Kapitel 9

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Alice.  

Sie ist gegangen. 
"Fuck man!" schreie ich bis mir die Tränen in den Augen stehen. Mir scheint alles zu brennen, mein Brustkorb vibriert und schmerzt. Ich merke wie meine Beine beginnen zu zittern, merke das die Gravitation Macht über mich nimmt und ich zu Boden stürze. Die Hände balle ich zu Fäusten, schlage auf den Boden ein. Ich schreie, schreie weil ich nicht weiß wohin mit mir. Weiß nicht wohin mit dem Schmerz und Leid in meinem Inneren. Ich versuche meine Atmung zu beruhigen, doch vergeblich. Die Luft verlässt stoßweise und unregelmäßig meine Lungen. 
Klare Gedanken kann ich nicht fassen, der Schmerz nagt zu sehr an mir und frisst viel zu viel von meinen Innereien, bis ich mich leer fühle.
Ich drücke meinen Kopf gegen die Couch, der Boden ist kalt, ich fühle es nur rissweise an meinen Beinen. Ich friere am gesamten Körper. Ich hab Angst. 
Ich habe sie verletzt, habe ihr so unendlich weh getan. Dies sah ich in ihren Augen.
Doch sie ist noch ein Kind.
Ich greife zu der angefangenen Vodkaflasche, setze mir das Glas an die Lippen und drücke angewidert die Flüssigkeit runter. Meine Kehle und meine Magenröhre brennen. Ich trinke nicht nach.
So kann ich diesen Schmerz doch auch fühlen. Brennt Mila jetzt genau wie ich von Innen?
Ich ziehe mir eine Kippe heraus und zünde sie an. Mit dem ersten Zug spüre ich das Blut welches durch meine Adern fließt. Es rauscht in meinen Ohren und macht diese Ruhe unerträglich. 
Und plötzlich ist wieder dieser komische Schmerz da, die einzelnen Gliedmaßen heulen und ziehen. Nahe zu unerträglich und doch schaffe ich es einen Atemzug nach dem anderen zu vollenden.
Unaufhaltsam trinke ich wieder.. und wieder.. und wieder.. und bis ich die Zigarette ausgeraucht habe, ist mehr als die Hälfte des Alkohols in mir.
Ich drücke meinen Kopf gegen die Couch, drücke die Zigarette schließlich auf dem Boden aus und werfe sie in irgendeine Ecke.
"Milaaa!!" Schreie ich, bis meine Stimme versagt und ich ungewollt wieder verstumme. Ich sehe nichts, die Tränen füllen meine Augen und rollen mir die Wangen entlang.
Sie ist nun weg, ich kann ohne sie nicht atmen. Sie ist gegangen und nahm mir damit die Luft für immer. Für immer. Ohne sie werde ich nicht atmen können. Ohne sie konnte ich es noch nie. Wie soll ich nun?
Wieder beginne ich zu schreien, keinen anderen Gedanken kann ich nun fassen. Keinen einzigen. Sie war doch alles, was ich in diesem verfickten Leben hatte!
Ich trinke erneut, schlucke ohne Ende bis die Flasche leer ist.
Noch eine!
Ich erhebe mich, davor zünde ich mir noch eine Zigarette an, gehe aus dem Wohnzimmer, so gut ich kann, doch bleibe am Spiegel stehen. Die Flasche in der Hand, die Zigarette zwischen den Lippen.
Solch ein scheinbar perfekter Mensch. Dünn, groß, rote Haare, große Augen. Eigene Wohnung, eigenes Auto. Eigenes Leben. Immer noch unglücklich.
Allein.
Unter den Augen bohren sich tiefe, schwarze Ringe, leblose Pupillen, blasse Lippen. Die Wangen Knochen wirken mager. Auf der Haut bilden sich erste Falten, das Weiß der Augen verliert an roter Farbe nicht und die Schlüsselbeine ragen schon krank aus der Haut.
Eine Nutte, verkauft ihren Körper, verdient ihr Geld mit Sex.
Ist nicht fähig zu lieben und schon gar nicht geliebt zu werden.
Zerstört mit ihrer Liebe ein unschuldiges Geschöpf. Versucht zu retten, zu helfen, doch nimmt es in den Arm und quetscht so lange, bis es erstickt.
Trinkt, raucht, kifft, zieht Nasen.
Ist Nächte lang wach.
Kann nicht schlafen.
Denkt nach.
Raucht.
Spricht mit sich selbst.
Versucht zu schlafen.
Weint. Einsam.
Nur für sich.

Es dauert Sekunden, in meinem Kopf Stunden, gar Jahre, bis die leere Glasflasche die abgemagerte, grässliche und vom mir verhasste Gestalt im Spiegel trifft.

Es prallt laut auf, Scherben fliegen durch die Gegend, landen laut und plötzlich auf dem Boden und dem Tisch an der Wand.

Erneut entweicht mir ein Schrei. Ich halte es einfach nicht mehr aus. Ich halte nichts aus.

Ich hasse mich!

Meine Knie werden plötzlich weich, ich verliere den Halt, pralle auf den Boden auf. Meine Hände schneiden sich an den Scherben.
Erneute Tränen, ich schreie bis mir die Kehle brennt. Schreie bis ich nicht mehr schreien kann. Und verstumme.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 19, 2016 ⏰

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