8 - Ein Wiedersehen

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Überarbeitet am 22.07.2021

Vor lauter Erleichterung weinte ich wieder los, bevor ich mich einfach auf ihn drauf fallen ließ und die Arme um ihn schlang.
"Gaaah....", stöhnte er, und erschrocken zuckte ich zurück.
"Ich mag vielleicht nicht tot sein, aber die Wunde ist trotzdem echt", knurrte er.
"Tut mir leid... Zeig her, wie schlimm ist es?"
"Nur ein Kratzer", behauptete er. Ich sah ihn kritisch an, bis er genervt seufzend sein Gewand öffnete. Ich zwang mich, den Mund geschlossen zu halten und seinen Oberkörper nicht anzustarren, als ich mir die Stelle ansah, an der das Schwert eingedrungen war.
"Du hast Glück gehabt. Das ging ganz knapp am Herzen vorbei", stellte ich fest.
"Wenn man nach Thor und den anderen geht, besitze ich doch sowieso keines", lachte er bitter.
"Tja, physisch schon. Die Wunde ist schlimm, aber nicht tödlich. Du wirst noch ein paar Stunden pfeifen, die Lunge ist verletzt, aber dann sollte das Gröbste verheilt sein."
Ich zog ihn wieder an und schob dann den Arm unter seinem hindurch, um ihm beim Aufstehen zu helfen. Er zog scharf die Luft durch die Zähne.
"Das ist schmerzhafter, als ich dachte, dass es werden würde", gab er zu.
Ich sah ihn an, und er erwiderte meinen Blick. Mein Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln, und dann fing ich an zu lachen. So frei hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt, genauer gesagt seit anderthalb Jahrtausenden nicht. Er war am Leben, und das würde auch so bleiben. Ich hatte meinen Job gut gemacht. Thor würde sich um Malekith kümmern, und ich würde Loki jetzt zurück nach Asgard bringen.

Schon ein paar Minuten später humpelte Loki schon wieder allein, auch wenn ihn jeder Schritt schmerzte. Wir unterhielten uns über Asgard, ich erzählte ihm von meiner Zeit damals und im Gegenzug erfuhr ich von ihm Geschichten aus seiner und Thors Kindheit. Auch von Frigga sprach er, und obwohl ich wusste, dass er unter ihrem Tod litt, hörte ich die Wärme in seiner Stimme, wenn er ihren Namen erwähnte. Er war nur ein junger Mann, der seine Mutter innig liebte. Dass er wütend geworden war, als er erfahren hatte, dass sie nicht seine leibliche Mutter war, konnte ich mir zu gut vorstellen. Und dass ihr Tod die sowieso schon angestaute Wut gegen Odin nochmal verstärkt hatte, verstand ich auch. Ich hatte ihm schon längst verziehen, dass er mich so beleidigt hatte. Ich hatte heute gesehen, dass ein gutes Herz in ihm steckte, auch wenn er vielleicht selber nicht daran glaubte.
Wir erreichten das Schiff und erklommen es, und doch erzählte er immer weiter.
"...und einmal habe ich Thor in einen Frosch verwandelt. Das war wirklich amüsant, wie er dann empört quakend hinter mir her sprang! Mutter hat ihn schließlich zurück verwandelt, ich konnte einfach nicht aufhören zu lachen."
Er lächelte bei der Erinnerung, und auch ich musste kichern. Ich hatte Thor als Frosch deutlich im Kopf und hätte mich vor Lachen wahrscheinlich auch nicht halten können, wenn ich dabei gewesen wäre.
Loki drehte den Kopf und sah mich an. Wir saßen nebeneinander auf dem Boden des Schiffes, wollten erst einmal den Sturm an uns vorbeiziehen lassen, bevor wir losflogen.
"Ich bin erstaunlich redselig, wenn ich bei dir bin", bemerkte er.
"Das ist mir aufgefallen. Du schienst eigentlich eher der verschlossene Typ zu sein." Ich trommelte mit den Fingern auf meinem Knie herum, doch plötzlich ergriff er meine Hand.
"Ich denke, es hat etwas damit zu tun, dass ich dir vertrauen kann", murmelte er, während er unsere verschränkten Hände eingehend studierte, als würde er dort eine Antwort finden.
"Schon in New York hast du mich geschützt, obwohl ich doch eindeutig als der Böse auftrat und deine Absichten gut waren. Und dann hast du den Verbrecher auch noch in seiner Zelle besucht und mir damit geholfen, diese Gedankenkontrolle loszuwerden. Heute hast du neben mir gekämpft, als kannten wir uns schon tausend Jahre, obwohl Thor genauso Hilfe gebraucht hätte. Wieso?"
Ja, wieso eigentlich? Am Anfang waren meine Motive klar gewesen, Thor war kampftechnisch einfach der stärkere der beiden, und ich hatte mich entscheiden müssen, wen von beiden ich schützte. Aber jetzt? Wie er gesagt hatte, Thor hätte heute ebenfalls Hilfe gebraucht.
"In New York hatte ich eine Wahl zu treffen. Du standest vor der Selbstzerstörung, und Thor hatte die Avengers an seiner Seite. Sicher fand ich es nicht gut, was du getan hast, aber ich musste dein Leben schützen, und das habe ich getan. Außerdem war ich mir sicher, dass kein Asgardianer von Grund auf so böse sein kann. Du bist zwar keiner, aber... Da das Zepter Gedanken kontrolliert, hatte ich schon die Theorie, dass auch du manipuliert wurdest. Und jetzt... ich habe ein paar Einblicke in deine Seele bekommen, und ich habe Gutes gesehen, Loki. Ich weiß, was du fühlst, noch bevor du es zeigen kannst, wenn du das überhaupt tust. Und darüber bist du mir ans Herz gewachsen. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn du heute wirklich gestorben wärst", gab ich zu.
Er sah mich wieder noch an. Er hatte sich keinen Millimeter bewegt, sondern nur aufmerksam zugehört. Und jetzt verzog er das Gesicht zu einem traurigen Lächeln.
"Außer meiner Mutter bist du die Einzige, die je etwas Gutes in mir gesehen hat. Für alle anderen war ich immer nur der zurückgezogene, arrogante, herrschsüchtige Loki. Akzeptiert, aber nicht gemocht. Und dann tauchst du auf, nach 1500 Jahren auf der Erde, die letzte Walküre, und setzt dich mit einer Inbrunst für mich ein, die ich selbst Frigga nicht so hätte entgegenbringen können. Ich habe nicht verstanden, was dich dazu getrieben hat, aber jetzt... Svane, du bist mir ebenfalls wichtig geworden. Du kannst meine Gefühle auf eine Weise offen legen, die mich selbst verwirrt. Bist du dir sicher, dass das nicht deine Gabe ist?"
"Ich - ich weiß es nicht", stotterte ich.
"Wenn es so wäre, weiß ich nichts davon. Aber wieso sollte es erst jetzt, bei dir auftauchen?"
"Das weiß ich auch nicht, aber das ist nicht normal. Nicht einmal meiner Mutter gegenüber war ich jemals so offen."
Ich wusste nichts mehr zu sagen, also schwiegen wir beide, beobachteten, wie der Sturm sich langsam legte.
"Sollen wir zurückfliegen?", fragte ich in die Stille hinein.
"Ja, ja, das sollten wir." Er räusperte sich und entzog mir seine Hand, um das Schiff zu starten. Ich bedauerte fast schon, diesen Vorschlag gemacht zu haben. Es hatte etwas Beruhigendes gehabt, hier so zu sitzen.

Secret Savior ||| LokiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt