Kapitel 4 || Jugendliebe

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Mik POV


Der neunstündige Schultag hatte mit einer Doppelstunde Deutschunterricht, in der wir Gedichte aus der Romantik thematisierten, geendet. Ich dachte, dass diese Epoche wirklich etwas Romantisches an sich hatte, etwas, was nach heutigem Verständnis unschuldige Liebe, Kitsch und Annäherung bedeutete. Umso enttäuschender war dann die Konfrontation mit der Realität; Letztendlich bekam ich dann auch nur wenig aus dem Unterricht mit. Aber das war mir egal, dafür war mir der eine Grundkurs dann auch nicht wichtig genug, und dösend verging die Zeit auch schneller.

Zuhause angekommen, durchsuchte ich den Kühlschrank nach Resten. Ich nahm mir das Pilzrisotto von vor zwei Tagen heraus, denn ich war zu faul, mir was Leckereres selber zu kochen. So konnte ich mir das Leben auch leicht machen und Reste tilgen, hauptsache, ich hatte was zu essen.

Abwesend schaufelte ich mir die fade Masse in den Mund. Nebenbei entsperrte ich mein Handy, damit ich beim Essen nicht einschlief. E-Mails, Snapchat -, Twitch -, YouTube - Benachrichtigungen... Ich zuckte kurz genervt mit der Oberlippe und berührte „Clear all". Nun fiel mir die kleine „3", beim wesentlich interessanteren WhatsApp – Symbol ins Auge. Ich sah neue Nachrichten in der Kursgruppe Chemie und in den Privatchats mit Myriam und Kostas. Letztgenannter Chat hatte für mich immer die höchste Priorität und war stets ganz oben angepinnt; Ich hatte Kostas als „Babyboii ♥" eingespeichert... aber das sah ja zum Glück niemand. Ich öffnete auf den Chat. „Yo, bist du schon zu Hause?", hatte er gefragt. Mit meinem linken Daumen tippte ich wahrheitsgemäß „Gerade angekommen", „esse gerade". Meine Nachrichten waren nie besonders lang und ich benutzte selten Emojis. Das hatten mir Myriam und Kostas beide schon angeschwärzt. Sie sagten, sie hatten das Gefühl, ich sei immer scheiße drauf, weil ich emotionslos rüberkam. Aber ganz fernab von der Wahrheit war das ja nicht... „Miki, Ich brauche deinen Rat", ploppte nun die Antwort von Kostas auf. Ich legte mein Besteck aus der Hand und nahm meine Smartphone in beide Hände, um schneller schreiben zu können. „Oha. Was ist denn los?" Wie gebannt starrte ich auf das grüne Wort „typing...", sobald es wenige Sekunden später unter seinem Namen erschien. „Kannst du auf teamspeak kommen? Ich glaube, das wird ein längeres Gespräch. Ich würd's dir lieber persönlich erzählen..." Mit einem kleinen Seufzer stand ich auf, den Blick dabei dauerhaft auf den Bildschirm geheftet.

„Na, wie geht's?", begrüßte ich Kostas, der sich, um alleine zu sein, in einem der untersten, abgelegenen Channel versteckt hatte. Als Admin sah ich das natürlich trotzdem. „Hey Mik." – „Was ist denn los, mein Junge?", Ich spielte eigentlich ungern den Therapeuten, aber bei Kostas war es komischerweise etwas Anderes. Ihm hörte ich immer gerne zu. „Pass' auf, es geht um Mina...", Mina war ein kleines, schüchternes Mädchen mit vietnamesischen Wurzeln, und gehörte mit Mara zu Sandras besten Freundinnen. Seit Jahren waren sie ein unzertrennliches Gespann. „... versteh' mich nicht falsch, ich will nicht rüberkommen wie ein selbstverliebter Wichser, aber... hast du in letzter Zeit auch das Gefühl, dass sie was von mir will?" Mein Herz rutschte ein Stück tiefer. Meinen Blick vom Bildschirm abwendend, betrachtete ich nachdenklich meine Zeichnung, die von letzter Nacht noch auf dem Beistelltisch neben meinem Bett lag. Ich hatte keine Gewissheit, wieso machte ich mir da eigentlich noch Hoffnungen? „Das ist mir ehrlich gesagt nicht aufgefallen. Nur, dass sie seit einer Woche oder so häufiger mit dir in der Pause spricht.", seufzte ich, in der Hoffnung, dass die Enttäuschung in meiner Stimme nicht hörbar mitschwang. Eine glatte Lüge: Mir fiel jedes weibliche Wesen auf, was ich mit Kostas reden sah. Besonders solche, die ihm für meinen Geschmack zu nahe kamen. „Naja, also sie umarmt mich in letzter Zeit häufiger als sonst, sie erzählt mir viel von ihren Problemen. Und sie hat sich bei mir als bisexuell geoutet. Aber das weißt du nicht von mir, okay?" Es folgte eine kurze Pause, ehe er weiterredete. „Ich glaube, anderen plötzlich solche Sachen anzuvertrauen, ist ihre Art, sich jemandem anzunähern." Die Erkenntnis, dass sie auch an Frauen potentiell interessiert sein könnte, war in diesem Kontext kein Sieg für mich. Kostas passte ja dann trotzdem in ihr ‚Beuteschema'. Ihre zurückhaltende Wesensart war das einzige an diesem Problem, was mich noch hoffen ließ. Doch dann hallten seine Sätze in meinem Kopf wieder. „... So wie du das gesagt hast, scheint das ja ein einseitiges Interesse zu sein. Glaubst du denn, dass sie sich trauen würde, es dir zu gestehen, wenn sie sich denn wirklich in dich verknallt haben sollte?", obwohl ich mich bei dem Gedanken schütteln musste, hatte ich schon mehr Sicherheit in der Stimme. Ich war während unserem Gespräch aufgestanden, was ich dank meiner kabellosen Kopfhörer machen konnte. Am Bett hielt ich an. Gedankenverloren nahm ich die gestrige Zeichnung im gewohnten Comicstil und fuhr darauf Kostas' Gesichtszüge nach.


Kostas POV

Diese Annahme hatte ich auch, aber es beruhigte mich schon mehr, sie nochmal von Mik zu hören. Trotzdem blieb das unwohle Gefühl im Magen. „Nein, eigentlich nicht, dafür ist sie zu schüchtern, oder?" Obwohl er mich nicht sehen konnte, schüttelte ich bei meiner Aussage ungläubig den Kopf. Darauf wollte ich mich eigentlich ungern verlassen. „Aber dann hast du ja nichts zu befürchten, würde ich sagen.", Mik klang wieder ruhig. „Ich hab' halt Angst, dass sie sich mit entsprechendem Alkoholpegel eben doch trauen könnte. Und sie wird am Samstag garantiert trinken." – „Komm mal runter. Dass sie was von dir will, ist doch nur eine Vermutung, oder? Schließlich ist sie insgesamt sehr anhänglich, und wenn sie wirklich bi ist, müssten ja auch vor allem Sandra und Mara auch mal eben diesen Gedanken gefasst haben. Und sie kann ja nicht von jedem gleich was wollen, nur, weil sie gerne andere Leute umarmt. Das Ding ist – du weißt es nicht sicher. Aber wenn du tatsächlich Recht haben solltest, und du wirklich nichts von ihr willst... dann musst du sie klar zurückweisen.", Mik redete wie ein Therapeut, deshalb vertraute ich mich ihm immer als erstes an. Er war – auch wenn das blöd klingt – mein Fels in der Brandung. „Ich hoffe du hast recht, und dass es dazu nicht kommt", ich pausierte, „ich hasse es, Menschen zu enttäuschen-" – „Kostas, für deine Gefühle kannst du nichts. Wenn du nicht willst, ist das okay, aber dann musst du ihr das sagen. Mach' ihr keine Hoffnungen, das macht es sonst nur für euch beide unnötig schwer."

Er hatte ja recht. Mina war eine Freundin, nicht mehr und nicht weniger. Hoffentlich wird es nicht komplizierter, als es sein muss...



Creator's Commentary: An dieser Stelle eine Schweigeminute für Mina (Schreibt in den Kommentaren, wenn ihr sie kennt ^^ Onces, unite!). Wer Teamspeak nicht kennt: Es ist wie Skype ein Kommunikationsprogramm, das beim Gaming gerne verwendet wird. Auf einem Server kann man sich in verschiedenen Kanälen mit anderen Leuten in Konferenzen treffen, das Ganze ist aber ohne Video- oder Bildschirmübertragung.
Übrigens – Die References dürften ja mittlerweile aufgefallen sein. Ich werde weiterhin so viele wie möglich einbauen
J
Was wohl nun auf Sandras Geburtstagsparty passiert? Hinterlasst mir gerne wieder sinnvolle Kommentare, darüber würde ich mich sehr freuen!


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