Blutrote Buchstaben

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Das Heulen des Windes war das einzige und überaus beängstigende Geräusch, welches auf der Insel zu hören war. Das Gras wehte in einem melodischen Rhythmus, der keine Melodie kannte. Das Holz der Ruinen knarzte bedrohlich. Der Mond schien alles mit seinem allsehenden Blick zu überwachen. Er beleuchtete den Sand, der golden zu funkeln schien. Es entstand ein Zwielicht, in dem man zwar fast alles erkennen konnte, jedoch in gewisser Weise auch nicht.
Der Morgentau begann sich zögerlich auf den einzelnen Grashalmen zu bilden.
Kaum zu glauben, dass acht Mörder auf dieser Insel wandelten. Sie alle wussten nichts mehr davon, aber innerlich war ihnen klar, was sie waren. Allein die abwertenden Blicke der Anderen reichten, um sich schuldig zu fühlen. Nur, dass die Anderen genauso schuldig waren.
Außer einer Person. Eine der neun Personen war noch fast unschuldig.
Plötzlich wurde es schlagartig still. Der Wind wehte noch genauso stark, jedoch wie durch ein Wunder, gab er keinen Laut von sich. Ein leises Geräusch setzte ein. Es war das Rascheln des Grases, als eine Person durch es trat. Die Schritte verstummten nach kurzer Zeit. Dann hörte man ein leises Schluchzen. Es war kaum hörbar und dennoch präsent.
"Ich hab die Nase voll von dieser gottverdammten Insel!" schrie Maudado in die Nacht hinein.
Seine Augen waren feucht und Tränen liefen ihm über die Wangen. Maudado's blonde Haare wehten im eisigen Wind. Er konnte einfach nicht mehr. Täglich musste er mitansehen wie seine Freunde abgeschlachtet wurden. Jeden Tag wurde sein Vertrauen auf neue strapaziert.
Das Schlimmste an der aktuellen Situation war jedoch, dass Maudado, genauso wie die Anderen, wusste, dass er der Letzte war, der noch nicht dem Blutrausch erlegen war. Maudado war die einzige Person, die noch nicht zum Mörder geworden war. Die Chance, dass er am heutigen Tage dran war, war nicht nur eine Chance, es war eine unbewusste Garantie.
Was würde es mit dir machen, wenn du wüsstest, dass du heute, wie aus dem Nichts, alle, die dir wichtig sind, umbringen würdest und du nichts dagegen tun könntest?
"Ich will das nicht!" schrie er erneut ins fahle Antlitz des Mondes. Maudado war verzweifelt. Seine Angst schien ihn zu ersticken.
Er fiel auf die Knie und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Maudado's Schluchzen hallte über die gesamte Insel, jedoch schien es niemand zu hören. Wie innerhalb einer Mauer, war Maudado gefangen. Gefangen in seiner Angst. Keiner konnte ihm nun helfen. Dann blickte Maudado hoch. Auf der Wiese vor ihm konnte er eine Silhouette erkennen. Erst jetzt fiel ihm richtig auf, wie seltsam es war, dass er mitten in der Nacht erwacht war und nicht wie sonst bei Tagesanbruch. Maudado sprang erschrocken auf. " Tritt ins Licht." sagte er ängstlich. Die Gestalt schüttelte zaghaft den Kopf. Dessen gegenüber trat zurück. "Das ist nicht im Geringsten lustig. Du weißt doch genau wie gefährlich es ist." sagte Maudado brüchig. Er hoffte darauf, dass es sich bei der Person, um einen seiner Freunde handelte. Andererseits war er sich nicht sicher, ob er sich überhaupt sicher fühlen konnte, selbst wenn es einer seiner einstigen Freunde wäre.
Die Person in der Dunkelheit bedeutete Maudado, mit einer simplen Geste, ihr zu folgen. Der dachte nach. Er hatte sowieso nichts mehr zu verlieren. Würde er sterben, dann währte es sowieso nur bis zum neuen Morgen, wenn dann das ganze Spiel von Neuem anfing. "Bitte hör auf mit dieser Maskerade. Ich möchte wissen, wer vor mir steht." bat Maudado die Gestalt. Ein erneutes Kopfschütteln kam von Maudado's Gegenüber.
Schließlich näherte sich Maudado der Silhouette mit kleinen Schritten. Sie bewegte sich nicht. Das Geräusch der leisen Schritte hallte in Maudado's Ohren. Er war so konzentriert, dass er das Gefühl hatte, er könne seinen eigenen Herzschlag hören.
Er ging die letzten Schritte und stand nun ungefähr einen Meter vor der düsteren Gestalt. Die rührte sich nicht. Langsam verlor Maudado die Geduld. Im Allgemeinen war ihm das Ganze überaus suspekt und dieses lange Schweigen machte es nur noch beunruhigender.
Plötzlich verwandelte sich die Silhouette zu Staub, der wie in Zeitlupe zu Boden rieselte. Maudado wich erschrocken zurück. Fast hätte er vor Schreck geschrien, jedoch hatte er sich vorher die Hand vor den Mund gehalten. Langsam wurde er wohl verrückt. Maudado lachte dumpf. "Was willst du von mir? Ich werde das nicht tun!" Maudado schaute hoch zum Mond. Tränen lagen in seinen Augen. Vor seinem inneren Auge spielten sich die letzten acht Tage erneut ab. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
Maudado's Blick wanderte plötzlich vom Mond weg, da er eine Bewegung wahrgenommen hatte. Bei genauerem Hinsehen handelte es sich um eine flackernde Kerze, die in einem der zerstörten Häuser leuchtete. Maudado wunderte sich, weil er noch nie eine Kerze hier gesehen hatte.
Wie eine Motte, die vom Licht in seinen Bann gezogen wurde, ging Maudado mit langsamen Schritten in Richtung der kleinen Flamme. Der Schein der Kerze spiegelte sich in Maudado's leuchtend grünen Augen.
In dem Haus erwartete ihn ein gar obzönes Bild. Auf dem gesamten hölzernen Boden waren Blutsprizter verteilt. Doch das war nicht das Schlimmste. Acht abgetrennte Finger, deren Schnittstellen von Blut glänzten, waren mich dünnen Holzspießen in den Brustkorb eines, aus Styropor gefertigten, Mannequins gebohrt und zeigten auf die Wand des Raumes. Der beißende Gestank des dickflüssigen warmen Blutes stieg Maudado wie ein Parasit in die Nase.
Ihm wurde schlagartig übel und er musste seinen Blick abwenden.
Als er seinen Ekel und die Übelkeit schließlich überwunden hatte, bekam er die Gelegenheit auf die beschmierte Wand zu blicken. Seine Augen weiteten sich und Schock machte sich in ihm breit. Seine grünen Pupillen zitterten ängstlich. Maudado hielt sich die Hand vor den Mund. Tränen bildeten sich in seinen Augen. "Bitte nicht." nuschelte er leise.
Seine Hände zitterten. Ihm gerfror förmlich das Blut in den Adern, als er weiterhin gebannt auf die Schrift an der Wand schaute. Seine Augen hefteten sich an die Buchstaben und wiederholten sie kontinuierlich in seinem Kopf, in der Hoffnung er habe sich einfach verlesen, so dass das, was an der Wand stand, nur seinem Verstand entsprang. Die dunkle Gewissheit, dass er sich nicht verlesen hatte, versuchte er kläglich zu unterdrücken. Wäre doch nur einer seiner Freunde bei ihm, um Maudado zu beruhigen, jedoch konnte er niemandem erzählen, was er sah. Keiner würde der Abstrusität glauben.
Die Schrift brannte sich in Maudado's Gehirn. Das versuchte die Wahrheit zu verarbeiten, jedoch war das schwer, wenn es einem so an das Herz ging.
Maudado fiel auf die Knie. Er begann kaum hörbar zu schluchzen. Tränen liefen in Bahnen über seine Wangen. Seine Lippen zitterten.
"PALUTEN" stand in blutroten Buchstaben an die Wand geschrieben. Das Blut, welches als Farbe verwendet wurde, lief an der Wand runter und verzerrte das Geschriebene teilweise. Dennoch konnte man problemlos erkennen, was dort stand. Dieses eine fatale Wort.
Der Name, der Maudado zum zittern brachte. Nicht etwa, weil das Wort an sich so bedrohlich war oder der Name Brutalität ausstrahlte oder eben diese verdeutlichte. Nein, dieser Name hatte wahrlich nichts ungewöhnliches oder schockierendes an sich, noch verherrlichte er Gewalt. Doch die Bedeutung, die dieses Wort nun hatte, war in jedem Falle fatal und brachte Maudado zum weinen.
Unter der blutroten Schrift waren sieben Bilder angebracht. Genauer gesagt sieben kleine Portraitfotos. Ein Lächeln lag auf den Gesichtern der auf den Fotos abgebildeten Personen. Unter jedem Buchstaben hing jeweils ein Bild. Eine Person, die dem Buchstaben seine Zugehörigkeit gegeben hatte. Auf einem der sieben Portraits waren zwei Personen abgebildet, jedoch sah es eher wo aus als hätte man die eine Person notgedrungen ausgeschnitten und auf das Foto geklebt.
Zu jedem der sieben Buchstaben gehörte ein Mörder. Zu jedem Buchstaben gehörten neun Tote. Neun verlorene Seelen, die um den letzten Funken Lebendigkeit kämpften.

Maudado richtete sich zitternd auf. Blut, das vorher noch sein Dasein am Boden gefristet hatte, klebte nun an seiner Hose. Ebenso hatte sich die warme Masse an Maudado's Finger geschmiegt.
Maudado hatte Angst. Schreckliche Angst vor der Wahrheit. Steckte Paluten hinter all dem? Allein bei dem Gedanken bildete sich ein Kloß im Hals des Blondhaaringen.

Leider war es eine große Chance, dass der sonst so freundliche junge Mann der Drahtzieher dahinter war

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Leider war es eine große Chance, dass der sonst so freundliche junge Mann der Drahtzieher dahinter war. Doch wie konnte er so etwas auf die Beine stellen?
"Ich möchte dich sehen." raunte plötzlich eine bekannte Stimme an Maudado's Ohr. Der wandte sich ruckartig in die Richtung aus der das Flüstern kam. Dieses Mal war der Schock etwas milder, als er dort niemanden vorfand. Die Stimme hatte ganz klar dem Braunhaarigen gehört. "Warst du es?" fragte Maudado wütend. Seine Angst und sein Schock hatten sich innerhalb von kurzer Zeit zu einer Kugel an unbändigem Zorn verwandelt. Er schrie fast, so laut hatte er gesprochen.
"Wach auf, Maudado." erwiderte Paluten's Stimme monoton. Man konnte zu diesem Zeitpunkt keine Emotionen in ihr erkennen. Ein dreckiges Lachen war zu hören. "Ich will es wissen!" schrie Maudado. "Wach auf." wiederholte Paluten. Mit einem Mal wehte ein kräftiger Windstoß durch die zerbrochenen Fenster in das Haus. "Wach auf." säuselte der Wind in Maudado's Ohr. Er zuckte zusammen. Noch immer hatte Maudado Tränen in den Augen.
Plötzlich überkam ihm ein weiterer Windstoß, der die Kerze, als einzige Lichtquelle, ausblies und das gesamt Haus in beklemmende Dunkelheit hüllte.
"Wach auf."

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Hey,
Das ist so gesagt Teil 1 des Finale's.
Nun wisst ihr was die Buchstaben sind, aber was sie bedeuten ist schleierhaft.

P.A.L.U.T.E.N

Sieben Buchstaben. 63 Morde. Sieben Mörder. Eine Wahrheit.

Wer ist der Nächste?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt