Kapitel 1

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Alice:

"Lass das Geld auf dem Tisch." Der große vom Bierbauch gezeichnete Mann mit Glatze, nimmt 500 Euro aus seinem Portmonee und legt diese auf den,  seit Monaten nicht gewischten, Tisch neben der Eingangstür. Er wirft sich den Mantel über die Schulter und die Tür knallt leise, während ich Rauch in den dunklen Raum hauche. Erleichtert betrachte ich die Wand aus Zigarettenrauch, die sich durch das wenige Licht, welchem die Schalosien Zutritt in das Zimmer gewähren, bildet und hebe meine Hand in der Vorstellung ich könnte sie berühren. Für einen kurzen Moment denke ich an Mila doch verdränge den Gedanken und stehe statt dessen vom Bett auf. Eigentlich hätte ich mich an dieses Gefühl gewöhnt haben müssen, schließlich sind es schon sechs Jahre her das ich es zum ersten Mal tat, trotzdem verspüre ich Übelkeit und Schamgefühl. Warum? Das weiß ich selbst nicht. Nackt gehe ich durch den Flur, betrachte die fünf 100 Euro Scheine auf dem Tisch und zwinge mich schließlich unter die Dusche. Der Körper einer Frau ist unbezahlbar, das stimmt, deswegen kann ich nicht aufhören Geld für ihn zu verlangen. In meinem Kopf staut sich der Gedankengang und ich überlege was ich gleich tun soll. Dies weckt in mir das Gefühl der Trostlosigkeit. Ich bin 24, planlos und doch so verplant, das Leben zur Routine geworden und eigentlich ahnungslos über mich selbst. Ich versuche mich abzulenken, wie Mila es oft sagt. Lasse das Wasser auf meinem Kopf aufschlagen und genieße das angenehme Gefühl. Es fließt meinen Körper entlang und für einen Bruchteil der Sekunde fühle ich mich frei doch der Gedanke an Mila schnürrt mir wieder die Kehle zu und ich bekomme Angst. Ich fahre vom Klingeln meines zweiten Handys zusammen, freue mich jedoch das es das Private ist. Eine SMS.

Mila: Er hat es wieder getan.

Nein, mehr braucht sie nicht zu sagen damit ich verstehe was sie meint.

"Kleiner Bastard." spreche ich leise vor mich hin während ich zurück schreibe. Ich kann nicht aufhören mir die Frage zu stellen, was sie in ihm findet. Kochend vor Wut, versuche ich sanft mein Handy auf das versaute Bett zu werfen und bewege mich zum Kleiderschrank. Keine Frage, schwarz.

Ich weiß nicht welche der Mächte meiner Emotionen gerade mein Bewusst,- und Unterbewusstsein ergreift, jedoch werde ich mit jeder Sekunde nervöser und mit jedem Atemzug schlägt mein Herz schneller. Ich ziehe mir den Liedstrich spitz, betone meine Wimpern mit Tusche und zeichne mir die Augenbrauen nach. Ich muss perfekt aussehen.

Als ich im Flur stehe, die Wände versifft vom Zigarettenrauch und der Raum angenehm dunkel, höre ich Batman hinter mir miauen.

"Wieder lass ich dich alleine." sagte ich zu dem nicht ganz ausgewachsenem Kätzchen. Die verschiedenfarbigen Augen betrachten mich von unten doch geben nichts mehr von sich. Ich krall mir das Geld, die Autoschlüssel und meine Sonnenbrille vom Tisch, trete mir ein paar Schuhe aus dem Weg und verlasse meine Wohnung.

*

"Das haben wir alle..." Mila wirft den Kopf zurück und atmet tief ein. "Tut mir Leid." setze ich hinten ran da ich weiß wie emotional sie ist, aber es ist das, was sie so sehr zeichnet. Es ist ihre gefühlvolle und zerbrechliche Seite die sie an sich hat. Ich mustere sie, während sie den Kopf wieder hoch nimmt, der Augenaufschlag lässt mich für einen kurzen Moment die Luft anhalten. Einige der braunen Locken liegen schon auf den Schultern, der größte Teil jedoch immer noch im zerzausten Dutt, ihr Blick etwas müde. Sie sieht einfach traumhaft aus, aber anders war es auch nicht zu erwarten. Zwischen ihren dünnen, sanften Fingern hält sie die Zigarette, schaut mich hilferufend an. Sie ist dünn, groß und zerbrechlich. Ein Bilderbuchmädchen.

"Ist schon okay. Du hast recht." sagt sie nach einem weiteren Zug

"Erzähl was passiert ist." Mila legt die Stirn in Falten und schaut auf die qualmende Kippe, tippt die Asche ab. Sie beißt sich auf die untere Lippe, kein gutes Zeichen ihrerseits, schien für einen kurzem Moment zu überlegen und sammelt sich. "Na ja, eigentlich war alles super. Wir wollten uns gestern einen gemütlichen Abend vorm' Fernseher machen und ich hatte ihn darum gebeten das weiße Pulver diesen Abend weg zu lassen. Er drehte uns einen und war einverstanden..." ich glaube ihr stockt der Atem, sie schaut die Flüssigkeit in ihrem Plastikbecker an, streicht mit dem Daumen über den Rand und nimmt einen kräftigen Schluck. Verunsichert frage ich mich wie lange es noch dauern wird bis sie anfängt zu weinen und ich sie in den Arm nehmen kann. Keine Ahnung ob ich mich darüber freuen soll oder ich mir Sorgen machen muss. Irgendwo hoffe ich ja darauf. "Jedenfalls war ich gegen halb drei eingeschlafen. Er musste mich ins Bett gebracht haben, denn dort hat mich sein Geschrei geweckt. Er warf im Zimmer Sachen aus dem Schrank und durchsuchte jede Ecke im Raum. So hatte ich ihn lange nicht mehr gesehen. Die Augen hatte er weit aufgerissen, war schon zum Weggehen gekleidet und schrie die ganze Zeit 'Diese Schlampe. Diese scheiß Schlampe. Ich werd sie noch finden. Ich werde sie finden und umbringen.' Ich weiß nicht ob er eine Dosis zu viel oder zu wenig gehabt hatte. Erst mal beobachtete ich was er tat, wie er wie ein Verrückter durch die Gegend rannte und ich wollte dann halt wissen was los ist... Der kam auf das Bett zu gerannt.. Er hatte so große Augen.." sie setzt sich den Becher nochmal an die Lippen und trinkt den Rest in einem Zug aus. Verzieht dabei leicht das Gesicht und zündet sich eine weitere Zigarette an. Ihre Hände fangen an leicht zu zittern. "Er setzte sich zu mir in mein Bett und fing an erst die Decke zu schütteln, die auf meinen Beinen lag, und dann mich. Er hatte mich noch nie so grob berührt. Ich hab den halt angeschrien, ihm gesagt er soll sich beruhigen doch er ist noch mehr durchgedreht. Leise flüsterte er dann, ihm wäre, er sagte, 'diese Hure', noch schuldig und das er sie finden würde. Und das auch schon bald. Er wiederholte ständig er sei gefickt und sonst was... Ich hab versucht ihm zu sagen er solle sich beruhigen doch dann fing er an zu schreien... Warf wieder Sachen durch die Gegend. Ja und dann..." Mila atmet tief ein und ihr fällt eine Träne auf ihren Handrücken, worauf ein leises Schluchzen folgt. Ich warte, gebe ihr Zeit zum Beruhigen damit sie weiter erzählen kann doch statt es zu tun, legt sie vorsichtig ihre rechte Hand auf ihre linke Schulter und streift sich das Hemd von der Haut, die von einem unnatürlich großem Bluterguss bedeckt ist. Vor Schmerz verzieht sie kurz ihr Gesicht und schaut mich mit Tränen gefüllten Augen wieder an.

"Mila..."

Vodkaküsse.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt