5. Kapitel: Im Untergrund

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(Sicht: Gudrun Enslinn, Mitbegründerin der RAF)
(ungewisser Tag Anfang Juni 1970)

Das Leben im Untergrund ist nicht einfach. Man müßte meinen Andreas und ich wären das schon gewöhnt gewesen, aber ich glaube so richtig hatte ich mich nie daran gewöhnt. Für Andreas war das immer in Ordnung gewesen. Er kämpfte mit seinem ganzen Herzblut immer 100%. Ein bißchen wie meine beste Freundin Ulrike, aber er war noch extremer. So extrem, dass es in wenigen, aber durchaus manchen Momenten, sogar mir Angst machte.

Heute trafen wir uns alle endlich, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
„Liebe Genossinnen und Genossen, gut dass ihr es alle geschafft habt, im Untergrund zu bleiben, ohne verhaftet zu werden. Gerade Ulrike und Andreas hatte Probleme, aber wir haben es bis jetzt geschafft."
Die anderen sahen mich und Horst Mahler angespannt an. Es waren viele neue Gesichter in den letzten Monaten dazu gekommen, aber eines konnten wir (also Ulrike, Andreas, Horst und ich) bei allen sehen, sie fragten sich wie es weiter ging. Was kam nach der Propaganda? Welche neuen Aktionen und wie konnten wir uns darauf vorbereiten, wenn dieses mal der Staat und sein Militär (die Polizei) in höchster Alarmbereitschaft war?
Brigitte, die Fahrerin des Fluchtwagens bei der Baader-Befreiung, sah uns misstrauisch an: „Ihr habt also einen Plan wie es weitergeht. Ich hoffe doch ihr habt einen Plan!"
Was sollte das? Wir brauchten die neuen Mitglieder. Warum sprach sie so verunsichernd vor ihnen?
„Natürlich haben wir einen Plan, "entgegnete Andreas leicht säuerlich," vielleicht unterbrichst du meine Freundin besser nicht und hörst einfach zu."
Sie schwieg, also fuhr ich fort. „Wir haben einen Plan für die Zukunft ausgearbeitet. Wir sind uns einig, dass es hier viele neue Mitglieder gibt, die noch nicht viel Ahnung von Waffengewalt und Guerillakämpfen haben. " Einige der neuen Genossen und Genossinnen nickten zustimmend. „Daher finden wir, dass eine Ausbildung im Waffenumgang genau das Richtige für uns wäre," beendete ich meine Ansprache vorerst.

Sofort brach ein Tumult, aus verschiedenen Einwürfen und Vorschlägen, aus. Alle waren auf einmal so engagiert, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich für Ruhe sorgen konnte. Es fehlte einfach eine Autorität, jemand der uns anführte. Ein demokratischer Zentralisismus. Zum Glück gab es meinen verrückten Freund, Andreas. Er stieg einfach auf den Tisch, zog seine Waffe und schoss in die Decke. Drei Schüsse, aber mit dem ersten Knall waren bereits alle still und starrten ihn verstört an. Dieser stand lachend da, wärrend ihm der Putz auf den Kopf rieselt. Dieser Junge ist unsere Rettung, dachte ich. Ich glaube ich war nie in meinem Leben so verliebt in ihn, wie in diesem Moment. Ich konnte nicht umher ihn einfach entzückt und schockiert zugleich anzustarren.

Da ich nichts sagte, redete jetzt Ulrike für mich weiter: „Unsere wunderbare Genossin Gudrun Ennslin hat einen guten Plan entwickelt. Unser Genosse Horst Mahler hat gute Kontakte zum Mfs (Ministerium für Staatssicherheit, auch besser bekannt als Stasi) in der DDR, ziemlich gute sogar, die uns den Weg ermöglichen sollen."
„Den Weg wohin?", fragte einer der neuen Genossen.
„Den Weg in ein Waffenausbildungslager der Fatah. Den Weg nach Jordanien."
Wieder herrschte für einen Moment Stille.
„Die Fatah. Palästinensische Befreiungsguerilla? Was haben wir mit ihnen zu tun?" fragte eine andere Genossin.
Ich lächelte. „Gut, dass du fragst. Sie haben uns ihre Hilfe angeboten. Das ist eine Wahnsinnschance. Wir können euch natürlich nicht zwingen mitzukommen, aber wir hoffen darauf, dass ihr es tut! Die Fatah sind stark. Eine wirkliche Schwäche für die imperiale Unterdrückung durch Israel. Und ein wichtiger internationaler Verbündeter. Vorallem aber haben sie Erfahrung. Wir könnten viel von ihnen lernen!"
Die Anderen schwiegen eine Weile, so dass ich schon dachte, dass sie unsere Idee ablehnen würden. Aber dann sprach Brigitte. „Tut mir leid, ich habe uns unterschätzt. Wir sind der Wahnsinn, ihr seid der Wahnsinn! Auf nach Jordanien, zeigen wir der Fatah, wer wir sind. Die Rote Armee Fraktion!"
„Wir sind die rote Armee Fraktion und bauen die rote Armee in Deutschland auf!" rief Andreas und hob gleichzeitig ernst und lachend die linke Faust. Wir taten es ihm gleich. Was für ein Gefühl!

Rote Armee Fraktion (RAF): Die erste Generation Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt