Freitag Nachmittag
Wie süß sich ihre Wangen röten, als ich anmerke, dass ich es super finde, dass sie Karate macht. Niedlich. Aber was sind das denn für Gedanken? Bei der ganzen fake Aktion sollte ich solche nicht haben. Super ist aber, dass meine fake-Freundin zumindest nicht schlecht aussieht. Ganz im Gegenteil. Die Haare, die sie ganz einfach und ein bisschen unordentlich im Nacken zusammengebunden haben, scheinen im hellen Licht ihres Zimmers golden zu glänzen. Das in Kombination mit den blauen Augen, die hinter dicken Brillengläsern versteckt sind. Ehrlich gesagt, verstehe ich ihre Brüder, wenn die sie vor allen möglichen Typen beschützen wollen. Sie sollte nicht einfach mit irgendeiner Person ausgehen. Viele sind ihr einfach nicht ebenbürtig.
Gut, dass bei mir schon feststeht, dass es bald wieder mit uns vorüber sein wird, denn ich bin ihr nicht gewachsen und nicht gut für sie. Kein guter Umgang und so ...
Es klopft an ihrer Zimmertür, die direkt darauf auch schon geöffnet wird. Ein hochgewachsener Mann streckt den Kopf zur Tür herein. Er ähnelt den beiden jüngeren Brüdern von Lena sehr. Dieselben braun-grünen Augen und dunkelbraunen, fast schwarzen Haare. Das muss ihr Vater sein. Schnell springe ich von der Bettkante und reiche dem Mann die Hand: "Hallo, Sie müssen der Vater meiner hübschen Freundin sein. Ich bin Johannes. Johannes Nubiskou." Nicht sehr originell, aber das muss es auch tun.
Verwundert wandert der Blick von Lenas Vater von mir zu ihr und dann wieder zurück. Fest drückt er kurz meine Hand: "Ich bin Constantin. Nett, dich kennenzulernen, Johannes. Ich würde ja gerne behaupten, schon viel und nur Gutes über dich gehört zu haben, aber meine hinreißende Tochter hat uns bisher wohl etwas verschwiegen." Fragend blickt er zu Lena, die ein leichtes, niedliches Lächeln im Gesicht trägt und nur leicht den Kopf schüttelt, als könnte sie nicht fassen, dass das hier wirklich passiert. Entsprechend fühle ich mich dazu genötigt, etwas zu antworten.
"Das ist wohl meine Schuld, Herr Liebrecht. Ich dachte daran, einander erst einmal besser kennenzulernen, bevor man damit an andere Personen geht." Merkwürdig schaut Lenas Vater mich an. Habe ich etwas Falsches gesagt? Oder etwas am Mundwinkel kleben? Das wäre ja peinlich. Schnell streiche ich mir über die Lippen, aber an meinen Fingern bleibt nichts haften. Hm.
Als ich wieder aufblicke, erkenne ich, dass ein leichtes Lächeln die Mundwinkel von Constantin umspielt. Verständnisvoll nickt er: "Jaja. So was gibt's. Außerdem: nenn mich doch bitte Constantin. Ansonsten komme ich mir immer so vor, als sei ich noch auf der Arbeit und das bin ich so schon genug. Tja, dann lasse ich euch beide mal alleine." Immer noch ein bisschen verwirrt von der Situation schließt er die Tür wieder hinter sich.
"Ja, also das ist mein Vater. Constantin Liebrecht. Er arbeitet bei der EZB hier in Frankfurt und ist nahezu den ganzen Tag lang bei der Arbeit. Was genau er da macht, weiß ich tatsächlich nicht und interessiert mich auch nicht wirklich." Langsam lasse ich mich wieder auf Lenas Futonbett zurücksinken und schaue mich zum ersten Mal in der Zeit, die ich jetzt schon hier verbringe, genauer um. "Seit Monaten verzweifelt ich nun schon daran, ihm beizubringen, nach dem Klopfen gefälligst auf ein herein oder eine andere Antwort, die Zustimmung kundig macht, zu warten. Aber ich bekomme es einfach nicht hin."
Die großen Regale mit sehr vielen Büchern sind sehr auffällig. Um die Stangen der Regal ranken sich Lichterketten und ich kann mir gut vorstellen, dass es sehr gemütlich ist, abends im Dunkel nur mit den Ketten an im Bett zu liegen. Über den verschiedenen Bücherregalen schmücken unterschiedliche anscheinend selbst gemalte Bilder die Tapete. ich muss sagen, solche Zeichen- und Malkünste hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Wie ich doch immer wieder von ihr überrascht werde. An der Wand gegenüber des Fensters sind um einen Spiegel herum sehr viele Fotos in Rahmen angebracht. Eine wirkliche Ordnung scheint es dabei nicht zu geben. Auf einigen der Bilder kann ich Mona und Tim ausmachen. Auf anderen erkennen ich die gesamte Familie Liebrecht wieder. Auch Aufnahmen von Natur und Tieren zieren die Sammlung. Insgesamt wirkt das ganze Zimmer sehr persönlich und individuell. Überraschend finde ich tatsächlich, dass ich nirgendwo einen Schminktisch sehe. Das ist wahrscheinlich bei so vielen Männern im Haushalt gar nicht möglich. Und nötig hat sie das ganze Make-Up auch gar nicht. Dass sie so natürlich ist, lässt sie bereits schön genug aussehen. So viel dazu, nicht über sie nachzudenken, als könnte sie eine richtige und nicht fake Freundin sein ...
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Alltag mit Ausnahmen
RandomLena, Mona, und Tim kennen einander seit dem Kindergarten und verbringen viel Zeit sowohl in der Schule als auch privat miteinander. Jeder hat sein/ihr eigenes Päckchen zu tragen und doch noch mehr Geheimnisse als bei einer so vertrauten Freundschaf...