zufügen.
"Ich war wütend, okay?", murmelte ich.
"Du bist immer wütend. Ich kenne dich nicht wirklich anders."
"Ja. Ich weiß. Und? Meinst du das scheiß Leben hier macht etwa Spaß?" Ich spuckte vor mir auf den Boden. Blut. Spucke. Er hatte mich hart erwischt. Aber das Leben auf der Straße war härter. Viel härter.
"Jay!" Mik griff mein Kinn. Ich biss die Zähne zusammen. "Meinst du, es macht mir Spaß, Jay? Glaubst du das?" Er sah mir direkt in die Augen.
Ich kannte die Antwort. Mik hatte noch viel mehr verloren als ich damals. Er hatte viel mehr durchgemacht. Und trotzdem hörte er nie auf zu kämpfen und zu hoffen.
Und eigentlich hätte ich klein beigegeben. Mik hatte mir geholfen, stark zu werden. Meine Freunde zu beschützen. Aufzusteigen. Etwas Geld zu verdienen. Nicht abzurutschen.
Aber heute, heute war ich zu wütend dafür. Wegen allem. Und weil ich verloren hatte.
Ich schlug Miks Hand weg und rappelte mich auf.
Oh. Alles drehte sich wieder.
Aber ich riss mich zusammen und hielt mich an dem nächsten Regal fest. "Nein. Es ist scheiße. Dieses Leben ist scheiße. Was soll das alles noch? Teddy ist verloren! Und dieser Typ - "   
"Was ist mit mir?", unterbrach mich eine tiefe Stimme. "Willst du etwa eine Revanche?" 
Ich atmete tief durch. Ich hob den Blick. Und erstarrte.
Dieser intensive Blick ließ mich zu Eis erfrieren. Eisblaue Augen. Eisblau.
Sie waren genau gleich.
Ich schnappte nach Luft. Versuchte durchzuatmen. Irgendwie.
Es waren seine Augen. Seine.
Es kostete mich alle Kraft, die ich noch hatte, um mich loszureißen und den Schuppen zu verlassen.
Ich wollte ihn verlassen.
Aber eine große, raue Hand schoss vor und hielt mich auf. Hielt meinen Oberarm fest. Bestimmend. Sanft.
Und ich stand da und rührte mich nicht mehr. Mein Herz raste. Schweiß stand mir auf der Stirn. Ich kniff die Augen zusammen.
Jetzt konnte ich es nicht mehr verhindern.
Die Erinnerungen brachen einfach aus mir hervor.

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