Kapitel 36

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„Warum? Weil ich einfach nicht mehr kann? Weil ich dich und mich nicht verletzen will?", wollte er wissen und sah sie an, als sie ihn antippte.

„Weil du dich vor allem, was schön sein kann, verschließt", murmelte sie langsam und wusste nicht, ob es sinnvoll war, dieses Gespräch noch weiter fortzuführen. Sie waren beide müde und konnten ein wenig Schlaf gebrauchen. „Aber genug davor für heute. Jetzt heißt es erst einmal ein wenig schlafen. Gut, dass es dieses Mal keine Diskussion darüber geben wird, ob ich auf den Boden schlafen darf, oder nicht."

„Wenn du wüsstest, wie es in mir aussieht ...", murmelte er und schob sie von seinem Schoß, damit sie sich hinlegen konnte. Harus Gesicht war nass vom Weinen und er fuhr sich noch einmal trotzig über das Gesicht. Er musste sich vor diesen Sachen verschließen und es nicht zu weit kommen lassen, sonst würde es nur genauso enden wie mit Sarah. „Schlaf ruhig. Ich halte Wache", sagte er und lächelte ein wenig schief und auch ziemlich müde. Weinen zerrte an seinen Kräften und er fühlte sich sehr erschöpft.

„Nichts da. Du legst dich auch mit hin. Ich nutze einen Zauber, der uns weckt, wenn sich uns etwas nähert", beharrte die Rothaarige und wirkte nicht, als würde sie darüber mit sich diskutieren lassen. „Wir brauchen beide unseren Schlaf. Vor allem du."

Haru war zu müde um zu diskutieren. Dennoch schüttelte er den Kopf und beschrieb einen großen Kreis mit seinen Armen, wobei er einen Schutzschild um das Lagerfeuer legte. „Schon erledigt. Schone deine Kräfte", sagte er und legte sich hin, nachdem er seine Decke und das Kissen hervorgeholt und vergrößert hatte. Er machte es sich auf dem Boden bequem und er sah in das Feuer. Seine Augen brannten wie Feuer, weil er normalweise nicht so viel weinte.

Sezuna fuhr ihm noch einmal durch die Haare. „Versuch auch wirklich zu schlafen, ja?", bat sie, bevor sie sich ebenfalls eine Decke und ein Kissen aus ihrem Rucksack holte. Anders als Haru, der die Gegenstände immer verkleinerte, war ihr Rucksack an sich mit einem Zauber belegt, der es möglich machte, mehr darin unterzubringen, als normalerweise.

Sie kuschelte sich in ihre Decke und beobachtete Haru. Am liebsten hätte sie sich neben ihn gelegt, doch sie wusste nicht, ob er das jetzt zulassen würde.

Obwohl der blonde Junge so müde war, nagte er an seiner Unterlippe und starrte in das Feuer. „Sezuna? Es tut mir leid ... Ich werde dir das, was du dir vielleicht wünschst, niemals geben können ...", sagte er leise.

Sezuna reagierte nicht sofort, doch da sie sich bewegte, wuaste Haru, dass sie wach war. „Ich habe mit dir eine schöne Zeit", murmelte die. „Das reicht mir."

„Gut ... dann gibt es auch keine zu großen Erwartungen deinerseits. Das ist gut ...", sagte er leise und schien sich ein wenig zu entspannen, doch noch immer starrte er gedankenverloren in das Feuer. Er zitterte, aber nicht vor Kälte, sondern weil er einfach erschöpft war.

„Schlaf jetzt", murmelte Sezuna, konnte aber selbst nicht schlafen, weil sie auf Harus Bewegungen hörte.

Der Junge war blass im Gesicht und er setzte sich noch einmal auf. „Mir ist schlecht", murmelte er plötzlich. Haru wusste nicht, woher das nun kam, ob es vom Essen oder von der Erschöpfung kam. Normalerweise reagierte er schnell darauf, doch durch die Müdigkeit und das weinen war sein Kopf leer.

Sezuna erhob sich ebenfalls. „Willst du einen Tee?", fragte sie und klang besorgt. „Du machst dir viel zu viele Gedanken."

Er schüttelte den Kopf. „Nein, schlaf ruhig. Es wird bestimmt gleich besser", gab er zurück und legte sich wieder hin. Haru schloss die Augen und versuchte sich auf das Atmen zu konzentrieren. Tief atmete er ein und aus und das half ihm tatsächlich ein wenig. „Kannst du nicht schlafen?", fragte er nach einigen Minuten, in denen er still dagelegen hatte.

„Geht es dir besser?", war die Gegenfrage und die Antwort blieb sie ihm schuldig.

Haru machte nur ein zustimmendes Geräusch. Nun lag er auf dem Rücken und starrte wieder in den Himmel. „Meinst du, Sarah würde wirklich wollen, dass ich ohne sie glücklich bin?", fragte er sie leise.

„Wenn sie dich geliebt hat, wovon ich sehr stark ausgehe, wird sie wollen, dass du glücklich bist", bestätigte Sezuna und nickte ebenfalls.

„Oder sie wartet auf mich ...", sagte er heiser. Noch immer hielt Haru daran fest, sie eines Tages wiederzusehen.

„Das wird sie auch noch, wenn du dein Leben so beendest, wie es sein soll", flüsterte Sezuna und legte sich nun ebenfalls wieder zurück.

„Hast du ... was dagegen ... neben mir zu schlafen? Ich ... möchte heute Nacht nicht so gerne alleine sein ...", flüsterte Haru ihr zu.

Ohne ein Wort zu sagen, erhob sich Sezuna und legte sich kurz darauf neben ihn. „So gut?", fragte sie leise und atmete seinen Geruch ein, der sie beruhigte.

„Danke ...", flüsterte er und nickte zur gleichen Zeit. Selbst für ihn schien es beruhigend zu sein, dass sie nun in seiner Nähe war. Eigentlich wollte er es nicht, doch nun, gerade nach ihrem Gespräch brauchte er es einfach. „Gute Nacht Sezuna ... und danke für alles", murmelte er, bevor er endlich beruhigt einschlafen konnte.

Sezuna murmelte ebenfalls eine gute Nacht und eückte ein wenig näher zu Haru. Dass er zuließ, dass sie bei ihm schlief beruhigte sie sehr.

Irgendwann in der Nacht wachte der Junge einmal auf und als er Sezuna nah an sich spürte, lächelte er sanft. Er hätte nicht gedacht, dass es sich so gut anfühlen würde, wenn jemand bei ihm war. Dass Sezuna es geschafft hatte, mit ihren Worten ihn ein wenig aufzutauen. Langsam drehte er sich zu sie und beobachtete sie im Schlaf, während der Feuerschein ihr Gesicht ein wenig erhellte. „Verzeih mir Sarah ...", sagte er leise mit einem Blick in den Sternenhimmel und er legte seinen Arm um das Mädchen, bevor er weiterschlief.

Sezuna rührte sich kaum dabei, auch wenn sie wach war und seine Worte gehört hatte. Die Nähe tat ihr gut und sie versuchte selbst zurück ins Land der Träume zu gleiten. Haru hatte zwar gesagt, er könnte ihr nicht das geben, was sie wollte, doch sie glaubte dennoch daran.

Galdur - Fenua (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt