Wer ist der Nächste?

Neun Buchstaben.

Ist es nicht eine gar beängstigende Vorstellung, dass dein bester Freund, dem du dein Leben anvertrautest und der dir sonst in jeglicher misslichen Situation zur Seite stand, versucht dich, seinen besten Freund, umzubringen und das, ohne jegliche Skrupel? Und ist es nicht bizarr, dass neun Freunde, die sonst zusammen durch dick und dünn gingen, sich gegenseitig so sehr misstrauten, dass ihre Freundschaft daran zu zerbrechen drohte? Freund oder Feind? Nur eine kaum sichtbare Linie trennt diese Beiden. Es ist einfach sie zu übertreten, aber ein Zurück gibt es dann nicht mehr. Das Versprechen, dass man einem vertrauen konnte, war nicht mehr wert als leere Worte. Genauer gesagt waren es leere Worte, dessen Bedeutung in Sekunden ihr gesamtes Gewicht verlieren konnte. Ehrlichkeit konnte einem so leicht in den Rücken falle. Wie ein Messer, welches man Hinterrücks in dessen Fleisch rammte. Nur, dass es noch sehr viel mehr weh tun konnte, wenn man es zulässt. Eine Versprechung ist indirekt eine Lüge, die nur darauf giert ihre wahre Bedeutung zu erfüllen. Verrat ist alltäglich. Unbewusst und versteckt.

Worte setzten sich aus Buchstaben zusammen. In bestimmten Buchstaben steckte eine Bedeutung, wenn man sie richtig anordnete. Ein Name oder gar ein Satz konnte aus solchen Buchstaben gebildet werden.

Sieben Mörder. Sieben Buchstaben. Die Bedeutung ist unbekannt. Noch.

Sein Körper zitterte. Die Vibration des bebenden Leibes ließ auch das hauchdünne Lacken in Schwingungen geraten. Der Ausdruck auf seinem Gesicht hatte sich verkrampft. Leises verzweifeltes Wimmern verließ den Mund des Menschen. Seine Haut so blass wie das fahle Antlitz des Vollmondes, welcher allmählich hinter dem Horizont, und somit auch der Grenze dieses Ortes, verschwand. Der Mond hinterließ ein gar magisches Farbspektrum aus Rosa-, Orange- und Gelbtönen. Dieses ließ den nassen Morgentau des Grases der Insel in eben diesen Farben schimmern. Es herrschte Stille. Diese hatte etwas Bedrohliches an sich. Die Luft war beengend und der Wind wehte lautlos durch die Leere der zerstörten Häuser.

Mit der aufgehenden Sonne, wurde es allmählich heller. Jedenfalls erschien es so. Doch der Schein war trügerisch. Nebel begann schleppend über die Hügel zu kriechen. Er fraß sich durch die Landschaft und hüllte die Insel in einen diesigen Schleier der Melancholie und Angst. Auch das große Leuchtturmhaus blieb von diesem Nebel nicht unberührt.

Die wabernden Nebelschwaden bahnten sich ihren Weg durch die Schlafenden. Der Mantel aus Nebel hüllte sich um die Körper der Menschen. Sie atmeten die, vom Nebel korrumpierte, Luft ein.

Einer von ihnen schien jedoch von dem Nebelschleier unberührt. Heiße Tränen liefen über die eiskalten Wangen dieses Individuums. Weiterhin ging ein beständiges Beben durch seinen leib. Seine Finger hatten sich unbewusst in den dünnen Stoff des Lackens geheftet.

Zwei Wörter wiederholten sich kontinuierlich in seinem Kopf. Sieben Buchstaben, die unbedeutend erschienen. Sieben Buchstaben mit einer wesentlich fataleren Bedeutung als die simplen zwei Wörter, die sie aktuell bildeten. Zwei Wörter können Leben zerstören. Ein simples „Leb wohl." Kann den Tod oder langes seelisches leiden für einen bedeuten. Sieben Buchstaben. So viele Möglichkeiten, um verschiedenste Worte mit unterschiedlichsten Bedeutungen zu kreieren. Memento. Sieben Buchstaben. Mori. Vier Buchstaben. Vier, die Zahl des Todes. „Memento Mori." „Sei dir der Sterblichkeit bewusst.".

War er sich der Sterblichkeit bewusst? War er, der selbst sieben Buchstaben in seinem Namen trug, in Klaren darüber, dass ihm keine Möglichkeit mehr blieb. Der Kampf war verloren. Die Schlacht geschlagen. Alles, was er besessen hatte, lag nun in Bruchstücken vor ihm. Seit sieben Tagen versuchte er die Teile wieder zusammenzusetzen, jedoch war ihm innerlich schon am ersten Tag klar, dass es ihn nicht möglich war das Verlorene zu rekonstruieren. Dennoch hatte er nie ganz aufgegeben. Aufgeben. Die Waage des Schicksals. Acht ist die Zahl des Schicksals. Sie bedeutete sowohl Schlechtes als auch Gutes. Eine Unberechenbarkeit. Brachte aufgeben Erlösung oder Verderben? War es sein Schicksal dies herauszufinden?