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Alexander
Früh am Morgen stand ich auf. Mittlerweile war ich es durch Max gewöhnt, den ich immer früh aus dem Schlaf reißen musste. Meistens kuschelten wir noch für ein paar Minuten, bis er sich für die Schule fertig machte. Ich mochte es wirklich ihn bei mir zu haben. Aber mittlerweile war es mir auch einfach zu viel. Ich war nicht sein Dad und die Rolle wollte ich in seinen Augen auch nicht an nehmen. Gestern wollte ich mich eigentlich nur bei Magnus wieder blicken lassen. Er hatte mich mehrmals zurück gewiesen. Allerdings merkte ich bei jeder Zurückweisung mehr, das die Blockade bröckelte. Ich wollte ihm nichts Böses. Doch wusste ich auch, das er irgendwas verbarg. Ich wollte heraus finden was er hatte. Ihm helfen. Er hatte etwas besonderes und ich wollte wissen, warum ich mich so zu ihm hingezogen fühlte. Mir war die Veränderung in seinem Gesicht nicht entgangen. Seine Wangenknochen stachen mehr hervor. Die Augen wirkten matt und die Haut etwas blasser. Mich hätte es nicht gewundert, wenn er Augenringe hätte, doch die fand man nicht bei ihm. Schlafen musste er also gut. Ich fühlte mich so hin und her gerissen. Zum einen würde ich ihn gerne einfach darauf ansprechen. Zum anderen wusste ich, das er dadurch sich nur noch mehr verschließt. Er musste sich von allein öffnen. Doch was wenn es dann schon zu spät wäre? Ja zu spät wofür. Ich raufte mir die Haare. Ich war wirklich einfach nur ratlos. Er verwirrte mich so sehr. Manchmal da schien er wie ein anderer Mensch. So als würde er eine Fassade tragen und dann wiederum lächelte er kurz und wunderschön. Er suchte meine Nähe und doch wehrte er sich dagegen. Langsam stand ich. Die Dielen knarrten unter mein Gewicht. Ich mochte diesen Platz. Er schien soviel Frieden in sich zu tragen. Ich öffnete das Fenster und konnte somit auf den See hinaus schauen. Es ging gerade erst die Sonne auf. Die Farben spiegelten sich. Es war ein helles blau was dann überging in ein viel mächtigeres Dunkelblau. In der Mitte der rot, orange Feuerball. Die Strahlen trafen vereinzelt auf die Erde. Sie waren nicht wärmend. Der Herbst war jetzt vollkommen herein gebrochen. Das merkte man auch an den Temperaturen. Der kalte Wind hauchte über meine Haut und verschaffte mir somit eine Gänsehaut. Deswegen trat ich nur in Boxershorts und Shirt hinaus in den Flur. In meiner Hand, die Klamotten für den Tag. Immer wieder gab das Parkett Geräusche ab. Ich versuchte leiser zu laufen, doch das klappte eher weniger. Im Bad ging ich unter die Dusche. Der Temperaturregler war auf 20 Grad gestellt. Das war mir eindeutig zu kalt. Deswegen stellte ich es etwas höher. Das warme Wasser prasselte auf meine Haut und regte somit die Durchblutung an. Meine Gedanken schwirrten wieder um Magnus. Es war nicht so das ich auf ihn stand. Obwohl er wunderschön war. Es war eher die Sorge, die mich beherrschte. Sollte ich wirklich nur abwarten? Kopf schüttelnd stellte ich das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Ich zog mich an und putzte schnell Zähne. Dann verließ ich das Bad wieder. Vielleicht könnte ich schon Frühstück machen. So leise es ging, schlich ich in die Küche. Dort war ich zwar nicht in meinem Element aber Rührei würde ich vielleicht noch hin bekommen. Ich drehte mich um und stieß mit Magnus zusammen. „Oh, das tut mir leid. Ich dachte auf diesen Boden hört man jeden, der darauf läuft." Ich sah wie sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen ablegte. Zwar nicht lang aber dennoch da und echt. „Das solltest du öfters tun." Fragend