Alles bricht zusammen.

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Kapitel 11
Alles bricht zusammen.


Jungkook

Taehyungs Gesichtszüge wirkten entspannt, so als hätte ihn bis vor wenige Minuten kein schmerzhafter Anfall gepeinigt. Seine Hautfarbe hob sich kaum von der sterilen weißen Decke ab unter der sein schmächtiger Körper verborgen lag. Fest hielt ich seine kalte Hand umklammert und ließ meine Augen über sein Gesicht wandern. Die niedliche Röte, die sonst auf seinen Wangen zu sehen war, war längst verschwunden und seine Lippen schienen blutleer zu sein.

„Kookie?", sprach Jimin mich leise an und legte eine Hand auf meine Schulter. „Lass uns einen Kaffee trinken gehen." Abwesend nickte ich und doch konnte ich mich nicht von Taehyung losreißen. Ich wollte ihn nicht allein lassen, um womöglich noch etwas zu verpassen.
„Er schläft, wir bleiben nicht lange weg", versuchte Jimin mich zu überreden und zog leicht am Stoff meines Mantels.
Schweren Herzens schob ich Taehyungs Hand unter die Decke und erhob mich mit steifen Gliedern von dem Stuhl, den ich extra neben das Bett gestellt hatte. „Ich liebe dich", flüsterte ich und drückte federleicht meine Lippen auf seinen Mund. Zärtlich strich ich ihm eine Strähne aus der Stirn, bevor ich Jimin schließlich aus dem Raum folgte. Mit jedem Schritt, den ich mich weiter von Taehyung entfernte, fühlte ich mich immer schlechter. Nur mit Jimin, der mich sanft am Arm hielt, schaffte ich es irgendwie weiter zugehen ohne sofort umzudrehen.

Kraftlos ließ ich mich auf den Stuhl sinken, den Jimin mir vorgezogen hatte und starrte gedankenverloren auf die Tischplatte. „Ich bin gleich wieder da", vernahm ich Jimins Stimme, reagierte aber nicht darauf. Ich konnte nur an Taehyung denken und wie zerbrechlich er ausgesehen hatte. Träge ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen und sah schließlich nach draußen. Die Sonne schien und verhöhnte mich, denn gute Laune hatte ich schon seit einigen Tagen nicht mehr. Stattdessen fühlte ich mich einfach nur erschöpft und leer.
„Hier." Mit einem schwachen Lächeln stellte Jimin eine dampfende Tasse vor mir auf den Tisch und zog seinen Stuhl direkt neben meinen, bevor er sich setzte.
„Danke", nuschelte ich monoton und rang mir ein kleines Lächeln ab.
„Sprich mit mir", bat er mich und drehte sich leicht in meine Richtung, so das sein Knie meines berührte. Mit einem hörbaren Schlürfen nippte er an seinem Kaffee und sah mich dann abwartend an.

„Ich habe Angst", sagte ich leise und fuhr mit den Fingern über den rauen Stoff meiner Jeanshose. „Tae... es geht ihm immer schlechter." Verzweifelt sah ich in Jimins Gesicht, der mir mitleidig entgegenblickte.
„Meinst du nicht, dass es nochmal besser wird?", fragte er vorsichtig und so sehr ich seine positive Einstellung liebte, konnte ich mich gerade nicht darüber freuen.
„Wir wissen beide, dass das nicht passieren wird", stieß ich hervor, woraufhin Jimin leicht zusammenzuckte. „Entschuldige." Verlegen wich ich seinem Blick aus, griff nach meiner Tasse und trank einen Schluck. Der Kaffee schmeckte gut und rann heiß und kräftig meine Kehle hinunter.
„Ich wollte meine schlechte Laune nicht an dir auslassen. Aber ich bin einfach so verzweifelt", erklärte ich meinen kleinen Ausbruch und sah unsicher zu Jimin.
„Ich mache dir keine Vorwürfe", sagte er verständnisvoll und legte eine Hand auf mein Knie. Seine Berührung war tröstlich und ich war unglaublich froh, dass er für mich da war. „Es ist völlig normal, dass du so reagierst. Ich mache mir auch Sorge um ihn, aber ich dachte, dass es vielleicht nur eine Phase ist. In letzter Zeit ging es ihm doch so gut oder nicht?"

„Es fing so plötzlich an", begann ich und trank einen Schluck von meinem Kaffee. „Es war alles in Ordnung. Er hat mir so oft erzählt, wie glücklich er ist und wie gut es ihm geht." Wehmütig dachte ich an die letzten Tage und lächelte traurig. Taehyung hatte mir sein schönes Lächeln gezeigt, war völlig entspannt gewesen und hatte keine Sekunde an seine Krankheit gedacht.
„Was ist passiert?", fragte Jimin zögernd und riss mich aus meinen Erinnerungen. Hastig stellte ich die Tasse zurück auf den Tisch, um nichts von der heißen Flüssigkeit zu verschütten. Verzweifelt versuchte ich mich zu beruhigen und sah flehend zu Jimin, der meinen Blick traurig erwiderte.
„Vor zwei Tagen hatte er wieder einen Anfall. Dieses Mal aber um einiges schlimmer als bisher. Es war so grauenhaft", brachte ich stockend hervor und war froh, als Jimin meine Hand nahm. „Er hat geschrien vor Schmerzen. Ich hatte keine Ahnung was ich machen sollte, habe ihn einfach nur gehalten und versucht zu beruhigen."
Wimmernd drückte ich Jimins Hand und hielt meine brennenden Tränen vehement zurück. „Ich kann seine Schreie jetzt noch hören und es macht mich einfach nur noch fertig. Taehyung ist alles für mich und ich kann ihm einfach nicht helfen."

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