Secret Savior ||| Loki

6 - Zusammenbruch

Überarbeitet am 22.07.2021

- Loki -

"Es tut mir so leid. Ich kam zu spät, ich konnte sie nicht beschützen."
"Es ist Mutter, oder?"
"Du hast einen einzigen Job als Walküre, und der ist es, die Königsfamilie zu beschützen! Wieso bekommst du dann nicht einmal das hin?!"
"Loki, ich habe es versucht. Ich habe sie im ganzen Palast gesucht, um genau das zu verhindern. Hätte ich gewusst wo ich sie finde..."
"Pah, du bist genauso unfähig wie mein Bruder! Sag mir, wo war er? Hat er seine kleine Sterbliche beschützt?"
"Nur damit du es weißt; Thor war eher dort als ich, und sogar er war zu spät. Ebenso wie Odin."

Immer und immer wieder spann sich dieser Dialog in meinem Kopf ab. Die ganze Nacht lag ich wach und hörte immer und immer wieder dieselben Worte, realisierte immer und immer wieder dass meine Mutter tot war, erkannte immer und immer wieder, dass ich ihr nicht hatte helfen können.
Frigga. Die Frau, die meine ganzen Jahrhunderte mit mir überdauert hatte, nie meine Erzeugerin gewesen war, aber doch stets meine Mutter. Eine liebevolle, großherzige Person, die mich meine Magie gelehrt hatte, die immer stolz auf mich gewesen war, die auch als ich schon hier in der Zelle saß noch hinter mir stand und nur mein Wohlbefinden im Sinn hatte.
Ich schrie meine Wut heraus, ließ sie am Mobiliar aus, trat blind vor Zorn überall gegen, bis mir die Füße bluteten. Und dann brach ich zusammen. Die Wut hatte mich aufrecht gehalten, aber jetzt überkam mich die Trauer. Halbwegs geistesgegenwärtig erschaffte ich ein Trugbild um mich herum, während ich an die Wand gelehnt da saß und mir die Seele aus dem Leib schluchzte.
Warum hatte ausgerechnet sie sterben müssen? Warum hätte es nicht Odin treffen können, den einfältigen Narren? Der mächtige Allvater, der es nicht einmal schaffte die Frau zu schützen, die er angeblich so geliebt hatte? Warum nicht einen der Soldaten? Oder Thor! Der erst wieder, mit seinem Menschenmädchen. Er hatte die Augen doch wahrscheinlich nicht von ihr lassen können. Armes, schutzloses Ding. Von mir aus hätte sie sterben können, welchen Mehrwert brachte sie auch? In spätestens 70 Jahren wäre sie tot und Thor stünde wieder alleine da. Ja, es wäre besser gewesen der edle Herr hätte sich um seine Mutter gekümmert anstatt um Jane. Oder noch besser, hätte er sie gar nicht erst hier angeschleppt! Er war doch erst schuld! Hätte er das Weib auf der Erde gelassen, wären die Dunkelelfen nie hierher gekommen, wäre Frigga noch am Leben!
Ich kniff meine Augen zu, wollte mich in das bittersüße Vergessen des Schlafes hüllen, aber vergeblich. Sobald ich die Augen schloss, hatte ich Bilder vor mir. Frigga ohne Kopf. Frigga, reglos am Boden, in einer Blutlache, die ihr Kleid verfärbte, Frigga, halb verbrannt, wie die Soldaten, die das Monster gestern hier im Kerker getötet hatte. Und immer stand ein Abbild meiner selbst daneben, mit Fesseln zur Bewegungsunfähigkeit verdammt und entsprechend tatenlos. Warum musste ich nur hier unten sitzen? Ich hätte sie beschützen können, wenn ich dort gewesen wäre....
Wenn, ja. WENN.
WENN ich mich nicht mit Thanos eingelassen hätte. WENN ich nicht dazu gezwungen worden wäre, New York anzugreifen. WENN ich nicht versagt hätte und WENN ich nicht hier gelandet wäre. Und selbst wenn diese Faktoren nicht gegeben wären, hätte ich immer noch zu diesem Zeitpunkt bei Frigga sein müssen.
Bei Odin, ich war so gnadenlos erbärmlich und wertlos, wie ich hier verrottete! Keinen Finger hatte ich rühren können!
Ich war tatsächlich ein Monster, ich konnte es nicht anders sagen. Natasha Romanoff hatte es mir in der Zelle im Helicarrier schon gesagt, und hier bemerkte ich es selbst. Selbst meine Mutter hatte ich so kurz vor ihrem Tod noch zutiefst verletzt. Jetzt würde ich nicht einmal mehr die Gelegenheit bekommen, sie um Verzeihung zu bitten.
Wieder einmal tauchte Frigga vor meinem inneren Auge auf, mit demselben rot gefärbten Kleid wie vorhin schon einmal. Aber diesmal stand sie aufrecht, sah mich an.
"Loki, wieso hast du das zugelassen?"
Ich fing wieder an zu weinen. Die Vorwürfe aus dem Mund meiner Mutter zu hören, mit derselben lieblichen Stimme, mit der sie mir früher immer vorgelesen hatte, war noch schlimmer, als sie mir selbst vorzuwerfen.
"Es tut mir leid", flüsterte ich.
"Ich war hier gefangen..."
"Ich spreche nicht von meinem Tod, Loki. Ich meine Thanos. Wie konntest du zulassen, dass er dich kontrolliert?"
Verwirrt sah ich sie an. War sie wirklich hier?
"Ich... er hat mir versprochen, mich zu dem zu machen, was ich sein wollte - ein König, würdig, mich Odins Sohn zu nennen. Er gab mir das Zepter, mit der Aussage, es würde mir die nötige Macht verleihen."
"Doch er hat dich nur benutzt."
"Ich merke es erst jetzt. Ich wusste nicht, dass er mich kontrolliert. Der Zauber war stark."
"Natürlich war er das. Dieses Zepter beinhaltet eins der mächtigsten Relikte dieses Universums, ähnlich dem Äther und auch dem Tesserakt. Deswegen hättest du es nicht annehmen sollen."
"Wie hätte ich das ahnen können?"
Ihr Mund verzog sich zu einem bitteren Lächeln.
"Ich hätte dich noch so viel lehren müssen, mein Sohn. Doch meine Zeit ist vorüber. In Zukunft wirst du dir dein Wissen nur noch selbst aneignen können. Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich dir nicht die Schuld an meinem Tod gebe. Du hättest nichts tun können, genauso wenig wie dein Bruder, genauso wenig wie Svane. Ich habe mein Schicksal akzeptiert, als ich mich entschied, Jane zu beschützen, und ich bereue es nicht. Keiner von euch trägt Schuld an meinem Tod. Auch Thor nicht, falls du das denken solltest. Ihr beide seid meine Söhne, und ich liebe euch, auch wenn in deinen Adern nicht mein Blut fließt. Und ich werde dich immer lieben, Loki. Vergiss das nicht."
Ihr Körper begann, sich aufzulösen, und panisch griff ich nach ihr.
"Warte!"
Es war zu spät, sie war weg. Nur ihre letzten Worte blieben in meinem Kopf zurück.
Ich werde dich immer lieben. Vergiss das nicht.
Über diesen Gedanken konnte ich schließlich einschlafen.