Mittwoch Nachmittag und Abend
"Johannes? Bist du schon fertig mit allem?"
Diese typische Frage, die anscheinend Eltern vorbehalten zu sein scheint. Doch ja ich bin fertig mit allem. Mein neuen Schulsachen sind schon seit etwa fünfzehn Minuten ordentlich in der neuen Tasche verstaut. Eigentlich ist das ja nichts neues. Ich bin schon oft umgezogen und der Umzug nach Frankfurt ist nichts besonderes mehr. Seit meiner Geburt in Göttingen, hatte ich in Hamburg, Berlin, Lüneburg und München gewohnt. Nie länger als drei Jahre, wodurch ich an ziemlich verschiedenen Orten in Deutschland mehrere Freunde und Kontakte habe. Zwar habe ich meine neuen Mitschüler noch gar nicht kennengelernt, doch ich weiß, ich werde mich wahrscheinlich niemals hier so wohl fühlen wie in München. Die Stadt hatte schon etwas Besonderes an sich und zudem lebt dort mein derzeit bester Freund, Karl, mit dem ich alles besprechen kann. Ganz egal worum es geht, er hat tolle Einfälle und wir verstehen uns einfach super.
"Ja, Dad. Alles vorbereitet!"
Damit schweifen meine Gedanken wieder zu der neuen Schule, an welcher ich ab jetzt für mindestens ein Jahr bleiben werde, da mein Dad gerade hier bei einer Bank eben für ein Jahr arbeiten soll. Wie jedes Mal vor einem neuem Start frage ich mich, ob mir die neue Schule gefallen wird. Ob meine Klasse nett sein wird, sodass ich ein paar Menschen kennen lerne, die mir mal die Hausaufgaben noch schnell schicken, wenn ich sie vergessen habe und auch frage ich mich, wie die Lehrer wohl sein werden. Sind sie alle auf die bestehenden Vorurteile zugeschnitten? Wie werden meine Mitschüler und vor allem meine Mitschülerinnen auf mich reagieren?
"Johannes? Noch eine kurze Frage ..."
Das ist meine Mom und sie klingt ein bisschen gestresst vom Umzug. Auch für sie ist es schwer sich immer wieder neu zu organisieren und einen guten Arbeitgeber in der entsprehenden Gegend zu finden. Ich merke, dass ich immer noch nicht geantwortet habe: "Ja?"
"Was hälst du davon, wenn wir jetzt erst einmal alles stehen und liegen lassen und später oder wann anders den Rest auspacken und jetzt lieber zur Feier der neuen Arbeitsstelle deines Vaters ins Restaurant essen gehen. Vielleicht können wir dabei ja auch Frankfurt ein bisschen besser kennen lernen."
Auch dieser Teil kommt mir bekannt vor, doch ich sage nichts dagegen, denn auch ich könnte etwas frische Luft gebrauchen.
*****
Einige Zeit später sitzen wir in einem kleinen Restaurant, das in eine Kleingärtnerverein liegt und Mom versucht mir mal wieder zu sagen, dass ein Umzug in eine neue Stadt gar nicht so schlimm sei und es nicht nur Nachteile hat, sondern es mir auch die Chance gibt, "viele neue tolle Personen kennen zu lernen". Fast wirkt es so, als wolle sie sich selbst damit beruhigen und sich einreden, dass der sehr oft vorkommende Wechsel, nicht anstrengend sei. Nach einer Weile finde ich ihr gutes Zureden gar nicht mehr so nett und unterbreche sie:
"Mom?"
"Ja, Liebling?"
"Du weißt schon, dass ich nicht mehr 14 Jahre alt bin wie bei unserem letzten Umzug? Ich werde das alles selbst regeln und mich selbstständig einfinden und Kontakte knüpfen. Das ganze Gerede gerade geht mirwirklich auf die Nerven. Auch für mich war das heute ein anstrengender Tag und eine anstrengende Woche insgesamt."
Daraufhin schweigt sie erst einmal lange und Dad schaut mich böse an, doch das ist nun mal die Wahrheit und da ich gerade dabei bin, die Wahrheit zu sagen, muss auch noch etwas anderes raus:
"Tut mir Leid, Mom, aber da ist noch 'was anderes was mir wichtig ist: Morgen würde ich gerne alleine zu Schule fahren und nicht gebracht werden so wie es eben vor noch drei Jahren war. Auch da war es mir schon peinlich, von meinen Eltern gebracht uz werden, doch jetzt ist es mir wirklich wichtig, dass ich das alleine mache. Was soll das denn für einen Eindruck machen, wenn ich dort wie ein Grundschüler mit meinen Eltern auftauche?"
Mom und Dad schauen mich überrascht an und man merkt, wie es in den Köpfen der beiden arbeitet. Dann schauen sie einander an, mit diesem Blick, bei dem ich mich immer ausgeschlossen fühle, da ich ihre "Sprache" nicht kenne oder auch nur ansatzweise entschlüsseln kann. Schließlich antwortet Dad:
"Wie du willst. Zwar halten wir es eigentlich für besser, wenn einer zumindest zum Direktoriat mitkommt, aber wir vertrauen dir und hoffen, dass es dir mit deiner Entschidung gut geht."
Und das haben sie über nur einen Blick miteinander besprochen? Als mir vor ein paar Jahren dieser Blick das erste mal aufgefallen ist, habe ich darauf geachtet, bei wem so was zu beobachten ist und damals herausgefunden, dass dieser Blick vor allem bei Paaren zu beobachten ist. Seit dem habe ich mich schon manchmal gefragt, ob ich mich irgendwann auch mit jemandem auf diese Weise werde verständigen können.
*****
Später am Abend leige ich in meinem chaotischen Zimmer und tue etwas, was ich schon seit sehr langer Zeit nicht mehr getan habe: ich bete. Auch wenn ich es nicht richtig tue, bitte ich in einem kurzen Satz an einen nicht bewiesenen Gott um einen guten Start in der neuen Schule und Stadt. Danach liege ich erst einmal noch eine Weile wach, denke daran wie viel schöner München doch ist, als das was ich bisher von Frankfurt gesehen habe. Noch schnell schreibe ich Karl, dass das Wetter hier nicht so gut wie in München sei und kurze Zeit später erhellt sich mein Display und ich sehe, dass Karl mir bereits geantwortet hat. Wie ich gesagt habe: er ist mein bester Freund, versteht und unterstützt mich und ist für mich immer ansprechbar so wie ich es auch für ihn bin.
Karl: Hey, Mann Was is denn los?
Karl: Ist doch schon halb 12 und morgen beginnt die neue Schule für dich. Und was soll der Scheiß mit dem Wetter? Habe nachgeschaut und genau wie in Frankfurt ist es auch hier bewölkt!?
Ich: Oh na ja hab' selbst nicht nachgeschaut, wollte aber egtl damit nur sagen, dass ich mich hier nicht so wohl fühle wie in München.
Ich: U ja ich weiß, dass morgen Schule ist. Geht mir so ziemlich als einziges gerade nicht aus dem kopf
Karl: Mann du schisser benimm dich nicht gleich wie so ein heulendes Mädchen!!
Nach dem Chat mit Karl bin ich viel entspannter als zuvor und kann relativ schnell einschlafen.
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Alltag mit Ausnahmen
De TodoLena, Mona, und Tim kennen einander seit dem Kindergarten und verbringen viel Zeit sowohl in der Schule als auch privat miteinander. Jeder hat sein/ihr eigenes Päckchen zu tragen und doch noch mehr Geheimnisse als bei einer so vertrauten Freundschaf...