sah er mich an. „Lächeln. Es steht dir." Sein Blick wurde traurig. Was hatte dieser Junge nur. Da eine Umarmung wahrscheinlich zu weit ging, räusperte ich mich. „Ich wollte gerade..." Magnus sah mich ernst an. Heute sah er sehr müde aus. Leichte Augenringe hatten sich gebildet. „Würdest du mit mir spazieren gehen?" unterbrach er mich. Ich nickte. Es war mir viel lieber als Frühstück zubereiten. Wir zogen uns unsere Jacken und Schuhe an und gingen dann hinaus. Leichter Nebel durchzog den Wald. Die Lichterketten brannten noch. Es sah wunderschön aus. Wir liefen der Sonne entgegen. An dem See führte der kleine Weg weiter. „Hast du diese Nacht nicht so gut geschlafen?" Ich spürte wie Magnus leicht zitterte. „Nein, nicht wirklich. Obwohl ich hier immer gut schlafen kann." Unsere Blicke waren auf den Weg gerichtet. Ich vergrub meine Hände in den Taschen. „Es ist ein wirklich schöner Ort." Von der Seite sah ich Magnus an. Sein Blick glitt über den Wald und der See, der links von uns ruhte. „Ja, ich mag diesen Ort. Er hat mir immer ein kleines Stück Hoffnung und Mut gegeben. Vielleicht auch Ruhe und Frieden, in dieser Welt, die nie ruhig steht. Keinen Frieden hat und die Werte auf dem liegen, was man ständig ändern kann." Mir fiel auf, wie angenehm seine Stimme war. „Das Aussehen." hauchte ich, eher für mich selbst. Er sah mich an. „Die Menschen können nicht still stehen. Sie rennen zur Arbeit, zum nächsten Arzttermin. Sie holen ihre Kinder ab und versuchen alles abzuarbeiten was nur geht. Ohne einmal stehen zu bleiben und vielleicht auch mal Dinge liegen zu lassen, um das Schöne zu sehen. Sie wollen den Tag so gut es geht herum kriegen, um in den nächsten zu starten. Der Weile sind die Dinge die nicht geplant sind, meistens die schönsten." Ich wusste nicht wo die Wörter her kamen. Sie waren einfach da. „Mir ging es in den letzten Wochen oft so." gab ich offen zu. „Mir auch. Eigentlich schon oft in meinem Leben. Vor allem in der Zeit wo ich..." Magnus stockte. Er richtete seinen Blick wieder nach vorn. Ich sah ihn weiterhin an. „Wo ich gemobbt wurde. Da war jeder Tag gleich. Ich bin aufgestanden, bin in die Schule gegangen, habe dort alles über mich ergehen lassen, dann bin ich wieder nach Hause gekommen und bin dann wieder schlafen gegangen. Damit wieder alles von vorne beginnt." Einfach aus Reflex zog ich ihn an mich und schenkte ihm eine Umarmung. Er versteifte sich kurz, nur um sich wenig später gegen mich sinken zu lassen. Erst jetzt spürte ich, wie schlank er eigentlich war. Die Jacke konnte allerdings meine Beurteilung auch fälschen. Vielleicht hat er auch einfach eine zierliche Figur. „Wie war die Zeit für dich?" fragte ich ihn vorsichtig als er sich von mir löste und wir weiter gingen. „Wenn ich daran zurück denke, dann höre ich die Stimmen wie ein Echo. Sie hallen immer wieder in meinen Kopf. Ich wusste nie warum genau ich es war. Ich hatte ihnen nie etwas getan. Vielleicht lag es an der Figur oder das ich mich nie angepasst hatte. Ich war immer ich selbst." Magnus spielte mit dem Bund seiner Jacke. Das tat er oft. Vor allem wenn er nachdachte. „Hattest du schon mal das Gefühl nicht in diese Welt zu gehören." Sein Blick hob sich wieder. Er sah mich direkt an. „Ja, aber momentan bin ich sehr froh, hier in dieser Welt zu sein." Damit deutete ich auf die Umgebung um mich herum und auf ihn. Wieder ein Lächeln. „Ja gerade ist es ganz akzeptabel." Er steckte mich mit seinem Lächeln an und so liefen wir weiter. Dem Sonnenaufgang entgegen.

Flügelschlag - A Malec StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt