ᚒ 𝒏𝒆𝒖𝒏

260 9 1
                                    

Als ich das Haus verlasse, schlafen Nick und Harry noch tief uns fest.
Draußen ist es immer noch dunkel, doch nicht so finster, dass man seine eigene Hand nicht mehr erkennt.

Während ich mit dem Wagen zum Hafen fahre, spiele ich kurz mit den Gedanken einfach zu Danny zu gehen. Aber er will mich nicht sehen? Oder?
Und...Rafe lebt?

Evelyn ist gestern nicht zurückgekommen, was ich als Zeichen sehe, dass sie die Nacht mit ihm verbracht hat.
Zu gerne hätte ich ihn gesehen...

Die Bremsen quietschen als das Auto am Hafen hält.
Langsam laufe ich zwischen den großen Schiffen hindurch und bestaune erneut, dass all dies von Menschen geschaffen wurde...

...und wir damit Krieg führen werden.

Schnell schiebe ich den Gedanken beiseite und schüttle den Kopf.
»Amelie Lewis?«
Aufgrund der Männerstimme wandert mein Blick an einem großen grauen Schlachtschiff nach oben, bis ich eine weiße Mütze ausfündig mache.

Sean Brian hilft mir auf Deck, bedankt sich erneut für mein Kommen und führt mich dann durch die Kajüten bis zu einem Mann in Dannys Alter, welcher mit verzerrtem Gesicht auf einer der Liegen platziert ist.

»Er hat noch Fieber bekommen.«, berichtet Brian, was ich nickend zur Kenntnis nehme und schließlich meine Tasche neben ihm abstelle.
Behutsam lege ich meinen Handrücken auf seine Stirn.
»Wie ist sein Name?«
»Smith. Alex Smith.«, sagt einer der Zimmergenossen und lugt genau wie die anderen Männer zu uns herüber.

»Alex? Können Sie mich hören?«
Ein schwaches Brummen ist zu hören.
Stirnrunzelnd hole ich das Stethoskop aus der Tasche und lausche nach seinem Herzen, was deutlich langsamer schlägt als für gewöhnlich.
»Sie haben gesagt, dass er Nasenbluten hatte? Nur einmal oder öfters?«

Im Hintergrund nehme ich plötzlich unruhiges Stimmengewirr war, schiebe es jedoch beiseite und warte auf eine Antwort.

»Zweimal, Madame.«
Die Geräusche im Hintergrund werden lauter, weshalb ich mich mit einem Stirnrunzeln umdrehe.
»Was ist denn los?«

Meine Stimme geht unter, als ein lautes Knallen zu hören ist und das Schiff unter mir deutlich zu Schwanken beginnt.
Erschrocken halte ich mich an dem Bettgestell fest, während mein Herz immer schneller zu schlagen beginnt.

»Was war das?«, höre ich mich wie benebelt rufen, als die ganze Besatzung von ihren Liegen springt und durch die Flure huscht.

Und dann hallen die Worte in meinen Ohren, die ich nie hören wollte.
Vor denen ich immer Angst hatte.
»Wir werden angegriffen! Japaner

Sofort herrscht das komplette Chaos, in dem meine Gestalt nichts zu suchen hat, doch als mein Blick auf dem kranken Mann vor mir landet, fasse ich traurigen Gedanken.
Er atmet nicht mehr.

Kurz schließe ich die Augen. Grenze mich aus dem Gebrüll und den Bombenschlägen aus und ziehe die Luft zischend in meine Lungen.
Amelie. Du schaffst das.

Die nächste Bombe muss das Schiff genau neben diesem getroffen habe, da durch den Ruck alle losen Dinge von den Schränken fallen.
Keuchend reiße ich die Arzttasche auf, nehme mir alles, was ich tragen kann und renne dann ebenfalls durch die Gänge.

Plötzlich sind laute Schreie zu hören, danach schwankt die West Virginia stark nach links und bleibt dabei.
Irgendwo muss ein Loch sein...

Während Männer nach draußen laufen, ändere ich meine Richtung und drängle mich durch den Sturm zurück zu dem Fleck, an dem ich das Leck vermute.
»Was machen Sie hier, Madame?«, keucht ein älterer Mann mit tropfender Wunde am Bauch.
»Ich rette ihr Leben.«

SEHNSUCHT ▹ 𝘥𝘢𝘯𝘯𝘺 𝘸𝘢𝘭𝘬𝘦𝘳Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt