»Darf ich?«
Eine junge Frau mit dunkelblonden Haaren dreht sich von dem Zugfenster zu mir und setzt sofort ein breites Lächeln auf.
»Aber natürlich!«
Während ich ihr Lächeln erwidere, setze ich mich und richte meine erdbeerblonden Locken, als eine schwarzhaarige Frau sich vor mich setzt.
»Hallo.«, begrüßt sie uns freundlich.
»Guten Tag.«
»Seid ihr auch auf dem Weg zum Lazarett?«, fragt sie und grinst dabei, während weitere Krankenschwestern an uns vorbeilaufen.
»Natürlich. Um in die vielen Männerhintern zu pieken!«, schmunzelt die Frau neben mir.
»Ich bin übrigens Betty.«
»Evelyn.«, nickt mir die Frau von gegenüber zu, bevor beide zu mir sehen.
»Amelie.«, erwidere ich nach einem kurzen Zögern.
Ein warmes Gefühl macht sich in meiner Brust frei.
Habe ich vielleicht gerade meine ersten Freundinnen gefunden?×××
Jemand tippt mir sanft gegen die Schulter und ich kann das Gesicht von Evelyn erkennen, die mich mit einem sanften Lächeln ansieht.
»Amelie, wir sind da.«
Kurz sehe ich mich verschlafen um und reibe mir schließlich über das Gesicht, bevor ich Evelyn mit einem Lächeln nach draußen folge.
Es ist ein herrlicher warmer Nachmittag und erst kurz nach siebzehn Uhr, weshalb die Krankenschwestern beschließen noch einen trinken zu gehen.Wegen diesem kleinen Ausflug habe ich gleich weitere Bekanntschaften gemacht, doch halte mich am meisten immer noch bei Evelyn und Betty. Die Anderen sind auch nett, aber...
Ach keine Ahnung.In der Nacht liege ich noch eine Weile wach da, weil meine Gedanken immer zu Harry und Nick schweifen.
Es ist das erste Mal seit 5 Jahren, dass ich getrennt von meinem Mann bin.
Ugh. Und immer noch hasse ich das Wort Mann.
Plötzlich erinnere ich mich wieder an den Tag, als mein Vater mir sagte, dass ich Harry Lewis heiraten soll, da wir sonst schreckliche Folgen bekommen könnten.
Was diese Folgen waren, hat er mir nie gesagt...
Also wurde ich mit 16 an einen dreißigjährigen Mann verheiratet, den ich immer noch nicht liebe.In dem ersten Jahr war es wirklich schwer für mich, damit klarzukommen.
Und irgendwann wurde er dann immer gewalttätiger, doch ich konnte mit niemanden darüber reden.
Als ich dann Nick bekam, hat er auch damit gedroht, dass er Nick was antut und das Risiko konnte ich nicht eingehen.
Nick ist das Beste, was mir bis jetzt passiert ist.Mit den Gedanken bei meinem kleinen Schatz schlafe ich mit einem Lächeln ein.
×××
Sehr früh mussten wir schon in der umgeräumten Halle sein und haben jeder ein Brett bekommen, an welchem Posten wir schließlich sein müssen.
»Ich habe Spritzen. Amelie?«
»Ich auch.«, zwinkere ich Betty zu, deren Grinsen breiter wird, als ich zu Evelyn sehe.
»Und du?«
»Sehtest. Doch danach bin ich ebenfalls bei euch.«Der Doktor gibt das letzte Signal, bevor die Männer hereinkommen und ich sofort jedes Gesicht ansehe. So etwas habe ich schon lange nicht mehr gemacht...
»Madame.«
Lächelnd sehe ich zu dem schwarzhaarigen Mann hoch und nehme seine Akte entgegen.
»Bitte dort hinstellen und die Hose runter.«
Während ich mein Feld auf der Akte ausfülle, macht er, was ich sage.
Mit einem aufregenden Gefühl greife ich nach der ersten Spritze und steche sie in den Männerhintern.
Als ich den jungen Mann verabschiede, sehe ich zu Betty, die ebenfalls gerade eine Spritze in den Popo des Jungens jagt, der kurz quiekt.
Schmunzelnd nehme ich die nächste Akte entgegen und mache meine Arbeit.Irgendwann ist bei mir nichts mehr los, weshalb ich wieder meinen Blick durch den Raum huschen lasse.
Evelyn lächelt gerade einen Piloten an, welcher wohl Probleme bei dem Sehtest hat, als ich ihn sehe.
Es ist, als würde mein Herz kurz stehen bleiben, bevor es ganz wild losrennt, um bei ihm zu sein.
Seine braunen Haare fallen ihm in Strähnen ins Gesicht, was ihn verdammt attraktiv macht.
»Hallo?«
Erschrocken blinzle ich gegen das Licht und erkenne einen weiteren Mann, der mir fragend seine Akte entgegenhält.
Verwirrt nehme ich sie, unterschreibe und pieke ihn.Himmel... Was war das?
Da war plötzlich diese... Sehnsucht.In der nächsten Zeit habe ich ihn nicht mehr gesehen und bei meinen Positionen war er auch nicht, was mich etwas traurig gemacht hat.
Gerade verlassen wir die Halle, als Evelyn lächelnd stehen bleibt und dem Mann mit einem weißen Verband um die Nase zu winkt, bevor sie auf ihn zu geht.
Das ist der Mann, vom Sehtest...
»Bis später.«, ruft Evelyn noch.
Lächelnd sehe ich dabei zu, wie sie zu ihm eilt und ein Gespräch aufzubaut.
Mit einem guten Gefühl gehe ich den anderen Krankenschwestern hinter her.×××
In dieser Nacht muss ich die ganze Zeit an diesen jungen Mann denken.
Er brennt förmlich in meinem Kopf, was mir irgendwie Angst einjagt.
Unwohl wälze ich mich in meinem Bett hin und her.Ich kann einfach nicht einschlafen.
Kurz hebe ich den Kopf und sehe, dass meine Zimmernachbarin Sandra schläft.
Ganz leise schäle ich mich aus dem Bett, ziehe mir ein einfaches Kleid an und öffne die Hoteltür.
Es ist komplett ruhig, aber das ist selbstverständlich. Ich meine, es ist 2 Uhr nachts.In der Lobby sind noch ein paar Personen, darunter auch ein paar Krankenschwestern mit Piloten, doch ich gehe einfach an ihnen vorbei und setze mich in eine gemütliche Nische.
Aus meiner kleinen Tasche hole ich Stift und Papier und beginne zu schreiben.
Harry hat mir zu oft gesagt, dass ich jeden Tag schreiben soll, was ganz schön schwierig wird...
Gerade Mal ein halb geschriebener Brief kommt dabei raus, aber ich kann nichts dafür.
Wenn ich schreiben soll, an was ich denke, dann würde auf diesem Papier nur etwas über diesen gutaussehenden Piloten stehen und sowas kann ich ja nicht meinem Mann schreiben.
Seufzend rutsche ich ein Stück nach hinten und lege den Kopf auf die Lehne.Ob ich ihn wiedersehe?
Hoffentlich.Jedoch habe ich auch Angst, was dabei rauskommt, wenn ich ihn treffe.
Nach einer halben Stunde mache ich mich wieder auf den Weg nach oben, wobei ich gleich den Brief an der Rezeption abgebe, der mich schon verwundert ansieht. Wer geistert auch gegen um 3 Uhr noch rum und schreibt Briefe?
Da mich langsam die Müdigkeit besucht, gehe ich wieder nach oben und biege in den schwachbeleuchteten Flur ein.
Während ich tief in meinen Gedanken versinke, knete ich nervös meine Finger und kaue auf der Unterlippe.
Eine schreckliche Angewohnheit...
Ich würde gerne diesen jungen Mann kennenlernen...
Aber das wird schon irgendwie...
Hoffnungsvoll betrete ich wieder mein Zimmer und lege mich ins Bett, bevor ich friedlich einschlafe.
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SEHNSUCHT ▹ 𝘥𝘢𝘯𝘯𝘺 𝘸𝘢𝘭𝘬𝘦𝘳
Fanfic"chemistry between people is the strangest science of all." credit; thelakeisfullofblood © 2020