✖Kapitel 6✖

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Ich träumte. Das war eigentlich nichts Ungewohnliches bei mir, doch dieser Traum war anders. Normalerweise waren die meisten meiner Träume in hellen, bunten Farben gemalt, mit Farbexplosionen zu vergleichen (natürlich im übertragenen Sinne).

Doch dieser Traum war tiefschwarz, rußgrau und schwefelgelb.

Kein bonbonrosa.

Kein zuckerwattewolkenblau.

Kein pistaziengrün.

Kein elefantensindnichtlilaabertrotzdemlila.

Alles in allem: nicht bunt.

Ich war am Meer, zusammen mit River. Wir unterhielten uns, als sie plötzlich begann, sich zu drehen. Ihre Worte wurden leiser und züngelten wie kleine Schlangen aus ihrem Mund, während sie langsam abhob und ihre Arme ausbreitete.

Draußen im Meer türmten sich haushohe Wellen auf, die immer näher und näher kamen. Das Wasser hatte jeden türkisgrünen Schimmer, jedes tiefe blau verloren, es war sturmgrau.

Die höchste Welle von allen brach. Glück gehabt? Naja, so würde ich es jetzt nicht nennen.

Die Wassermassen ergossen sich über mir und zogen mich aufs Meer hinaus. Panisch krallte ich meine Finger in dem Sand, doch River lachte böse, schnippste mit dem Finger und löste sich in Luft auf.

Dann packte etwas meinen Fuß und zog mich in die Tiefe.

Ich weiß, was du jetzt denkst. »Der Typ gehört in die Klapse.«

Wäre vielleicht sogar besser gewesen.

Nachdem ich schweißgebadet aufgewacht bin, konnte ich nicht mehr einschlafen. Ich versuchte es erst gar nicht, ich kannte mich schließlich gut genug, um zu wissen, dass es nichts bringen würde.

Also verließ ich das Haus und setzte mich in Boxershorts und dem löchrigem T-Shirt einer Punk-Band in den Polo.

Wohin ich fahren wollte, wusste ich selbst nicht. Ich wusste nur, dass es mich beruhigte.

Annapolis hatte etwas idyllisches bei Nacht. In dem runden Lichtkegeln der Straßenlaternen zogen Mücken und andere Insekten ihre Kreise und hier und da wiegte sich ein etwas krumm gewachsener Baum im Wind.

Irgendwann blieb ich am Straßenrand  stehen.

Neben mir war ein Haus.

Alle Lichter waren aus, bis auf eines. Schwacher Lichtschein fiel durch den dünnen Vorhang hindurch und ließ mich Umrisse der Einrichtung erkennen.

Eine Silhouete verharrte in ihrer Bewegung und warf einen Schatten auf den Vorhang. Sie zog in beiseite und beobachtete mich. Ich konnte ich Gesicht nicht genau erkennen, doch es war mit großer Wahrscheinlichkeit eine Frau.

Die Frau blieb einige Minuten dort stehen, als sie ihr Gesicht zu einer wutverzerrten Grimasse formte, ihren Mund aufriss und aus Leibeskräften schrie.

Ich glaube, nie zuvor in meinem Leben habe ich das Gaspedal so sehr durchgedrückt wie in diesem Moment.

Wieder zu Hause sperrte ich zitternd die Haustür ab und schlich in mein Zimmer. Als ich mit der Decke über dem Kopf da lag, realisierte ich erst vollständig was und vor allem wo sich das abgespielt hat.

Das war Rivers Haus.

FuriousWo Geschichten leben. Entdecke jetzt