20- Briefe in der Nacht

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➴♚➶

heute.

„Triff mich auf der Brücke zur Wehr. Ich habe Informationen zum Attentat auf den König."

Ich starrte den Zettel an. Der hatte eben noch nicht in meinem Buch gesteckt. Da war ich mir ziemlich sicher. Aber die Bibliothek um mich herum war ansonsten verlassen. Nur das fahle Mondlicht fiel durch die bodentiefen Fenster des Erkers auf den Tisch. Regen prasselte gegen die Scheibe und verschwamm mit dem Geräusch meines Atems.

Ich hob die Lampe neben dem Bücherhaufen hoch und leuchtete zwischen die Regale. Ihre obersten Bretter waren nur mit hohen Leitern zu erreichen, doch das Glasdach verhinderte, dass man zu viel Licht benötigte. Bücher und Flammen. Ich verstand, was sich die Konstrukteure dabei gedacht hatten.

Doch dort war niemand. Die zwei Bibliothekare hatten sich bereits vor einer halben Ewigkeit höflich verabschiedet und der blanke Parkettboden hätte jeden neuen Eindringling verraten müssen.
Unschlüssig sah ich zurück zum Zettel und dem Buch, in dem er gesteckt hatte. ‚Gifte und heilende Tränke- eine gefährliche Gratwanderung'. Es steckte neben dem Eintrag von geschmacklosen Zusätzen für jegliche Weinsorten. Den, den ich aufgeschlagen hatte auf der Suche nach einem Mittel, das violette Spuren auf den Lippen hinterließ. Zwei Begegnungen mit dem Gift und ich brannte darauf den Namen dieses merkwürdigen Mittels zu erfahren. Ein Hinweis auf eine vollständigere Liste hatte mich zurück zwischen die Regale gelockt und bei meiner Rückkehr hatte sich jedes kleine Haar auf meinen Armen gestellt.

Ich habe Informationen zum Attentat. Das ‚komm alleine' schwebte wie ein Geist zwischen den Buchstaben. Vorsichtig hielt ich den Zettel näher an mein Licht heran, um die Handschrift besser zu sehen. Weiblich. Ziemlich sicher.

Oder? Sie war gleichzeitig schnörkelig und ungeschickt. Gut möglich, dass es sich um ein Küchenmädchen oder einen schüchternen Gast handelte, der lieber nicht mit derartigen Dingen in Verbindung gebracht werden wollte. Constantin hatte gestern einen seiner umgänglichen Tage gehabt und beim Frühstück verkündet, dass ich Sebastian bei seinen Untersuchungen helfen und frei durch den Palast laufen würde. Er hatte damit zwar einen Streit mit seiner Schwiegermutter vom Zaun gebrochen. Vermutlich allerdings nur, weil er mich schneller loswerden wollte.

Doch die eigentliche Frage blieb: War das derselbe Schreiber, der mir auch einen Brief unter das Kopfkissen gelegt hatte? Ich wendete den Zettel zum bestimmt siebten Mal, doch er blieb nur einseitig beschrieben, ohne Absender oder anderen Hinweis. Probehalber roch ich noch einmal dran, aber alles, was mir in die Nase stieg, war der Wachsgeruch meiner Kerze. Die Realität war hart: Ich hatte keine Ahnung, ob sich die Handschrift ähnlich war. Und der andere Brief lag in meinem Schlafzimmer.
Sollte ich Sebastian holen?

Nein. Der war bestimmt bereits nach Hause zu seiner Familie gegangen. Er hatte mir heute Mittag berichtet, dass keiner seiner Soldaten fehlte, ganz im Gegenteil, sie hatten drei mehr, als er ursprünglich berechnet hatte. Ein administrativer Fehler, wie er Constantin versicherte und mich enttäuschte.

Da ich allerdings sicher wusste, dass der Attentäter die Wehr verlassen hatte- mich die Treppe herunter schubsend- war unser nächster Verdacht, dass es sich um jemanden von außerhalb handelte. Jemand, der hoffentlich nicht mit weiblicher Handschrift Zettel schrieb. Ich hatte ja so meinen ganz persönlichen Argwohn gegen Fidei Defensor Holus, aber leider keine Beweise.

Ich knüllte den Zettel zusammen und steckte ihn in die Tasche meines Rocks. Es brachte alles nichts. Meine Neugierde würde erst Ruhe geben, wenn ich wusste, wer auf der Brücke auf mich wartete.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt