3 - Johannes

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Donnerstag

Am Morgen bin ich trotz mangelnden Schlafs ziemlich fit. Ok, Vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass ich so aufgeregt und gespannt bin. Sofort muss ich an die eine Nachricht von Karl von gestern denken: "Egal wie viel Schiss du vor der neuen Klasse oder auch noch irgendetwas anderem hast, denk einfach an Frau Gerstner nach der Chemiestunde. Und vergiss nicht: nicht zu viele neue Freunde finden, denn ansonsten haben wir ein Problem miteinander!" Sofort musste ich lachen. In besagter Chemiestunde hatten Karl und noch einige andere Mitschüler die Zutaten für irgendein langweiliges Experiment vertauscht, sodass Frau Gerstner am Ende der Stunde einige der sonst sehr streng frisierten Haare im hochroten Gesicht hingen und ein anderer Teil gerade vom Kopf abstand. Das Beste war jedoch gewesen, dass ihre sonst so schneeweiße Bluse in allen Farben des Regenbogens schimmerte. Ein weiterer guter Teil dieser Aktion war jedoch auch, dass weder Karl noch irgendjemand anders nachsitzen oder sonst eine Strafarbeit machen musste, da Frau Gerstner nach dieser Stunde dirket nach Hause fuhr und danach unsere Klasse an Herrn Lobst abgab, bei dem sich dann niemand mehr traute, irgendwelche Streiche zu spielen. Jetzt bin ich zwar immer noch aufgeregt, aber zumidest konnte ich einmal heute morgen lachen.

Es ist schon kurz vor neun Uhr und ich klopfe an die Tür zum Direktoriat, an dessen Tür der Name Stummelbein stehen und kann gerade noch so ein Lachen unterdrücken, als die Tür geöffnet wird und eine fette Frau vor mir steht und mir die Hand reicht.

"Guten Morgen, Schätzchen! Du musst Johannes Nubiskou sein. Es ist schön dich kennenzulernen!"

Noch bevor sich die Tür wieder geschlossen hat, bin ich total überwältigt von der merkwürdigen Art der dicken Direktorin. Als sie dann endlich nach einer gefühlten Ewigkeit meine Hand losgelassen hat, beginnt sie auch schon zu reden und das noch bevor ich hallo sagen konnte.

"Es ist ja immer wieder so aufregend neue Schüler an der Schule hier begrüßen zu dürfen. Jedes mal bin ich total aufgekratzt und kann gar nicht mehr aufhören zu reden, was dann vielen Menschen auch auf die Nerven geht. So zum Beispiel auch meinem geliebten Ehemann," - der Arme! - "der mich dann auch verlassen hat." Dabei zieht sie ein merkwürdiges Gesicht, das wahrscheinlich Trauer ausdrücken soll, aber eher zum Lachen ist. Wir setzen uns. Sie sich auf einen XXL-Stuhl hinter den Schreibtisch und ich mich auf einen kleinen Hocker davor. "Aber dir macht es doch sicherlich nichts aus, oder?" Neeeiiiin, mir doch nicht! Ich habe ja auch nichts besseres zu tun, als dem lästigen Gerede einer aufgedrehten Direktorin zuzuhören. "Du wirkst wie ein aufgeschlossener zu Arbeit bereiter Kerl. So welche Schüler begrüße ich hier immer wieder gerne. Nur mit denen macht das Arbeiten und der Unterricht so richtig Spaß. Ich kann es nämlich überhaupt nicht haben, wenn Schüler so viel reden und dabei nichts Sinnvolles rauskommt." Was sie nicht sagt. Woran das wohl liegt, dass sie die Schüler nicht so gerne lange reden hört?

Im Laufe des weiteren Monologs von Stummelbeinchen, wie ich sie jetzt schon fies in meinen Gedanken nenne, nicke ich noch ganz oft zustimmend, während sie mir gefühlt ihre gesamte Lebensgeschichte, von der nicht gestellten Frage, warum genau ihr Ehemann sie denn verlassen habe, bis hin zu einer Schimpftirade über Katzenhaare auf den Sofakissen, erzählt. Als sie dann aber einen Plan der Schule aus einer der vielen Schubladen ihres Schreibtischs holt, werde ich aufmerksam. Als ich noch kurz einen Blick auf meine Uhr werfe, bemerke ich, dass es schon kurz vor zehn Uhr ist. Wie kann man nur so lange über so Belangloses reden?

"So jetzt wollen wir uns aber beeilen. Du sollst ja noch heute in den Unterricht und in deine neue Klasse kommen. Ich werde mich also kurz fassen, denn so viel Zeit habe ich nicht mehr." Woran das wohl liegen mag? Stummelbeinchen deutet auf einen grünen Teil des Plas. "Das ist der Park, der hier direkt an die Schule grenzt. Dort kann man bei strahlendem Sonnenschein die frische Luft genießen und es gibt seit letztem Jahr - ganz neu also - auch Tische und Bänke, an welchen man Hausaufgaben und weiteres machen kann." Als sie dann aber wieder mit einem Monolog anfängt, schalte ich ab und bekomme mit einem Ohr mit, dass sie den "neuen" Hausmeister - der anscheinend seit letztem Sommer schon an der Schule ist - für seine großartige Renovierungsarbeiten an der Schule lobt. Mit einer Hand lange ich unter den Tisch und schreibe Karl.

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