Kapitel 1 || Unterbewusstsein

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Kostas POV

(Die Weckermelodie ist oben verlinkt)

Ich sah sein Gesicht. Ein kantiger Kiefer, Lippen, die verspielt zu einem Schmollmund verzogen waren, makellose Haut, rehbraune Augen und dominante Augenbrauen. Er war perfekt. Wie in Zeitlupe streckte ich meine Hand aus und strich über seine Wange. Er schloss die Augen und ihm entfloh ein warmes Lachen. Langsam öffnete er den Mund, doch bevor er etwas sagen konnte, durchzuckte mich ein Schock. Reflexartig zog ich meine Hand zurück, woraufhin ihm die Gesichtszüge entglitten. Besorgt, aber enttäuscht, entfernte er sich gerade weit genug von mir, dass meine Hand, die ich nun wieder nach ihm ausstreckte, ihn nicht mehr erreichen konnte. Sein mittlerweile ernster Blick brannte sich in meinen Kopf, und das Bild begann, sich aufzulösen. Zuletzt verschwand das fast strafend aussehende linke Auge mit der kaputten Braue...

Sanft, immer lauter werdend, erschallte die Melodie „Morning" aus Naruto, die mich daran erinnerte, dass Montagmorgen war. Ich war wach. Wie lange hatte ich damit verbracht, ihn anzustarren, sodass ich sein perfektes Gesicht im Traum reproduzieren konnte? Ich versuchte mich aufzurichten und sofort verdunkelte sich mein Augenlicht. Ich fasste mir an den Kopf und gab mir einen Moment, wirklich wach zu werden. Kurz nach dem Aufwachen schaffte ich es nie, über die Botschaft meines Unterbewusstseins nachzudenken, die es mir in Gestalt von Träumen unterschwellig mitzuteilen versuchte. Ich lauschte noch kurz der mittlerweile zu laut gewordenen Weckermelodie, der mein jähes Erwachen zu verschulden war, bevor ich auf die blinkende Schaltfläche „Dismiss" tippte, um sie schließlich verstummen zu lassen.

Mein Name ist Kostas Dennis Weiß. Ich bin 17 Jahre alt und besuche die 12. Klasse eines Gymnasiums in einem Vorort von Berlin. Meine Mutter war - wie jeden Montagmorgen - bereits viel früher aufgestanden, um zur Arbeit zu fahren, die 2 Autostunden entfernt lag. Sie arbeitet seit 2 Jahren wieder halbwöchig, bis Mittwochmittag würde sie also nicht wieder zurück sein, da sie für diese Zeit bei ihren Eltern blieb, die nahe ihrem Arbeitsplatz wohnten. Obwohl sie eher konservativ eingestellt war, ist sie immer tolerant und einfühlsam gewesen, was sie lange zu meiner Bezugsperson gemacht hatte. Meinen Vater sah ich nicht oft, aber ich vermisste ihn eher selten. Er arbeitet die ganze Woche von früh bis spät, allerdings wunderte ich mich seit einiger Zeit nicht mehr darüber, ihn nicht einmal mehr am Morgen zum Frühstück zu sehen, was offensichtlich auch heute der Fall zu sein schien.

Anstatt die Tatsache zu hinterfragen, schob ich den Gedanken, genau wie meinen Traum, zur Seite, und weckte meinen kleinen Bruder Florian. Der kleine war jetzt schon acht Jahre alt und hatte bald die Grundschulzeit hinter sich. Trotzdem musste man ihn wecken und sicherstellen, dass er sich für die Schule vernünftig fertigmachte. Dass meine neunzehnjährige Schwester Julie und ich, die wir nun beide fast erwachsen waren, eher locker aber dennoch gewissenhaft mit unseren Pflichten umgingen, war ihm ein Vorbild. Bei seiner kindlichen Sorglosigkeit konnte das schnell bedenklich werden, vor allem, wenn es um die Schule ging. Julie war mittlerweile auch aufgestanden und belegte jetzt das Badezimmer. Kurz kontrollierte ich die Uhrzeit - 7:21 - also wurde es langsam eng.

„Flo, hey. Guten Morgen. Du musst aufstehen, gleich geht die Schule los." sagte ich leise, aber ich wusste, dass er mich hörte. Als er sich nicht bewegte, rüttelte ich ihn sanft. Er verzog das Gesicht und stöhnte genervt. „Ich will aber nicht... Ich hab' Bauchweh." - „Ja, genau. Ich auch", belächelte ich seine Standardausrede und kitzelte ihn. Schlagartig öffnete er seine Augen und fing laut an zu lachen und sich zu winden. Mein Bruder sah mir nun hellwach, lachend ins Gesicht. „Guten Morgen Kostas. Wieso weckst du mich? Wo ist Papa?" ‚Du' betonte er. Julie und ich hatten selber wenig Zeit morgens, sodass mein Vater normalerweise die Aufgabe übernahm, Flo schulfertig zu machen. Unbewusst schwand mein Lächeln, ich senkte den Kopf. „Ich weiß nicht so genau, Kleiner. Mir hat Papa nicht Bescheid gesagt, vielleicht musste er heute wieder besonders früh los", antwortete ich mit einem unwohlen Gefühl im Magen.

„Wo warst du gestern Abend und heute Morgen? Habe dich gestern nicht heimkommen gehört. Du hast uns gar nicht Bescheid gesagt, dass wir Flo fertigmachen müssen, weil du nicht da bist", fragend und mit leicht geneigtem Kopf sah ich meinem Vater in die Augen, der mit seinem Laptop am Küchentisch saß. Kaum hatte ich es ausgesprochen, schreckte er hoch, und dabei verriet ihn sein erster Gesichtsausdruck. Ertappt. „Ich? Ach, ich hab' hier geschlafen, ich war nur gestern noch mit meinem Chef essen und das ging eben etwas länger - " er hob die Hände instinktiv, als wolle er sich verteidigen, aber begann dann zu gestikulieren, damit das weniger auffiel. „- wie das eben immer ist. Beim Chef kann man ja nicht einfach Nein sagen." Ich schaute ihn emotionslos an. Mittlerweile hatte die gewohnte Selbstsicherheit in seinem Blick den verschreckten Ausdruck verdrängt. Nach einem Räuspern redete er souverän weiter: „Und heute Morgen bin ich schon vor euch aufgestanden, um noch ins Fitnessstudio zu gehen. Ich mach ja jetzt auch wie du Training." Nun lächelte er mich an und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ungläubig neigte ich meinen Kopf noch weiter und kniff die Augen leicht zusammen. Dass er mir mittlerweile so ins Gesicht log, schockte mich aber auch nicht mehr. Solche Aktionen waren nicht unüblich, aber ich fand es lächerlich, mit welchen Ausreden er manchmal ankam. Ich meine - Julie und ich stehen um 6:30 Uhr auf, wenn er bis dahin spurlos verschwunden ist, wann müsste er dafür aufstehen, damit wir davon nichts mitbekommen? Und das, obwohl er angeblich auch erst nach unserer Schlafenszeit ankam... Außerdem, bei allem Respekt vor meinem Vater, aber er und Fitnessstudio, folglich dann zwischen 6 und 8 Uhr morgens? Es passte einfach nicht zusammen. So sah es auch Julie, als ich es ihr erzählte. Mit trauriger Mine schüttelte sie darauf nur den Kopf, sagte aber nichts...

Ich wollte meinem kleinen Bruder nicht die ganzen Ungereimtheiten zu meinem Vater unterbreiten, sodass ich es mit dem einen Satz dazu abtat. Wir frühstückten gemeinsam und ich fuhr mit meiner Schwester zusammen in die Schule, nachdem wir Flo zur Grundschule losgeschickt hatten.



Creator's Commentary: Herzlich Willkommen an alle, die sich hierher, zu einem Rookie im Storytelling verirrt haben! Dies ist meine erste Fanfiction. Obwohl ich eine treue Kontrollleserin habe, die mich gut berät, würde ich mich über konstruktive Kritik und andere Kommentare unter dieser Geschichte freuen.

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