Müde

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Der nunmehr fünfundzwanzigste Tag brach an und mittlerweile wollte keiner der Neun wirklich wach werden. Alle forderten Erlösung von der dunklen Kraft, die sie auf dieser Insel festhielt.
Außerhalb des Leuchtturmhauses war es still. Sogar der Wind traute sich nicht sein Säuseln zu erzeugen.
Eine bedrohliche Stille hüllte die Umgebung ein. Niemand könnte sich hier Wohlfühlen.
Kedos reckte sich ausgiebig. Um ihn herum schliefen noch alle. Er ging zu Holly und rüttelte sacht an seiner Schulter. Dem schien es nicht zu eilen, zu erwachen. Nach einem weiteren Versuch gab Kedos auf und ging zu MrMore. Auch bei ihm versuchte er das zarte Rütteln, welches dieses Mal sogar Wirkung zeigte. MrMoregame öffnete träge die Augen und blickte augenblicklich in die von Kedos. "Ist es schon Mittag?" fragte MrMore schlaftrunken. Er gähnte leidenschaftlich. Kedos schüttelte den Kopf. "Dann las mich schlafen." grummelte MrMore als Antwort und drehte sich von Kedos weg. Der seufzte. Mit einem Mal hörte er ein Geräusch hinter sich. Er wandte sich ruckartig um. Zombey hatte sich aufgesetzt. Sein Blick wirkte ungewöhnlich leer.
Kedos trat einen Schritt von Zombey weg. Er konnte sich noch gut an gestern erinnern und verspürte nicht den Drang ein Messer erneut in seine Magengrube gerammt zu kriegen. Zombey schnitt dies garnicht mit.
Sein Blick lag weiterhin auf der Betonwand des Hauses. Er nahm seine Umgebung nicht im Geringsten wahr. Kedos stand eine Weile still dort und schaute zu Zombey. Dann näherte er sich ihm vorsichtig. Jedoch traute sich Kedos nicht Zombey anzusprechen. Deswegen hockte er sich zu der nächsten Person und versuchte sie zu wecken. Niemand wollte wach werden. Schließlich richtete sich Holly auf. Er war von Kedos rütteln wach geworden, hatte jedoch in den ersten Minuten nichts mitgekriegt. Relativ schnell fiel sein Blick auf Zombey, der immer noch wie paralysiert da saß und ins Leere starrte. Holly konnte verstehen wieso. Nach dem, was am gestrigen Tag vorgefallen war. Er stand auf und setzte sich neben Zombey. Dann legte er behutsam seinen Arm, um seinen Freund. Wahrscheinlich wäre Holly erstmal der Einzige der Zombey traute. Genau deswegen musste er nun umso mehr für ihn da sein.
"Was machst du da, Holly?" fragte Kedos flüsternd. Holly's Blick huschte kurz zu Kedos. Er zuckte mit den Schultern. Kedos würde es sowieso nicht glauben, wenn Holly ihm von gestern erzählte. Aus diesem Grund versuchte er es gar nicht.

Nach und nach schlugen auch die Anderen ihre Augen auf.
Obwohl sie scheinbar lange geschlafen hatten, war ihnen der Schlafmangel anzusehen. Unter den Augen der Neun bildeten sich, immer dunkler werdende, Ringe.
Sie waren nicht im Geringsten ausgeruht.
Manuel schaute gedankenverloren aus einem Fenster. Irgendetwas war heute ungewöhnlich mit ihm. Noch gestern hatte er einen unglaublichen Hass auf Zombey gehabt, jedoch schien der mit einem Mal wie verpufft. Manu fühlte Mitleid für seinen Freund, der wohlgemerkt, im jetzigen Zeitpunkt, nicht gerade gut aussah. Manu's grüne Augen funkelten überlegend. Er versuchte seine Gedanken zu sortieren.
Wie sollte er Zombey bitte schön erklären, dass er sich vertragen wollte? Immerhin war er gestern ziemlich gemein zu Zombey gewesen und hatte jeglichen Frieden abgelehnt. Doch heute war er wie ausgewechselt. Manuel wünschte sich die freundschaftliche Beziehung zwischen ihm und Zombey wieder aufzubauen. Er atmete tief durch.
Jeder Tag konnte der Letzte sein.
Und wer würde bloß heute der Nächste sein, der versuchte alle umzubringen?
Manu hoffte inständig, dass es nie dazu kommen würde, dass er zum Mörder mutierte. "Ich geh kurz an die frische Luft." sagte Osaft plötzlich an Manu gewandt. "Möchtest du mitkommen?" fragte er und riss Manuel endgültig aus seinen Gedanken. Der schüttelte jedoch zaghaft den Kopf. Ihm war nicht danach nach draußen zu gehen. Lieber wollte er sich dazu bringen, mit Zombey zu sprechen.
Osaft nickte verstehend und wandte sich stattdessen Easn zu. Ihn fragte er die gleiche Frage. Easn willigte ein. Dann verließen die Beiden das Leuchtturmhaus. So leicht war Manu also zu ersetzten. Manuel seufzte leise. Es half nichts das Gespräch noch weiter hinauszuzögern.
Er stand auf und ging zu Holly und Zombey. Holly blickte mit Misstrauen zu ihm. Sogar Zombey wandte einen nichtssagenden Blick zu Manu.
"Zombey, ich möchte kurz mit dir sprechen." sagte Manu zögerlich.
Keine Reaktion. Jedenfalls in den ersten Sekunden. "Bitte, ich bereue unseren Streit. Lass uns das klären." versuchte er es weiter.
"Nach der gestrigen Aktion will ich mich nicht mehr vertragen." sagte Zombey brüchig. Kleine Tränen bildeten sich in seinen Augen. Er wischte sie jedoch schnell wieder weg. "Aber-" fing Manu an. "Lass mich in Ruhe." unterbrach ihn Zombey mit kalter Stimmlage.
Manuel wollte sich doch nur mit Zombey vertragen und nun war der so abwertend ihm gegenüber. Manu konnte sich keinen Grund denken, wieso er sich so verhielt.
Holly stand auf und stellte sich vor Manu. "Komm mit." sagte er und zog Manu am Ärmel seines Pullovers aus dem Haus.
"Hör zu. Halt dich von Zombey fern. Er möchte nicht mit dir sprechen. Erst recht nicht nach dem, was du gestern getan hast." erklärte Holly ernst. Manu verstand nicht. So extrem war ihre kleine Diskussion doch garnicht gewesen. Jedoch sah Manu ein, dass er Holly respektieren musste. Immerhin war er Maudado's Helfer und hätte genauso viel Autorität wie Maudado selbst. Außerdem würde seine Chance auf Frieden nur noch mehr sinken, wenn er Zombey ungewollt auf die Nerven ging. "Na gut." sagte er kleinlaut. "Danke für deine Einsichtigkeit." sagte Holly nun im freundlichen Ton. Er klopfte Manu aufmunternd auf die Schulter. Dann ging er zurück ins Haus.

Wer ist der Nächste?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt