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Ein kalter Sonntagabend.

Die meisten sitzten zu Hause bei ihrer Familie oder ihren Freunden und genießen den letzten Tag ihres Wochenendes.

Schauen sich eine Sendung an, angekuschelt an ihren liebsten oder zwingen ihren Nachwuchs ins Bett zu gehen um für den nächsten Tag ausgeschlafen zu sein.

Dezember.

Ein Grund mehr bei seiner Familie zu sein.

Ich bin alleine. Fast alleine.

Ihr seid bei eurer Familie und ich bei ihr.
Vanessa ist alles.
Ohne Sie, wäre ich heute nicht am Leben.
Aber was heißt schon leben?
Wenn man abends in den verlassenen Straßen Berlins herumlungert und Gefahr von Sicherheit nicht mehr unterscheiden kann.

Ich habe auch Familie. Genauer gesagt habe ich drei Geschwister.
Einen Bruder und zwei Schwestern.
Ich bin der älteste und somit habe ich die Verantwortung.

Mein Vater ist vor acht Jahren gestorben und seitdem hat uns das Glück in der Familie verlassen. Meine arme Mutter musste vier Kinder in ein fremdes Land alleine erziehen. Wir hatten gerade mal genug Geld für eine richtige Mahlzeit am Tag. So etwas wie ein Handy, Spielekonsolen oder teure Kleidung konnten wir uns nur erträumen.

Ich habe die ersten acht Jahre in Süd-Korea verbracht bis meine Eltern für ein besseres Leben und eine gute Zukunft für ihre Kinder nach Deutschland gezogen sind.
Wir haben zuerst in Düsseldorf gewohnt doch das Geld hat für die teure Miete nicht gereicht und haben dann eine viel günstigere Wohnung in Berlin gefunden.

Auch wenn die Mietpreise hier uns oft zu schaffen gemacht haben, konnte wir bis jetzt mehr oder weniger wohnen.
Wir wohnten in einem etwas anderem Viertel.
Es gab drei Gebäude, die jeweils für ein ganzes Viertel verknüpft waren.
Innerhalb dieses Viertels brach das größte Chaos aus.

Mehrere Gangs herrschten dort.
Drogen wurden verkauft und gekauft.
Menschen ausgeraubt.
Kriminalität und Armut hat uns alle geprägt.
Doch die Bewohner aus der untersten Schicht kamen von überall her.

Die verschiedenen Kulturen verstanden sich nicht immer gut.
Manchmal gab es Streit zwischen den Nordafrikanern und den Ostblocks oder zwischen Türken und Kurden, Serben und Kroaten.
Wie als würden sich die Streitigkeiten aus der Politik in unseren Viertel abspielen.
Fick die Politik.

Kurz gesagt.
Die anderen nannten es Ghetto.
Wir nannten es zu Hause.

,,Hier."
Vanessa kam auf mich zu mit einem Kühlakku in der Hand.
Sie wickelte es sorgfältig in einem Tuch und drückte es vorsichtig gegen mein blaues Auge.

Wir saßen auf dem Bürgersteig.

,,Danke.", murmelte ich und nahm den Kühlakku an mich.
,,Bedank dich nicht.", nuschelte sie.
Ich wollte meinen Kopf an ihrer Schulter lehnen ehe ich etwas Aklohol roch.
,,Du hast getrunken.", stellte ich frustriert fest.
Wenn Vanessa trank dann wurde sie schnell aggressiv.

Wenn sie aggressiv wurde dann wurde ich es auch.
Wir haben beide einen starken Charakter, lassen uns von nichts und niemandem etwas vorschreiben aber sind ziemliche Dickköpfe.

,,Kann dir doch egal sein.", zischte sie gereizt.
Ignorant legte ich meinen Kopf an ihrer Schulter ab.
,,Tut es noch weh?", fragte sie und blickte zu mir.
Die weiche Vanessa kehrte zurück.
,,Nein, alles gut.", log ich.
,,Ich habe dir gesagt, dass du keine Typen angreifen sollst aber du willst nicht hören."

,,Halt die Klappe, Vanessa. Die Typen haben über dich schlecht gesprochen.", verteidigte ich mich.
,,Gibt dir noch lange keinen Grund diese Arschlöcher anzugreifen.", gab sie kalt zurück.
,,Keiner redet über dich schlecht in meiner Gegenwart und wenn die denken, dass die sich mit mir anlegen können dann zeige ich es ihnen auch."

,,Die haben es eher dir gezeigt oder hast du dein blaues Auge übersehen?"

,,Ach, Vanessa. Versteh doch, ich mach das für dich."
,,Mach das nicht. Ich habe dir beigebracht, nie und nimmer irgendwas für jemand anderes zu tun. Wer schlau ist, kümmert sich nur um sich selbst. Oder denkst du diese Politiker tun das alles wirklich für das Volk?"

Ich schüttelte den Kopf und schloss vorsichtig meine Augen um die kalte Luft besser wahrzunehmen.
Ich liebe die Kälte.
Ähnelte sehr dem inneren meines Herzens.
Doch jemand störte diese frische Luft in dem er seine Zigarette anzündete.

Vanessa hielt sie mir und ich inhalierte tief.

,,Ich hab dich lieb, Vanessa.", flüsterte ich und beobachtete das Funkeln in seinen Augen.
Sie legte seinen Arm um meine Schulter und drückte mich näher an sich.

,,Du weißt, dass-"
,,Du niemals jemanden lieben wirst außer deine Mutter. Ich weiß, Vanessa. Ich kenne dich doch.", übernahm ich schmunzelnd.
Für ein Lachen oder ein richtiges Lächeln fehlte mir jedoch die Kraft.

Ich sah Vanessa selten lächeln. Sehr selten.
Als ich sie kennenlernte, hatte ich es zu meiner Aufgabe gemacht, sie zum Lachen zu bringen, was ich einige Mal erfolgreich geschafft habe.
Ich bin zu keinem so lieb und ehrlich wie zu Vanessa.
Sie ist der einzige Mensch auf Erden, der mich jemals so kennen wird.
Ich liebe niemanden und vetraue niemandem außer Vanessa und meiner Familie.

,,Ich muss dir etwas sagen.", sagte er.
,,Ja?"
Ich setzte mich auf und sah ihr nun durchdringend an.
,,Erinnerst du dich noch an diese Typen, die mir zwei Tausend Euro geliehen haben?"
Sie wirkte nervös und wenn Vanessa nervös war dann muss es schlimm sein.

,,Du hast sie nicht zurückbezahlt, nicht wahr? Und jetzt drohen sie dir mit dem Tod?", gab ich meine Theorie zu erkennen.
Sie nickte nachdenklich, schmiss den Zigarettenstummel in den Gulli und stand auf.
,,Was machst du jetzt?", fragte ich vorsichtig und nahm den Kühlbeutel von meiner schmerzenden Stelle weg.
Sie drehte sich um und sagte:

,,Ich habe dich auch lieb, Jaemin."

𝓕𝓸𝓻𝓫𝓲𝓭𝓭𝓮𝓷 𝓕𝓵𝓸𝔀𝓮𝓻    [Boy×Boy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt