Kapitel 01-Simon

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Der Regen peitschte gegen die Scheibe und der Wind ließ die Äste an der Hauswand kratzen.

Ich zog die Decke enger um mich und betrachtete die stürmische Nacht von meinem Zimmer aus.
Einen solchen Sturm gab es sehr lange nicht.

Irgendwo hörte man ein lautes Knacken, die Hagelkörner knallten dicht gegen das Glas.
Man spürte, wie die Welt um einen herum unter zu gehen schien.

Draußen konnte man die Mauer sehen, welche uns von der anderen Seite trennte.

Groß und stark erhob sie sich in der Ferne, nichts könnte sie zum Einsturz bringen.

Ein Blitz erhellte einen Teil des dunklen Himmels, auf der hohen Mauer konnte man Soldaten erkennen, die aussahen wie laufende Punkte.

Das Soldatenleben brachte auch das mit sich. Nachts im Regen Miss Muro bewachen.

»Kannst du auch nicht schlafen?« hörte ich Marius sagen. Er schlief in dem Bett neben mir, seine Nächte verliefen meist ebenso schlaflos wie meine.
In seinen Armen schlief sein kleiner Bruder Passi.

Wir kannten uns schon, seit ich damals ins Waisenhaus kam. Das war vor 9 Jahren.
Damals war ich 7.

Marius war so alt wie ich, sein kleiner Bruder war damals noch ein Baby.
Er hatte sich immer liebevoll um ihn gekümmert.
Irgendwie auch um mich, als ich damals völlig allein war.

Ich sah ihn an und lächelte leicht, er beobachtete die Mauer, ebenso wie ich immer.
»Nicht wirklich, nein.« sagte ich nur und versuchte möglichst leise zu sein, um nicht die anderen Jungen im Raum zu wecken.

Marius nickte und sah gedankenverloren die Mauer draußen an. Eine riesige mehrschichtige Steinwand, welche die ehemalige Stadt in zwei Teile spaltete.

Europa, so wurde sie früher genannt. Wie so oft stellte ich mir dieses Leben vor.

Ohne Sorgen, gesichert vor dem Krieg und ruhig.
Meine Großeltern hatten diese Zeit noch miterlebt, jedenfalls glaubte ich das.

Ich kannte sie ja nicht.

Und wie so oft, wenn ich Abends die Mauer betrachtete, stellte ich mir das Leben auf der anderen Seite vor.

Im Westen.

Die Straßen seien aus purem Gold, erzählte man sich. Häuser hoch wie die Mauern und Essen überall.
Sicher waren die Erzählungen zweifelhaft, noch nie kam jemand lebend aus dem Westen zurück.

Bis auf die Soldaten kommt dort niemand rein oder raus.

Und bis auf eine bestimmte Gruppe.

Aber eine schöne Vorstellung war es schon.

Strom sollte es dort geben, reiche Menschen.

Als ich noch jünger war, haben meine Eltern nie gut über die Menschen dort gesprochen.
Sie sollen eingebildet sein, arrogant und besitzergreifend.

Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Menschen dort alles hatten was sie brauchten.

Dass es dort trotzdem zu vielen Besitzansprüchen und Streit kommen sollte, wunderte mich.
Ebenso wenig konnte ich mir die mangelnde Menschlichkeit vorstellen.

Wenn man alles hat was man zum Leben braucht, dann muss es doch keinen Streit geben.

Von meinen Eltern damals und auch von den Erzieherinnen hörte ich jedoch nur, dass Sklavenhändler und Egozentriker einen Großteil der Bevölkerung ausmachten.
Ebenfalls schwer vorzustellen.

Woher meine Eltern dieses Wissen hatten, wusste ich nicht.

Sie verschwanden eines Tages einfach.

Der Blick zur Mauer genügnte mir um zu wissen, dass sie dort sein mussten.

Die tiefen langsamen Atemzüge von Marius ließen mich ebenfalls schläfrig werden.

Der Sturm schien nicht nachzulassen.

Wrong Side-Verbotene Liebe [Band 1] || CrispyWill [Beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt