6 - Lena

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Donnerstag Abend

"Lena? Gehst du runter und öffnest die Tür? Ich glaube, Mona ist für dich da!" "Klar!"

Nachdem ich die Tür geöffnet habe, steht meine beste Freundin vor mir und grinst mich an. "Na? Bereit, Halloween zu feiern? Wenn nicht: auch egal, denn ich bin es schon für uns beide zusammen!" Ich muss lachen und Mona stimmt mit ein. Als wir auf meinem Zimmer sind, legt sie richtig los: "So. Als was willst du dich denn verkleiden? Ich hätte vorgeschlagen, du wirst eine Hexe und ich ein Zombie. Was hälst du davon?" Ich muss nicht lange überlegen. Im Keller haben wir noch einen langen Hexenumhang, den ich einfach über schwarze Klamotten ziehen kann. Das dürfte dann auch reichen. "Ja, finde ich eine gute Idee. Ich hole nur noch schnell den Umhang holen.

Als ich wieder nach oben komme, hat Mona schon eine riesige sehr echt wirkende Wunde auf ihre Wange gemalt und pinselt sich gerade noch fette Schatten unter die Augen. Wenn sie nicht noch ihr knallgelbes T-Shirt mit einer großen Tüte Pommes vorne drauf angehabt hätte, wäre sie schon furchteinflößend gewesen. Als es noch einmal klingelt gehe ich runter und öffne Tim die Tür, der ein weißes Bettlaken in der Hand hält. Ein Geist also. Hat sich seit dem Kindergarten nicht geändert.

"Kommt ihr hoch?" "Jaja, wir kommen schon", rufe ich schnell zurück und wir gehen hoch auf mein Zimmer, wo Mona gelbes T-Shirt bereits gegen ein zerlöchertes hässlich-grünes Oberteil eingetauscht hat. Auch nicht-mehr-normal-zerrissene Jeans gehören zu ihrem Look. Ihr Gesicht bewegt sich kaum, als sie zu Tim meint: "Was besseres ist dir also nicht eingefallen? Geist? Schon wieder?" Doch Tim zuckt bloß desinteressiert mit den Achseln und meint nur - ohne auf Mona weiter einzugehen: "Musste mir ein neues Laken holen, denn Thomas letztens das von letztem Jahr in den Müll geschmissen mit dem Grund: ist dir sowieso zu klein und auch Martin fand's hässlich - besonders mit den ganzen Löchern. Toll, als ob die Löcher nicht mit Absicht gewesen wären."

Damit beginnt er in meiner Schreibtischschublade zu kramen, holt meine blaue große Schere heraus und schneidet mehrere Löcher in das Laken. Mona wendet sich wieder dem Spiegel zu und schminkt sich weiter. Ich denke kurz an Thomas und Martin - die beiden Väter von Tim - und kann mir sehr gut bildlich vorstellen, wie die beiden ein zerlöchertes Laken irgendwo im Keller finden, sich kurz anschauen und es dann in die Tonne kloppen.

Kurze Zeit später habe auch ich Wimpertusche aufgetragen, nachdem ich natürlich meine Brille gegen Kontaktlinsen ausgetauscht habe, und auch schwarze Klamotten angezogen, über welche ich mir nur noch den schwarzen Umhang hänge. Mona sieht wirklich gruselig aus und Tim einfach nur witzig. Das Laken schleift über den Boden und die selbst geschnittenen Löcher sind viel zu groß geworden. Durch das eine, was eigentlich für EIN Auge gedacht war, sehe ich nun sein gesamtes Gesicht, welches mir lustlos entgegenblickte. Dann fahren wir mit unseren Rädern etwa 15 Minuten bis zu Susanne, bei der die Party schon richtig am Laufen ist.

*****

Schon draußen rieche ich den Alkohol und den Zigarettenrauch. Glücklicherweise noch keine Drogen. Dann ginge ich nämlich sofort wieder nach Hause. Mona ging fröhlich voran, Tim und ich folgten ihr einfach nur. Irgendwie habe ich gerade doch nicht so viel Lust auf die Party wie zuvor gedacht, denn wahrscheinlich trinken alle ganz viel Alkohol und taumeln dann nah einiger Zeit durch die Gegend. Dann darf ich Mona nach Hause bringen, denn auch sie wird wahrscheinlich spätestens in einer Stunde nicht mehr mitdenken können.

Ich folge Tim durch die Haustür in das vollgequetschte Wohnzimmer und versuche erst einmal die Luft anzuhalten. Gelingt mir leider nicht so lange und ich atme die schlechte Luft so flach wie es geht ein. Mona hat sich schon zur improvisierten Bar in Susannes Küche verdrückt und holt sich wahrscheinlich gerade einen Cocktail, damit sie später wirklich zu nichts mehr zu gebrauchen ist. Als ich mich umschaue, erkenne ich viele meiner Klassen- und auch Jahrgangskameraden. Manche Menschen hier kenne ich aber nicht mal ansatzweise. Jedoch sind viele sehr gruselig andere aber auch gar nicht verkleidet. Ich entdecke weitere Hexen, Zombies in allen Farben und auch Clowns, von welchen ich weiß, dass sie dem von ES sehr gleichen, auch wenn ich mich bisher noch nicht dazu durchringen konnte, den Film zu schauen und da der Anfang des Buches von Stephen King zu langgezogen war, kenne ich davon auch nicht mehr als die ersten hundert Seiten.

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